Kein anderer Bundesbürger wohnt so gern in eigenen vier Wänden wie der Saarländer. Der Wohnungsmarkt ist trotz niedriger Zinsen noch relativ entspannt, dennoch gibt es regionale Probleme: zu viel Wohnraum auf dem Land, Leerstände in Kernlagen.
Eternit-geplättelt steht sie da, der Stolz des Saarländers, am liebsten mit Schwenkplatz: das Eigenheim. Riesig im Vergleich zum Bundesdurchschnitt mit etwas über 100 Quadratmetern, günstig im Vergleich zum Bundesdurchschnitt mit 1400 Euro pro Quadratmeter – während man in Hamburg doppelt so tief in die Tasche greifen muss. Also kein Wunder, dass im günstigen Saarland seit Jahrzehnten Häuser aus dem Boden schießen.
Saarland – das Land der Hausbesitzer. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es mehr Eigenheime als im Saarland. 2014, sagt die Statistik, wohnten 62,4 Prozent der Saarländer in den eigenen vier Wänden. Seit Jahren führt das Land schon diese Statistik deutschlandweit an. Die Wohneigentumsquote lag 2015 in Deutschland bei durchschnittlich knapp über 50 Prozent. Warum ist das so? Warum leben im Saarland mehr Leute im Eigenheim als sonstwo in Deutschland?
Niedrige Grundstückspreise sind die eine Seite der Medaille, die andere ist historisch bedingt, durch die Förderung des Eigenheimbaus bei Bergleuten in der Vergangenheit des Saarlandes. Und das Bauen scheint sich in der Mentalität der Saarländer bis heute wiederzufinden.
Beton gilt noch immer als beste Altersvorsorge: In Zeiten, in denen die gesetzliche Rente kaum noch reicht, bildet eigens genutzter oder vermieteter Wohnraum eine gute Geldanlage. Auch deswegen steigen auch im Saarland die Preise für Häuser und Eigentumswohnungen. Was aber passiert, wenn der Wohnungseigentümer auf Grundsicherung im Alter angewiesen ist? Immerhin seine Wohnung darf er behalten, haben die jüngsten Gespräche zwischen CDU/CSU und SPD ergeben, eine gute Nachricht für das Saarland und seine vielen Hausbesitzer. Vier Milliarden Euro sollen in die Förderung des sozialen Wohnungsbaus und die steuerliche Förderung für mehr Wohneigentum fließen, heißt es aus Berlin.
Problematisch für Häuslebauer andernorts bleiben oftmals die Quadratmeterpreise. Von zehn Euro könnte man sich fünf Kilo Brot kaufen, im südöstlichen Thüringen laut einem Immobilienbericht sogar Land – ein Quadratmeter Baufläche kostet dort im Mittel zehn Euro. In einigen Gegenden des Saale-Orla-Kreises sind es rund 50 Euro. Aber von München ist das noch immer weit entfernt: Dort müssen Bauherren rund 1.600 Euro hinblättern.
Dass Wohnraum vor allem in deutschen Großstädten knapp ist, merkt man nicht mehr nur an den Häuserpreisen. Bauland habe sich weiter verteuert, sagt Anja Diers vom Arbeitskreis der amtlichen Gutachterausschüsse. „München hat immer Spitzenpreise.“ Aber auch in anderen Städten fielen hohe Preise an. In Wiesbaden etwa sind es laut Bericht 840 Euro pro Quadratmeter, in Hamburg 480 Euro. Die Experten haben für ihren neuen Bericht Kaufverträge ausgewertet. Insgesamt wechselten im vergangenen Jahr Immobilien und Grundstücke für rund 237,5 Milliarden Euro die Besitzer. Der Trend: Vor allem Wohneigentum in Städten ist nochmals teurer geworden.
Die Zinsen seien weiter niedrig, sagt Diers. Und das Wohnangebot ist vor allem in Städten knapp, weil dort viele Menschen hinziehen. In den Kommunen reichten das Angebot und die Ausweisung von Bauplätzen oft nicht aus, „da überrascht es kaum, dass die Baulandpreise weiter steigen“, schreibt Peter Ache, Redaktionsleiter des Immobilienmarktberichts.
Wohnungspreise im Saarland steigen
So sieht es auch Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA). Die stagnierenden Grundstücksvergaben seien eines der Kernprobleme bei der Bewältigung der Wohnungsknappheit. „Vor diesem Hintergrund wundert es wenig, dass bei den Baugenehmigungszahlen nicht die gewünschte Steigerung eintritt. Wir laufen unseren Zielen hinterher, die Grundstücksvergabe ist der Flaschenhals.“ Warum werden also nicht mehr Flächen ausgewiesen?
