Aljona Savchenko will im fünften Anlauf mit dem dritten Partner endlich das ersehnte Olympiagold gewinnen. Alles läuft auf ein Duell mit dem Duo aus China hinaus.
Es steckt so unglaublich viel Ehrgeiz in dieser zierlichen Person. Nur 1,53 Meter ist Aljona Savchenko groß, sie wiegt keine 50 Kilogramm – und doch bezeichnet jeder, der die gebürtige Ukrainerin einmal persönlich getroffen und beim Training beobachtet hat, sie als starke Frau. Seit 31 Jahren steht die Eiskunstläuferin nun schon auf Schlittschuhen, getrieben von einem Traum, der in Pyeongchang endlich in Erfüllung gehen soll: Olympiagold im Paarlauf.
„Es gibt zehn Paare, die um eine Medaille kämpfen. Es wird sehr interessant, und ich freue mich einfach darauf“, sagt die 34-jährige Savchenko über den Wettbewerb am 14. und 15. Februar. Für die Wahl-Allgäuerin werden es bereits die fünften Winterspiele sein, seit Salt Lake City 2002 war sie immer dabei. Nach zweimal Bronze 2010 in Vancouver und vier Jahre später in Sotschi jeweils mit Robin Szolkowy soll nun Gold her. Mit neuem Partner und einer mitreißenden Choreografie.
„Es ist hart, das im Training immer wieder zusammenzubringen. Aber wenn es klappt, ist es magisch, und diese Magie wollen wir aufs Eis bringen“, sagt Savchenko. Dass sie und Bruno Massot das Publikum und die Wertungsrichter in ihren Bann ziehen können, bewiesen sie im Dezember beim Grand-Prix-Finale im japanischen Nagoya. Die Vizeweltmeister siegten mit 157,25 Punkten und stellten damit einen Weltrekord auf.
„Boléro mit Todesspirale“
„Wir haben uns richtig reingesteigert, das Publikum hat uns enorm gepusht. Das war einfach atemberaubend“, sagte der gebürtige Franzose Massot nach der grandiosen Vorstellung. Das Paar glänzte mit fließenden Bewegungen und harmonischen Übergängen, und es kombinierte gekonnt die Paarlauf-Elemente wie Hebungen und Sprünge mit extravaganten Bewegungen aus dem Eistanz. Genau mit dieser Kombination will das Duo auch in Südkorea den Sprung ganz oben aufs Treppchen schaffen.
„Die Paarlauf-Elemente machen alle Läufer, und die Athleten in der Weltspitze sind alle gleich gut. Wie soll da der große Unterschied entstehen? Wir wollen die Räume zwischen den Elementen mit Eistanz füllen. Das ist unser Ziel“, sagt Alexander König. Er trainiert das Duo in Oberstdorf im Allgäu, wobei er sich vor allem mit Savchenko abstimmt. Sie ist die treibende Kraft in diesem Projekt, sie überlässt nichts dem Zufall. Selbst die Kostüme, die von einer Schneiderin in den USA fertiggestellt wurden, hat sie entworfen. „Bei der Kür tragen wir die Farben Lila, Gold und Weiß“, sagt sie. „Gold muss immer dabei sein.“
Wohl noch wichtiger für den Erfolg ist die Wahl der Musik. Für ihre Kür wählten Savchenko und Massot „La terre vue du ciel“, eine Komposition für den Natur-Dokumentarfilm „Die Welt von oben“. Auch das ist in der Konkurrenz eher ungewöhnlich. Und kein Geringerer als Olympiasieger Christopher Dean entwickelte die Choreografie für das deutsche Paar. „Es muss ja nicht immer die gleiche alte Liebesgeschichte sein“, sagt Dean, der bei Olympia 1984 in Sarajevo im Eistanz mit Jayne Torville das legendäre englische Boléro-Duo bildete.
