Die Jusos, die SPD-Jugendorganisation, sind derzeit in aller Munde: Sie proben den Aufstand gegen die „Alten". Die Grüne Jugend tut sich hingegen schwer mit dem eigenen Profil.
Bei der Grünen Jugend ist es beinahe so wie mit berühmten Eltern: Man muss sehen, dass man irgendwie aus ihrem Windschatten kommt. Doch wenn es bei den berühmten Eltern reicht, genau das Gegenteil von dem zu machen, mit dem die Alten erfolgreich waren, ist das bei einer Ökopartei nicht so einfach. Geht grüner als grün? Linker als links (wobei daraus schnell rechts werden kann)?
Die Grüne Jugend ist umgeben von straßenkampferprobtem Urgestein, von Gesundheits- und Ernährungsaposteln – und dabei sind die auch noch immer auf der Höhe der Zeit, wenn es um politische Korrektheit geht. Wie soll man da auffallen?
Dabei bietet die jüngste Entwicklung in der grünen Bundespartei genügend Anlass aufzubegehren. Das Heiligtum Ämtertrennung wurde weiter aufgeweicht. Die neue Doppelspitze besteht aus zwei Realos. Doch der Protest ist eher verhalten und wird im kleinen, jugendlichen Kreis ausgelebt. Kein Wunder, nachdem die linke Galionsfigur der Grünen und damit das Vorbild der Jugend, Jürgen Trittin, offiziell befunden hat, das dies alles gar nicht so schlimm sei.
Die Grünen sind zwar innerhalb der im Bundestag vertretenen Parteien im Altersdurchschnitt mit 47 Jahren immer noch unter der magischen 50, aber die FDP ist mit 45,5 Jahren mittlerweile jünger als sie. Der jüngste Abgeordnete mit 24 Lenzen wird ebenfalls von der FDP gestellt. Dies war über Jahrzehnte eine Domäne der Grünen. Immer gab es im parlamentarischen Rund Abgeordnete, die direkt von der Grünen Jugend kamen. Doch die Zeiten sind vorbei.
Woran das liegt, darauf weiß der 24-jährige Jonas Graeber aus Osnabrück auch keine rechte Antwort. Der Student ist Beisitzer im Bundesvorstand der Grünen Jugend. Dass es bei der weiteren Aufweichung der Ämtertrennung zu keinem Proteststurm gekommen ist, liegt für ihn an der Person Robert Habeck. Der neue Vorsitzende sollte nicht beschädigt werden, so Graeber, und relativiert: „Ich finde, wir sollten grundsätzlich darüber diskutieren, ob wir die Ämtertrennung weiterhin haben wollen. Ich finde, es ist wichtig, dass wir sie haben, aber ich bin gespannt, wie das weitergeht."
Auch bei der Geschlechterparität argumentiert er eher zurückhaltend: „Die Parität bei der Besetzung der Ämter, Mann/Frau, ist für mich nicht so wichtig. Ich könnte mir auch zwei Frauen als Doppelspitze sehr gut vorstellen."
Seine Bundesvorsitzende Ricarda Lang wird‘s freuen. Auch sie klingt im Gespräch nicht gerade begeistert von den jüngsten Entwicklungen in der Bundespartei, hält sich aber erst mal zurück. Eines ist für die 24-Jährige in der Rückschau aber klar: „Wenn es zu einer Jamaika-Koalition gekommen wäre, dann hätte die Grüne Jugend viel Stunk gemacht, da wäre es für uns ums Grundsätzliche gegangen. Da hätte es überhaupt keine Grundlage für eine grüne, progressive Politik gegeben." Hätte, würde, wäre – dazu musste es ja gar nicht erst kommen, FDP-Lindner hat der Grünen Jugend in dem Fall die Arbeit abgenommen.
Auch die neue Realo-Spitze sieht Ricarda Lang entspannt. „Wir werden schauen, wie wir zusammenarbeiten. Unser Anspruch ist ganz klar, dass wir auch als Grüne Jugend wahr und ernst genommen werden." Ruhe als erste Jugendpflicht? Ihre größte Freude: Im neuen Parteivorstand der grünen Bundespartei sitzt dann doch noch eine Vertreterin der Jugend – Jamila Schäfer, sie wird am 30. April 25 Jahre alt. Sie ist sozusagen der gelebte Generationenwechsel, auch wenn sie bislang noch nicht weiter in der Öffentlichkeit aufgefallen ist, schon gar nicht durch einen Frontalkurs gegen die Bundespartei.
Die CSU-Schulpolitik mit ihrem achtjährigen Abitur hat die geborene Münchnerin zu den Grünen getrieben. „Von einem Tag auf den anderen hieß es plötzlich, Abitur nach der 8. Klasse, ab sofort Nachmittagsunterricht, nichts mehr mit Sport und Freizeit, keiner hatte uns überhaupt gefragt", so Jamila Schäfer im Interview. Der daraus resultierende Schulstreik wurde für sie zum Erweckungserlebnis. „Man muss sich nicht alles gefallen lassen, sondern kann was dagegen tun. Ich hab die Demos mitorganisiert, und die Grüne Jugend hat uns dabei ganz toll unterstützt", erinnert sich Jamila an den Beginn ihrer politischen Karriere. Jetzt sitzt sie im Bundesvorstand der Grünen, sie ist jetzt die neue Stimme der Grünen Jugend, nachdem es sechs Jahre keinen unter dreißig in diesem Gremium gab. Wobei für sie selbst offenbar noch nicht ganz so klar ist, wo sie politisch eigentlich genau steht, das hat die Debatte um die Flügel in der Partei gezeigt.
Die Themen sind geblieben, seit 40 Jahren
„Ich finde, dass die Flügel nicht Personalfindungsclubs sein sollen. Die Flügel sind spannende Ideengeber und sollen es auch bleiben. Ich würde mich selber im linken Spektrum einsortieren, aber nicht jede Entscheidung sollte sich an den Flügeln orientieren", so die Soziologie- und Philosophiestudentin, die gerade ihren Master macht. Das klingt weniger nach Revolution, als vielmehr nach Robert Habeck, dem frisch gekürten Grünenchef und neuen Hoffnungsträger.
Angesprochen auf die anstehenden Aufgaben kommt dann das, was jeder Grüne unisono erzählt: „Wir haben riesige Herausforderungen, die Klimakrise, ein krasses Artensterben... Wir müssen dafür sorgen, dass wir in fünfzig Jahren auf diesem Planeten noch ein gutes Leben führen können." Die Themen sind geblieben, seit 40 Jahren. Und sie wurden auch noch von einer „Klimakanzlerin" gekapert, die in den vergangenen zwölf Jahren populistisch alles besetzt hat, was von den Grünen einmal auf die Tagesordnung gehoben worden war.
Beim vergangenen Parteitag in Hannover fanden die jungen Grünen dann doch noch einen Weg, einfach mal anders zu sein als die alten Grünen um sie herum: Das Congress Center Hannover hatte extra öko-bio-vegetarisch-vegane Speisen aufgefahren – all die Delegierten labten sich mittags daran. Doch die Grüne Jugend tickte anders: Sie bestellte kurzerhand beim Pizza-Lieferservice alles, was der Flyer hergab. Und so marschierten die Pizzaboten mit den übereinander gestapelten, lecker riechenden Kartons an den verdutzt mampfenden Alt-Ökos vorbei – die nun doch nicht mehr anders konnten, als den Stand der Grünen Jugend in der Ecke endlich auch mal wahrzunehmen.