Der Darm ist nicht nur für die Nahrungsverwertung zuständig. Er spielt auch eine zentrale Rolle in unserem Immunsystem. Daher ist es elementar wichtig, ihm möglichst täglich durch eine bewusste Ernährung Gutes zu tun.
Der Darm ist quasi wie ein hochwirksames Biotop im menschlichen Körper", sagt der Münchner Internist und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner Georg Johannes Wechsler. In diesem Biotop, das zu den dichtest besiedelten Ökosystemen der Welt zählt, tummeln sich rund 100 Billionen Bakterien, die wiederum die natürliche Darmflora bilden. Die meisten dieser Mikroorganismen sind unsere besten Freunde. Doch weil Bakterien keine Pflanzen sind, sprechen Wissenschaftler heute nicht mehr von „Darmflora", sondern von Mikrobiota oder Mikrobiom.
Der Darm ist zunächst einmal ein etwa acht Meter langer Schlauch, der sich vom Magenausgang bis zum After schlängelt, grob unterteilt in den längeren Dünndarm und den deutlich kürzeren Dickdarm, die wiederum beide aus diversen Unterdärmen bestehen. Denken wir an unseren Darm, so fällt uns natürlich zuerst seine Funktion als Verdauungsorgan ein. Doch daneben spielt er auch eine ganz elementare Rolle in unserem Immunsystem. Schließlich sind bis zu 70 Prozent unserer Abwehrzellen im Darm beheimatet, knapp 80 Prozent aller Abwehrreaktionen laufen hier ab. Außerdem stellt das Mikrobiom selbst auch lebenswichtige Vitamine her: B1, B2, B12, B-Vitamin Niacin, Folsäure und Pantothensäure. Allerdings kann die Vitamin-Bakterienaktivität nicht die Vitaminaufnahme über die Ernährung ersetzen.
Als Nahrungsverwerter leistet das Mikrobiom tagtäglich Schwerstarbeit. Im Zuge von 75 Lebensjahren werden statistisch rund 30 Tonnen Nahrung und 50.000 Liter Flüssigkeit durch unseren Verdauungsapparat geschleust. Wobei der Speisebrei im Dünndarm zunächst in seine Einzelbestandteile wie Wasser und andere Flüssigkeiten, Amino- und Fettsäuren, Vitamine und Zucker aufgeschlossen wird, anschließend werden die „guten" Nährstoffe über die Schleimhaut resorbiert und ins Blut weitergegeben.
Was der Dünndarm nicht verarbeiten kann, wandert weiter in den Dickdarm, der dem Organismus wichtige Salze (Elektrolyse) zuführt. Der Dickdarm ist aber eher für die Immunabwehr zuständig. Dafür setzt er vor allem auf Kolonien von Lymphozyten, die zur Bekämpfung von bedrohlichen Viren oder gefährlichen Bakterien Antikörper produzieren können. Womöglich lassen sich Gewichtsprobleme auf die individuelle Dominanz bestimmter Mikrobiom-Typen zurückführen. Denn Forscher haben herausgefunden, dass besonders die „Bacteroides" dazu in der Lage sind, normalerweise unverdauliche Kohlenhydrate zu verwerten. Diese werden hingegen bei Personen mit „Prevotella"-Dominanz einfach unverarbeitet ausgeschieden. Dass der Darm im Zusammenspiel mit dem Gehirn auch bei unseren Emotionen eine wichtige Rolle spielt, hat sicher jeder schon durch das gewisse Kribbeln im Bauch gespürt. Was damit zusammenhängt, dass der Darm von über 100 Millionen Nervenzellen umhüllt wird – mehr als im gesamten Rückenmark vorhanden sind.
70 Prozent aller Abwehrzellen im Darm
Vor diesem Hintergrund dürfte jedem klar sein, wie wichtig ein gesunder, perfekt arbeitender Darm für das menschliche Wohlbefinden ist. Kein Wunder, dass die Pharmabranche keine Mühen und Kosten scheut, um ihre Pülverchen und Kapseln zu bewerben, mit deren Hilfe dem Darm auf die Sprünge geholfen oder er noch leistungsfähiger gemacht werden soll. Auch wenn niemand ernsthaft diese Mittelchen benötigt, die den Darm eher träge machen, weil dieser sich auf die Unterstützung von außen gewöhnen kann. Wellness für dieses Organ lässt sich viel natürlicher durch ein bewusstes und gezieltes Ernährungsprogramm erzielen, am besten durch körperliche Bewegung ergänzt. Spaziergänge oder andere sportive Betätigung aktivieren den Stoffwechsel und regen die Darmtätigkeit an. Schon 15 Minuten Bewegung werden als ausreichend angesehen.
