Die klinische Versorgung im Saarland hat auch über die Landesgrenzen hinaus einen exzellenten Ruf. Dafür haben unter anderem die Saarbrücker SHG-Kliniken Sonnenberg gesorgt. Dr. Thomas Vaterrodt (60) leitet seit 20 Jahren die Abteilung für Neurologie und Frührehabilitation.
Vaterrodt? Der Name sagt einem doch etwas? „Mein Vater war Präsident des 1. FC Saarbrücken," erklärt Thomas Vaterrodt. Das war zu Glanzzeiten des Saar-Fußballs. Der vor vier Jahren verstorbene Heinz Vaterrodt führte den FCS von 1969 bis 1979, Bundesliga-Aufstieg, das legendäre 6:1 gegen Bayern München.
Der kurze Ausflug in den Fußball als Einstieg in das Leben des Herrn Doktor. 1977 Abitur am staatlichen Knabengymnasium, was heute Gymnasium am Schloss heißt. „Ich wollte Medizin studieren, bekam aber keinen Studienplatz", erzählt Thomas Vaterrodt. Also erst einmal Wirtschaftswissenschaften in Aachen mit Vordiplom, dann klappte es doch mit dem Studium der Humanmedizin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Staatsexamen, Promotion über ein spezielles Bypass-Gebiet mit magna cum laude.
Der berufliche Weg führte Thomas Vaterrodt mit vielen Zusatzqualifikationen nach Völklingen, Saarbrücken und Homburg, wo er an der Universitätsklinik 1985 Assistenzarzt in der Neurochirurgischen Abteilung wurde. Schnell fand Thomas Vaterrodt sein Spezialgebiet an der dortigen Reha-Med-Klinik. Oberarzt, ab 1994 Chefarzt für Neurologische Rehabilitation.
Vor 20 Jahren also der Wechsel zur neuen Abteilung auf dem Sonnenberg. „Wir haben damals mit sechs Betten angefangen," erinnert sich Vaterrodt. Heute gibt es 43 Betten. Fast unglaublich: Dafür sind 40 besonders qualifizierte Pflegekräfte im Einsatz. „Wir sind gut ausgestattet," bestätigt der Chef, und er betont immer wieder das Wir: „Wir arbeiten teamorientiert." Das Leistungsspektrum der Abteilung umfasst alle Bereiche neurologischer Erkrankungen. Die Schwerpunkte liegen auf Akutneurologie, neurologische Frührehabilitation, Morbus Parkinson und Neurologische Palliativbehandlung.
Mit modernsten Techniken werden Patienten behandelt, die von Akutkrankenhäusern eingewiesen wurden. „Es handelt sich um schwerste Schädigungen und Verletzungen des Gehirns, die sich beispielsweise durch einen Schlaganfall, Blutungen, Sauerstoffmangel oder Unfälle ergeben. Diese Menschen sind meist völlig auf Pflege und medizinische Hilfe angewiesen. Unsere Hauptaufgabe ist es, diese Menschen wieder in das bewusste Leben zurückzuholen", erklärt Vaterrodt.
Die motorischen Funktionen des Gehirns werden trainiert, wofür besagtes Team aus Ärzten, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Neuropsychologen zur Verfügung steht. Das Programm wird mehrmals täglich auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten. Vaterrodt: „Wenn der skizzierte Weg gelingt, kann in etwa 70 Prozent der Fälle die drohende Schwerstpflegebedüftigkeit auf Dauer verhindert werden. Früher wurden mehr Patienten nach Auto- und Motorradunfällen behandelt. Heute sind es immer mehr Menschen mit Schlaganfällen, sodass der Bedarf für unser Therapieangebot weiter steigend ist."
Menschen sollen wieder ins bewusste Leben zurückgeholt werden
Seit zehn Jahren werden auch Parkinson-Patienten behandelt. Zur Erweiterung der Behandlungsschwerpunkte kam es wegen einer persönlichen Geschichte: „Im Urlaub bemerkte ich, dass meine Schwiegermutter sehr kleinschrittig ging." Parkinson war schon vorher ein Thema gewesen auf dem Sonnenberg. Nun konnte Vaterrodt auf sein Team zurückgreifen. Und als Mentor begleitete er in Dudweiler die Gründung eines multiprofessionellen DRK-Parkinson-Kompetenzzentrums. Seither besteht ein enger Kontakt zu Selbsthilfegruppen. Der stellvertretende Vorsitzende der Gesundheitsregion Saar opfert viel Zeit für diese ehrenamtliche Tätigkeit. „Es gibt im Internet sogar eine Gruppe junger Parkinson-Patienten, deren ärztlicher Begleiter ich bin", berichtet Vaterrodt. Der Arzt, der alles andere als ein „Halbgott in Weiß" ist, lächelt dabei, und es ist ihm anzumerken, dass ihm sein Beruf trotz der Schwere der Krankheiten Freude bereitet. „Ich wohne in Bübingen zehn Minuten von den Kliniken entfernt. Meist kann ich zu Hause gut abschalten." Das kann er auch, wenn er mit Ehefrau Esther nach Frankreich zum Golfspielen fährt. Sie ist Apothekerin, die Söhne Timo (Praktisches Jahr im Klinikum auf dem Winterberg) und Julian (Management Business) sind noch in der Ausbildung.
