Janis Joplin, die am 19. Januar 75 Jahre alt geworden wäre, hatte eine Stimme, die anders war als die der meisten Sängerinnen ihrer Zeit: kräftig, rauchig, rockig. Joplin wurde zu einer Ikone der Hippie-Bewegung, ihr Song „Me and Bobby McGee" zur Hymne einer ganzen Generation. Schon mit 27 Jahren starb sie an einer Überdosis Heroin.
Sie hatte kein Geld, also tat Janis Joplin einfach das, was sie am besten konnte. Als sie Anfang der 60er-Jahre erstmals nach San Francisco kam, um dort als Musikerin Fuß zu fassen, durfte die Sängerin kostenfrei im Keller eines Folksänger-Pärchens wohnen. Einmal in der Woche kam sie nach oben und sang ein Lied – das genügte als Miete.
Janis Joplin konnte die Menschen mit ihrer bemerkenswerten Stimme in ihren Bann ziehen. Kräftig und rauchig war sie und damit ganz anders als die Stimmen der meisten Sängerinnen zu jener Zeit. Joplin schrie, stöhnte und kreischte und wurde so zum ersten weiblichen Star der Rockmusik sowie zu einer Ikone der Hippie-Bewegung und des Feminismus. Ihre Biografin Alice Echols sagte später über sie: „Sie war eine Solo-Frau, die es in der Männerdomäne des Rock ‚n‘ Roll schaffte. Sie hat für sich selbst das eingefordert, was sonst den Männern vorbehalten war: künstlerischer Ehrgeiz, Lust, das Recht auf ein besonderes Leben."
Leider war ihr dieses Leben nur sehr kurz vergönnt. Im Oktober 1970, im Alter von nur 27 Jahren, wurde Janis Joplin in einem Hotelzimmer in Los Angeles tot aufgefunden – gestorben an einer Überdosis Heroin. Vielleicht aber auch, wie der Sänger Eric Burdon von den „Animals" einmal anmerkte, an einer Überdosis Janis.
Am 19. Januar 1943 wurde Janis Joplin in Port Arthur im US-Bundesstaat Texas geboren. Sie hasste den Ort; für sie war Port Arthur „eine Stadt voller Kegelbahnen, Rednecks und Klempner, die so spießige Leben führten". Joplin war anders. Sie liebte die Kunst und die Musik, trug Sweatshirts und enge Jeans, rauchte Gras und zog am Wochenende mit ihren männlichen Freunden durch die Klubs. Auch mit ihren politischen Ansichten eckte sie an, denn schon in jungen Jahren hatte sie einen klaren Standpunkt in Sachen Bürgerrechten. Ihre Schwester Laura Joplin erinnert sich: „Die Welt veränderte sich, und Janis’ Interpretation davon, ein guter Mensch zu sein, beinhaltete Dinge, die viele in den Südstaaten noch nicht akzeptieren konnten. Port Arthur war sehr konservativ, es gab dort einen aktiven Ortsverband des Ku-Klux-Klans. Als Janis dann in der Highschool bei einer Diskussion in einer Sozialkundestunde gegen die Rassentrennung argumentierte, wurde sie zur Zielscheibe."
Auf der Highschool kräftig gemobbt
Janis Joplin wurde gemobbt. Einige besonders fiese Mitschüler wählten sie wegen ihres Übergewichts, der vielen Akne in ihrem Gesicht und ihres ganz und gar nicht mädchenhaften Verhaltens zum „hässlichsten Jungen auf dem Campus". All das prägte sie auch musikalisch. Sie war eine „Außenseiterin, die ihren Schmerz in die Musik legt und dadurch zumindest zeitweilig Erlösung erlangt", wie Nadine Lange es im Berliner „Tagesspiegel" formuliert hat.
Und trotzdem: Als sie 1963 nach San Francisco abhaute, da hatte sie das Gefühl, „sie müsse es sich verdienen, den Blues zu singen, und dass sie nicht genug gelitten habe", wie Chet Helms, ein Freund, später erzählte. Janis Joplin trank viel Alkohol und nahm Drogen –
erst Methedrin, bald aber auch das weitaus gefährlichere Heroin. Joplin selbst sagte: „Ich wollte Drogen rauchen, Drogen lecken, Drogen aufsaugen. Was auch immer ich in die Finger bekommen konnte, ich wollte es mir reinpfeifen."
In dieser Phase versuchte sie sich vor allem mit Folkmusik. Einmal traf sie ihr Idol Bob Dylan in einem Klub. „Eines Tages werde ich berühmt sein", sagte sie zu ihm, worauf er antwortete: „Yeah, wir werden alle berühmt sein." Tatsächlich war Joplin zunächst aber nur mäßig erfolgreich. Auf einer Party 1965 ließen ihre Freunde sogar einen Hut zum Geldsammeln herumgehen, um sie in einen Greyhound-Bus zurück nach Hause setzen zu können.
