Der „India Club" in Mitte ist seit der Eröffnung im April 2017 zur Anlaufstelle für Genießer gehobener nordindischer Küche geworden. Auch die indische Botschaft schätzt die Gerichte von Küchenchef Manish Bahukhandi im repräsentativen Ambiente nahe dem Brandenburger Tor.
Die Abkürzung zum Ende des ewig grauen Berliner Winters ist nah. Sie liegt gleich ums Eck vom Brandenburger Tor. Helle Stoffe, gemütliche Lederstühle und dunkles Holz in klaren Formen machen im „India Club" bereits beim Eintreten gute Laune. Insbesondere die Platzteller in allen Farben einer gut sortierten Eistheke und mit einer stilisierten Lotusblüte und dem Dharma-Rad des indischen Wappens als „Stempel" sind so schön, dass ich sie ständig anschauen möchte. Der Blick schweift im Gastraum des Restaurants auf der Rückseite des Adlon-Komplexes umher und bleibt schließlich an der Decke hängen. Dort schweben unterschiedlich knallfarbene Leuchter wie anmutige Quallen in einem Aquarium, vervielfachen sich im ovalen Spiegel über unseren Köpfen.
Kommt es uns jetzt nur so vor, dass das Mango-Lassi extra-orangefarben leuchtet? Die Rosen-Variante besonders teerosig? In jedem Fall duften und munden die Joghurtdrinks intensiver als üblich. Denn bei Küchenchef Manish Bahukhandi kommt nicht irgendeine namenlose pürierte Frucht ins Glas, sondern nur eine „Alphonso"-Mango, die am meisten geschätzte der vielen Sorten der indischen Nationalfrucht. „Die südamerikanischen Sorten in den Geschäften sind doch keine Mangos", spitzfindelt die indischstämmige Begleiterin. Rasch ist sie sich mit Chef Manish einig: „Mangos sind eine Glaubensfrage." Die Früchte haben eben nicht nur eine optimistische Farbe, sondern tragen mit ihrer hintergründigen Würze zu kulinarischen Diskussionen bei und eignen sich mit ihrer Süße besonders gut für Chutneys, Soßen oder Desserts.
Wir bekommen sie als Dip mit Cashews und gelbem Chili zu knusprigen Papadam-Hütchen. Wer’s schärfer mag, stippt die milden Gewürzfladen-Stücke in einen Dip aus Minze, Koriander und grünem Chili. Eine spannende Chutney-Variante mit Knack hat Chef Manish aus Tamarinde, „Jaggery"-Zucker, Ingwer und Melonenkernen kreiiert.
Ein gehobenes indisches Restaurant zu eröffnen, das den Vergleich mit London oder gar Delhi nicht scheuen muss, war die Absicht von Besitzer Anno August Jagdfeld, berichtet Restaurantmanager Mahyar Mika Rahimkhan. Jagdfeld engagierte Manish Bahukhandi, einen renommierten Chefkoch, der im „Taj Mount Road" in Chennai sowie im „The Oberoi" und zuletzt im „The Claridges" in Neu-Delhi tätig war und der gleich sein eingespieltes Team mitbrachte. Das kocht nun mit Schwerpunkt Tandooris und Currys „Rustic Indian Cuisine" aus Nordindien. Nach allen Regeln der Kunst und Tradition. „Mit zwei Tandoori-Öfen, einem für Vegetarisches und einem für Fleisch und Fisch", betont Chef Manish. Er weiß neben indischem Streetfood ebenso die Goa-Küche zu schätzen – von dort brachte der 35-Jährige das Rezept für sein „Duck Vindaloo Curry" auf der Karte mit.
Gaumenschmeichelnd mürbes „Murgh Malai"
Die hohe Qualität der Küche des „India Clubs" hat sich seit der Eröffnung im April 2017 rasch herumgesprochen: Auch die indische Botschaft ist gern in dem repräsentativen Restaurant mit 64 Plätzen zu Gast. Chef Manish Bahukhandi hatte zudem die Ehre, beim G20-Gipfel in Hamburg für den indischen Premierminister Narendra Modhi und dessen Gäste exklusiv „und ausschließlich vegetarisch" zu kochen.
Erst einmal bleiben wir nordindisch kraftvoll bei einer Kebab-Platte mit Huhn und Fisch. Ein helles „Murgh Malai" lässt sanft aus dem Tandoori-Ofen grüßen. Das mit Muskatnussblüte gewürzte, in Joghurt-Koriander-Soße marinierte und gegrillte Hühnchenfleisch ist gaumenschmeichelnd mürbe und milde. Ein Gericht zum „Hach-Sagen".