Beim Thema Parkinson lässt sich für Thomas Vaterrodt noch viel mehr erforschen: „Die Ursachen sind immer noch nicht ausreichend bekannt. Auch nicht, was den Krankheitsverlauf beschleunigt. Wir wissen, dass dem Gehirn nicht genügend Dopamin zur Verfügung gestellt wird." Diese Krankheit kann jeder bekommen. „Erste Anzeichen kann ein Hausarzt feststellen, der zum Facharzt überweist. Schließlich kommt es zur Einweisung bei uns." Die ersten Anzeichen können unterschiedlich sein: Verlangsamter Gang, Stimmungsschwankungen, kleinere Schritte, und dabei Angst vor Türschwellen. „Wir nennen das Einfrieren."
Mit einer speziellen Therapie kann der Verlauf der Krankheit Parkinson weitgehend gestoppt werden. „Wer die Diagnose bekommt, ist erst einmal geschockt. Aber es gibt inzwischen viele Hilfsmöglichkeiten", sagt Vaterrodt. Dieser Chefarzt ist auch ein echter Mutmacher: „Menschen sterben nicht an Parkinson. Meist eher an Lungenentzündungen. Mit Parkinson lässt sich es noch 20, 25 Jahre leben."
Sobald sich der Patient mit der Krankheit abgefunden hat, lässt sich ein eingeschränktes, aber doch zufriedenes Leben führen. Und dabei werden auch die Angehörigen unterstützt. Vaterrodt und sein Team bringen wieder „Farbe" ins Leben manch eines Verzweifelten. Kein Wunder, dass in dem ansonsten weiß-tristen Zimmer, das sich im Neubau der Klinik befindet und während des Gesprächs eine Baustelle ist, ein Bild von August Macke hängt – „Farbige Formen".
Ein eingeschränktes, aber doch zufriedenes Leben ist möglich
Zum Gelingen der medizinischen Bemühungen trägt auch bei, dass mit anderen Kliniken zusammengearbeitet wird. Zudem können niedergelassene Ärzte ihre Patienten in einer speziellen Parkinson-Sprechstunde vorstellen. Diese Maßnahmen seien aber noch nicht genug für die Zukunft. „Die Neurologie wird an Bedeutung zunehmen. Die Versorgung muss wegen der unterschiedlichen Krankheitsbilder noch mehr spezialisiert werden, auch bei der Fortbildung der Fachärzte. Bei dieser Spezialisierung sehe ich unsere Abteilung auf einem guten Weg", sagt Thomas Vaterrodt.
Noch ein anderes Thema treibt ihn um: „In einigen Fällen gelingt es nicht, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Wir haben die Mitarbeiter darauf vorbereitet und geschult, als erste Einrichtung im Saarland ein Palliativangebot nur für neurologische Patienten anbieten zu können." Was noch fehlt, ist die Zulassung im Landesbettenplan und durch die Kostenträger. Es gibt im Leben eines jeden Menschen die Erkenntnis, dass das Verweilen auf diesem Planeten endlich ist. Trotzdem kann bis zum Ende eine bestmögliche Lebensqualität erreicht werden. Mit dem Palliativ-Programm geht es um Beherrschung von Schmerzen, anderen Krankheitsbeschwerden, psycho-sozialen, spirituellen Problemen. Erweitert wird dieses Angebot auch durch Pflege, Psychotherapie, Seelsorge und Sozialarbeit. Dies alles kann in Kooperation mit stationären und ambulanten Hospizeinrichtungen sowie Palliativ-Care-Teams geschehen. Ziel ist ausreichende Stabilisierung für eine weitere Versorgung zu Hause oder in einem Hospiz.
Bei den SHG-Kliniken Sonnenberg werden als weiterer Schwerpunkt Alterserscheinungen wie Krampfanfälle thematisiert. „Sie sind oft ein Hinweis auf organische Veränderungen", erklärt Thomas Vaterrodt. Dabei sei dann altersgemäße medikamentöse Behandlung vonnöten.
Zudem engagiert sich Thomas Vaterrodt für den Ausbau eines Neuropsychologischen Zentrums und die Erweiterung des Angebotes der stationären neurologischen Psychosomatik.