Zurück in Port Arthur versuchte Joplin ein normales Leben zu führen; sie entsagte Alkohol und Drogen und schrieb sich an der Universität ein mit dem Ziel, Lehrerin zu werden. Auch verlobte sie sich mit Peter de Blanc, den sie in San Francisco kennengelernt hatte. In einem Brief an ihn beschrieb sie, was in ihrem Kopf vorging: „In dem Versuch, irgendein Muster in mein Leben zu bringen, finde ich, dass ich immer mit großem Enthusiasmus losgezogen bin und mich dann total zerstört habe. Alles, was ich tat, war wild zu sein, permanent zu trinken, zu ficken und zu singen. Jesus fucking Christ, ich wäre so verdammt gerne glücklich."
In acht Minuten aus dem Nichts zur Legende
De Blanc war nicht mit nach Texas gegangen, sondern lebte in New York; die beiden führten eine Fernbeziehung.
Zumindest bis Joplin herausfand, dass er sie mit einer anderen Frau betrog, die sogar schon schwanger von ihm war. Als sie davon erfuhr, ließ sie ihr bisheriges Leben erneut hinter sich und floh abermals nach Kalifornien – dieses Mal aber für immer.
Joplin schloss sich einer Band namens Big Brother and The Holding Company an, doch schon bald traten Differenzen auf. „Am Anfang versuchte sie nicht, das Ruder zu übernehmen. Sie versuchte wirklich, sich in die Band zu integrieren und ein Teil von ihr zu sein. Doch Monterey Pop war der große Wendepunkt", sagte der Schlagzeuger Dave Getz. Gemeint war das Monterey International Pop Music Festival im Juni 1967 und dort ganz besonders das Lied „Ball And Chain". Der Journalist Bill DeMai schrieb dazu in der Zeitschrift „Classic Rock": „In diesen acht Minuten wurde ihre Legende geboren. Janis, gefesselt von diesem langsamen Blues in Moll, mit geschlossenen Augen, Mikro an den Lippen, die raue und vielschichtige Soul-Schreie aus ihrem winzigen Körper quetscht, bevor sie in ein Flüstern übergeht. Sie wankt, reckt die Fäuste, lässt die Hüfte kreisen, schüttelt ihr dichtes, nasses Haar, und ihr bleiches Gesicht strahlt wie in Ekstase. Eine Performance, die völlige Kontrolle und Verletzlichkeit kombiniert. Und genau das macht sie so greifbar, so kraftvoll."
Zwar veröffentlichte die Gruppe gemeinsam mit Joplin 1968 noch das Album „Cheap Thrills", doch danach trennten sich die Wege. Janis Joplin stellte eine eigene Band zusammen: die Kozmic Blues Band, mit der sie im September 1969 auch ihr erstes Soloalbum namens „I Got Dem Ol’ Kozmic Blues Again Mama!" herausbrachte. Kurz zuvor stand sie beim legendären Woodstock-Musikfestival auf der Bühne und sprach dort den später noch oft zitierten Satz über die Protest- und Flower-Power-Bewegung: „Früher waren wir nur wenige, jetzt gibt es Massen und Massen von uns." Ebenfalls 1969 hatte sie auch ihren einzigen Auftritt in Deutschland in der Frankfurter Festhalle.
Ihr bestes Album erschien posthum
Als ihr bestes gilt jedoch ihr drittes und letztes Album „Pearl", laut Zeitschrift „Rolling Stone" eine der besten Platten der Musikgeschichte – mit Hits wie „Mercedes Benz" und „Me and Bobby McGee", das zur Hymne einer ganzen Generation wurde. Das Album erschien im Januar 1971 – drei Monate nach ihrem Tod am 4. Oktober 1970. Am Tag danach hätte sie eigentlich die letzten Vocals aufnehmen sollen, doch so blieb einer der Songs unvollendet und erschien nur als Instrumentalversion der Full Tilt Boogie Band. Der Name des Liedes war dabei fast schon ein Omen: „Buried Alive in the Blues".
Janis Joplin wurde nur 27 Jahre alt und gehört damit zum „Club 27" – so wird eine Reihe von Musikern bezeichnet, die alle in diesem Alter Suizid begangen hatten oder an Drogenmissbrauch starben. Brian Jones, Jimi Hendrix, Jim Morrison und Kurt Cobain gehören unter anderem dazu, auch Amy Winehouse wird dazu gezählt. Immerhin blieb sich Joplin bis in den Tod treu. In ihrem Testament hatte sie verfügt, dass ihre Freunde das hinterlassene Bargeld von 1.500 Dollar bei einem Gelage „vertrinken".