Einen Konter verpasse ich mir gleich selbst: Ich habe in ein harmlos klingendes „Kulcha" mit offenbar gut verstecktem Chili gebissen. Das mit Kartoffeln und Zwiebeln gefüllte, unschuldig auf dem Teller liegende Hefebrot lässt es ordentlich brennen. Europäisches Hirn und Mund, bitte nachkommen! Chef Manish und die Begleiterin schmunzeln. Nun allerdings sind meine Geschmacksknospen gebührend auf das mit Garam Masala und Chili schon als offiziell „schärfer mariniert" angekündigte „Chicken Tikka Highway" präpariert. Wozu, wenn nicht gegebenenfalls zum Besänftigen, steht schließlich ein Schälchen Raita, die klassische Joghurt-Gurken-Minz-Soße, auf dem Tisch?
Als der „Fauch" wieder verflogen ist, kann ich die in hausgemachtem indischen Senf marinierten Stör-Filetstücke dann so richtig genießen. Das feste, weiße Fleisch hat sich mit Gewürzen und Hitze bestens verbündet und ist gegrillt eine perfekte Basis für glasige Papaya-Streifen. „Die rohen Papayas werden ganz langsam gekocht, so werden sie transparent und schmecken intensiver", erläutert Manish Bahukhandi das Prozedere. Es ist eine überraschende und sehr wohlschmeckende Kombination.
Sind sich die Experten am Tisch einig, dass bei Gewürzen, Mangos und Papayas nur die Originale aus Indien zulässig sind, so setzt Chef Manish beim Fleisch dagegen auf Bio-Qualität aus der – etwas weiter gefassten – Region. Ente, Huhn und Lamm stammen von dem der Familie Jagdfeld gehörenden Gut Vorder Bollhagen in Mecklenburg-Vorpommern.
Wie in der indischen Küche üblich, werden die Gerichte vom Gemüse und den Hülsenfrüchten aus gedacht: „Vegetarisch ist immer die erste Wahl, Fleisch und Fisch kommen ergänzend dazu", sagt der Küchenchef. Damit ist der Schritt, so gewünscht, zum veganen Gericht im „India Club" kurz: „Da man Ghee, das Butterfett, am Anfang oder Ende zugibt, kann man es auch einfach weglassen", erklärt er. Neben dem aus Beluga-Linsen mit Bockshornkleeblättern stundenlang geschmorten und sämig eingekochten schwarzen Dal mit dazu gehörigem Naan-Brot findet auch ein „Bengain Bartha" den Weg auf unseren Tisch. Geräucherte Auberginen mit Zwiebeln, Tomaten und Ghee setzen einen kräftigen Akzent zu Safran-Reis oder Basmatireis mit Königskümmel.
Alle vier bis sechs Wochen wechselt die Karte; es wird saisonal eingekauft. Die „Signature Dishes", die für die nordindische und für die Küche des „India Clubs" charakteristischen Gerichte wie „Butter Chicken" oder ein „Duck Vindaloo Curry" – Letzteres nach einem Familienrezept des Küchenchefs zubereitet – bleiben natürlich. Bei diesen Currys wird es kurzfristig monochromer in den Schüsseln. Die rötlich-braunen oder braunen Soßen sind eben keine filigranen Anrichte-Wunder, sondern ordentliche Schmorgerichte, die ihre deftige Herkunft nicht verleugnen wollen und genau dafür heiß geliebt werden. Der gute alte „Cappuccino-Deko-Trick" funktioniert auch hier: Joghurt-Linien werden zu Rosetten oder Blattformen ausgezogen. Schon hat die Oberfläche Struktur und Muster, der Fotograf eine Optik und wir einen Augen-Appetizer.
Kulfi-Milcheis ist dicht und kompakt
Die einzelnen Gerichte kosten zwischen 15 und 27 Euro. Nicht nur die Side Dishes wie Dal oder Raita, sondern auch Reis und Brot für jeweils vier bis acht Euro müssen allerdings extra geordert werden.
Beinah sommerlich wird’s beim Dessert: Gelbe, altrosafarbene und zartorangefarbene Eiskegel lagern auf weißem Porzellan zwischen gehobelten Mandel- und Pistazienscheibchen. In Rosensirup eingeweichte Basilikumkerne setzen schwarz-rote Akzente.
Das traditionelle indische Milcheis ist in gefrorenem Zustand deutlich kompakter als hiesiges und ein cremig-schmelziger Gaumenschmeichler. Das Mango-Eis erhielt etwas Pistazie als aromatischen Sidekick; das Rosen-Eis weht uns zart und duftig an. Mein Favorit ist das Safran-Kulfi-Eis – Milch, Safran und nur wenig Süße verbinden sich zu einem glücklich machenden Geschmackserlebnis. Der Fotograf wünschte sich, die „Gulab Jamuns" probieren zu dürfen. Durfte er – und wir alle gleich mit. Die gebackenen Milch-Safran-Bällchen sind nur eben in Zuckersirup getränkt in ihrer Süße diskret.
In farbige Zuckermäntelchen gehüllte Fenchelsamen sind anschließend hübsche Verdauungsanreger und Rausschmeißerchen zugleich. Ich könnte schwören: Die Welt draußen sieht gleich viel frischer und farbiger aus, als wir heiter gestimmt den „India Club" verlassen.