10.000 Euro soll die Zusammenarbeit mit dem weltweit begehrten Choreografen gekostet haben, zumindest beim Grand-Prix-Finale ging die Rechnung voll auf. Das Publikum war begeistert, die Jury entzückt. Sprünge, Landungen, der Klang, die Kufentechnik, die Mimik, das Körperspiel der Athleten – alles war perfekt aufeinander abgestimmt. Die Mischung aus der Action durch die Würfe sowie Rotationen und dem Ausdruck durch die Eistanz-Elemente sorgten für die höchste jemals vergebene Punktzahl im Paarlauf. Auch die „Süddeutsche Zeitung“ schwärmte hinterher vom „Boléro mit Todesspirale“.
Mit dieser Vorstellung stiegen die deutschen Meister, die erst seit vier Jahren zusammen trainieren, zu den Gold-Favoriten für Olympia auf. Doch Vorsicht ist geboten: Die Chinesen Sui Wenjing und Han Cong lagen in Japan nur sechs Punkte zurück, obwohl ihnen im Kurzprogramm ein Sturz passiert war. Ohne diesen Fehler wären die Weltmeister absolut auf Augenhöhe gewesen. Auch für Pyeongchang deutet alles auf ein heißes Duell dieser beiden Paare hin, jeder kleine Fehler könnte den Goldtraum platzen lassen.
Deshalb ließen die großen und einzigen Hoffnungsträger der Deutschen Eislauf-Union (DEU) auch die Europameisterschaft in diesem Jahr in Moskau aus, um im heimischen Allgäu gezielt an ihrer Form zu feilen. Vor allem das Trainieren des dreifachen Wurf-Axels stand im Mittelpunkt, denn im Kampf um den Olympiasieg könnte dieses wichtige Element den Unterschied zwischen Gold und Silber ausmachen. Bei dieser Höchstschwierigkeit hatte das Paar öfters einen Wackler, der darf ihnen in Südkorea nicht passieren. „Es geht darum, noch mehr Sicherheit zu bekommen und auch das richtige Tempo zu finden“, sagt Heimtrainer König.
Das gilt vor allem für Massot. Der 28-Jährige, der 2012 französischer Meister wurde, hat mit fast chronischen Rückenschmerzen zu kämpfen. „Ich muss sehr aufpassen und mache jeden Tag Übungen für einen speziellen Muskel“, sagt Massot. König glaubt, sein Schützling hatte in der Vergangenheit „Partnerinnen, die zu schwer für ihn waren“. Außerdem fehle es ihm, wie vielen jungen Menschen, „manchmal an der Einsicht, besser auf seinen Körper zu achten.“
Massot ist seit 2014 der neue Partner von Savchenko, die zuvor fünf WM-Titel, aber eben nie Olympiagold mit Szolkowy geholt hatte. Lange Zeit war nicht klar, ob Savchenko mit dem Normannen ihre Karriere fortsetzen und weiter für Deutschland an den Start gehen kann. Im November 2016 erhielt Massot aber die Freigabe des französischen Verbandes – für eine „Ablöse“ von 30.000 Euro. Im dritten Anlauf bestand Massot auch den für den deutschen Pass unerlässlichen Sprachtest. „Ich habe Hochachtung davor, wie Bruno alle Steine aus dem Weg geräumt hat“, sagt Savchenko.
Angesichts der vielen Probleme hatten nicht viele dem neuen Duo große Erfolgsaussichten gegeben, doch schnell wurde klar, dass die beiden auf dem Eis perfekt harmonieren. Nach EM-Silber in Bratislava belegten die zwei bei ihrer WM-Premiere auf Anhieb ebenfalls Platz zwei. Der Erfolg verleiht Savchenko Flügel: „Ich habe mehr Kraft, mehr Energie und mehr Freude als früher.“ Ein Grund dafür ist sicher auch der Umzug von Chemnitz ins Allgäu, wo sie auch privat ihr Glück gefunden hat.
Die Trennung von Ex-Trainer Ingo Steuer war dafür eine unschöne Geschichte. „Der muss irgendjemand was ins Gehirn gepflanzt haben“, hatte Steuer in der „Bild“-Zeitung gewettert. Aber auch das steckte Savchenko weg, auch daraus zieht sie Motivation.