Experten sehen verschiedene Gründe. „Viele Kommunen haben gar nicht mehr die Flächen. Denken Sie an Frankfurt oder München“, sagt Matthias Waltersbacher vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Grundstücke seien nicht beliebig multiplizierbar. Jede Kommune habe eine etwas andere Situation. Auch der Immobilienexperte Michael Voigtländer vom arbeitgebernahen Forschungsinstitut IW Köln sieht mehrere Aspekte. Die Kommunen täten sich schwer, Bauland auszuweisen, weil sie Umweltbeeinträchtigungen und Proteste von Bürgern fürchteten oder es restriktive Vorgaben auf Landesebene gebe, schrieb Voigtländer in einem Gastbeitrag der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.
Dass Bauland so knapp sei, habe auch noch einen anderen „unangenehmen Nebeneffekt“. Denn die hohen Preise führten dazu, dass auch private Eigentümer ihre Grundstücke zurückhielten, schreibt Voigtländer. Wenn das Land so schnell im Preis steige, lohne das Warten. Auch Waltersbacher vom BBSR erklärt, dass sich Eigentümer zum Teil bewusst mit dem Verkauf zurückhielten. Manche Besitzer wüssten auch nicht, wie sie den Verkaufsgewinn in Zeiten niedriger Zinsen überhaupt anlegen sollten. „Wir haben ja auch einen Anlagenotstand. Sachwerte sind besonders gefragt.“ Ähnliches berichtete der Deutschlandfunk im vergangenen Jahr. Dort hieß es, zum einen werde im Saarland zu viel gebaut. Der Landkreis St. Wendel übererfüllt den Bedarf an Einfamilienhäusern um 110 Prozent. Ein Nebeneffekt: Gemeinden fransen an den Rändern aus, dort, wo Neubauplätze ausgewiesen sind, aber in Kernlagen gäbe es zum anderen Leerstände, würden Bauplätze zurückgehalten – für die Familie, die Kinder, die Enkel.
Wer im Land nicht selbst bauen kann oder will, wohnt zur Miete - zum Beispiel bei der Woge Saar, der landeseigenen Wohnungsgesellschaft. Sie bewirtschaftet mehr als 5.000 Wohnungen im Saarland und in Trier – oft aus Beständen der Eisenbahner-Wohnungsgesellschaft oder aus Zeiten der Bergbau- und Stahlindustrie im Land, mit einer Leerstandsquote von gerade mal drei Prozent, „fluktuationsbedingt“, so die Verantwortliche für die Wohnungswirtschaft der Woge, Johanna Kredteck.
Erhöhte Nachfrage in der Stadt
Dass es im Saarland zu wenige Wohnungen gäbe, sieht auch Johanna Kredteck nicht so. „Das Saarland ist noch immer ein Angebotsmarkt.“ Gebaut wird im Saarland dennoch. Die Woge Saar spricht von 250 bis 300 neuen Wohnungen, die in den kommenden Jahren in Saarbrücken realisiert werden sollen, in Homburg etwa 110, in Trier 20 Einheiten. „Jetzt sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gut, deshalb müssen wir das ausnutzen“, so Gerd Modrow, Unternehmensplaner der Woge Saar. In Saarbrücken sollen bis 2030 insgesamt 3.300 neue Wohnungen entstehen. Mehr als 2.500 sind schon im Bau oder in Planung.
Woge-Geschäftsführerin Rita Gindorf-Wagner sieht den Mehrbedarf vor allem durch den Zuzug älterer Menschen in die Stadt, „dorthin, wo die Infrastruktur für sie gegeben ist“. Das sei auf dem Land nicht immer so. Entsprechend altersgerecht müssten die Wohnungen auch künftig werden, der Umbau vieler Woge-Wohnungen, barrierefrei oder barrierearm, sei daher eine zentrale Herausforderung für die Zukunft. „Auch die Nachfrage nach Ein- bis Zweizimmerwohnungen wird größer“, so Gindorf-Wagner, demografisch bedingt: saisonal durch Studenten, aber auch die Zahl der Single-Haushalte und der allein wohnenden Senioren steige. Doch es müsse nicht immer nur neu gebaut werden. „Wir haben aus einigen größeren Wohnungen kleinere Einheiten gemacht – behindertengerecht, altersgerecht – die waren alle schnell weg“, erinnert sich Gindorf-Wagner. Vor allem Leerstand müsse identifiziert, saniert und modernisiert werden, um auch in Zukunft bezahlbaren Wohnraum im Saarland zu erhalten.