Was dem Darm guttut: Von größter Wichtigkeit für das Überleben und Gedeihen der wertvollen Darm-Mikroorganismen ist die regelmäßige Zuführung von Ballaststoffen. Diese sind in Obst und Gemüse ebenso vertreten wie in Vollkornprodukten, Nüssen, Weizenkleie oder Leinsamen. Ideal sind 30 Gramm täglich. Was sich wenig anhört, aber in der Umsetzung immerhin beispielsweise den Verzehr von 200 Gramm Karotten oder drei Schreiben Vollkornbrot verlangen würde.
Die Ballaststoffe werden in lösliche und unlösliche unterschieden. Lösliche Ballaststoffe, auch Präbiotika genannt, sind vor allem in Früchten und Gemüse enthalten. Diese Faserstoffe, beispielsweise Inulin oder Oligofructose, können im Darm, unterstützt durch reichlich Flüssigkeit, stark aufquellen und dadurch das Stuhlvolumen vergrößern. Da der Stuhl dabei auch weich wird, kann sich der Darm regelmäßig und zügig entleeren. Präbiotika, die von unserem Körper nicht verdaut werden können, sondern der nützlichen Darmflora als Energiequelle dienen, helfen daher auf natürliche Weise, einem trägen Darm Beine zu machen. Unlösliche Ballaststoffe, wozu beispielsweise Zellulose oder Lignin zählen, kommen vorwiegend in Hülsenfrüchten oder Getreide vor. Obwohl sie von den Darmbakterien kaum abgebaut werden können, sind sie für den Verdauungsvorgang doch ebenfalls ganz wichtig, weil auch sie das Stuhlvolumen vergrößern und dadurch mehr Bewegung in den Darm bringen können.
In der Werbung für gewisse Sorten von Joghurt oder Buttermilch kommen auch immer wieder Probiotika ins Spiel, die angeblich dem Darm guttun. Dabei handelt es sich letztendlich aber nur um Milchsäurebakterien. „Diese Bakterien – zum Teil auch Hefepilze – können dazu beitragen, die Barrierefunktion des Darms zu stärken und Krankheitserreger in Schach zu halten", erklärt der Hamburger Facharzt für Innere Medizin und Ernährungsexperte, Jörn Klasen. Diese Mikroorganismen kommen auch noch in Kefir oder Sauerkraut vor, werden aber auch in Kapsel- oder Tropfenform rezeptfrei in Apotheken angeboten. Die Wirkung dieser probiotischen Nahrungsergänzungsmittel ist aber umstritten. „Es gibt keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege dafür, dass solche Präparate helfen", so der Hamburger Internist und Ernährungsmediziner Matthias Riedl. Statt hochpreisiger probiotischer Produkte kann man übrigens mit einem normalen Vollmilch-Joghurt dank reichlich enthaltener Milchsäure-Bakterien auf jeden Fall mehr oder weniger den gleichen Effekt erzielen.
Essen, auf was man Appetit hat
Was dem Darm zu schaffen macht: Mit fettreichem Lebensmittel allgemein, beispielsweise der Wurst, hat der Darm so seine Probleme. Auch in der Verarbeitung von rotem Fleisch von Rind, Schwein oder Lamm tut er sich schwer. Da gefallen ihm Puten- oder Hühnerfleisch schon viel besser. Auf im Eiltempo zugeführte, nicht ausreichend durch Kauen zerkleinerte Nahrung pflegt er gerne mal gereizt zu reagieren, was Bauchschmerzen oder Blähungen zur Folge haben kann. Auch großer Stress kann die Darmtätigkeit aus der Balance bringen. Das frühere Allheilmittel Schonkost zur Darm-Regeneration kann man glatt vergessen, denn: „In der Regel verträgt der Mensch die Lebensmittel gut, auf die er Appetit hat", erklärt Margret Morlo vom Verband für Ernährung und Diätetik.