Jennifer Donato hatte mit Sport nie was am Hut. Doch dann änderte ein Besuch in Kanada ihr Leben. Im vergangenen Jahr lief die junge Frau auf dem Pacific Crest Trail durch die mexikanisch-kanadische Wildnis.
Eigentlich, erzählt die 32-jährige Jennifer Donato gleich zu Beginn unseres Gesprächs, „war Sport nie mein Ding. In Fischbach groß geworden, war ich immer sehr heimatverbunden. Ich konnte mir nicht vorstellen, einmal aus dem Saarland wegzugehen oder mich sportlichen Herausforderungen zu stellen." In Sulzbach absolvierte Jennifer Donato die höhere Handelsschule und machte anschließend eine Ausbildung zur Versicherungskauffrau in Saarbrücken.
2011 änderte sich dann einiges in dem Leben der jungen Frau. Jennifer sehnte sich nach Veränderung, sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich. Sie bewarb sich in ganz Deutschland und entschied sich am Ende für München. Es begann ein völlig neuer Lebensabschnitt: neue Freunde, neue Arbeitskollegen, die Großstadt und die umliegenden Berge. Sport war weiterhin ein Fremdwort für sie.
Als es einen guten Freund nach Kanada zog, entschloss sie sich 2015, ihn für drei Wochen zu besuchen. Campen in der freien Natur und das Wandern von kleinen Trails gefielen Jennifer von Anfang an. Besonders angetan hatte es ihr in Kanada das Slacklining, eine Trendsportart ähnlich dem Seiltanzen. Dabei balanciert man auf einem schmalen, dehnbaren Band, das zwischen zwei Befestigungspunkten gespannt wird.
„Nach den drei Wochen in Kanada war ich nicht mehr dieselbe", sagt Jennifer und strahlt. „Zum einen hatte mich der Ehrgeiz gepackt, das Balancieren auf der Slackline zu beherrschen, zum anderen hatte mich das Reisefieber gepackt. Bereits im Flugzeug von Kanada nach München stellte ich mir immer wieder die Frage, wo es als nächstes hingehen sollte. In München angekommen wusste ich, es geht noch mal weg."
Ein Jahr später war Bali das Ziel. Obwohl die mehrtägige Wanderung auf der Insel Lombok zum Vulkan Rinjani mit einem harten Aufstieg und Tränen verbunden war, sollten fortan Wandern und Steigen einen besonderen Stellenwert in ihrem Leben einnehmen. Auf dem Rückflug hatte sie ganz klar vor Augen: Es muss weitergehen.
Schnell hatte Jennifer Donato die Idee, einen längeren Aufenthalt in Australien zu planen. Das Vorhaben scheiterte aus verschiedenen Gründen.
„Bücher, die ich lese, kommen zu mir. Ich suche sie nicht." So auch das Buch der australischen Schriftstellerin Bronnie Ware „The Top Five Regrets of the Dying". Darin beschreibt die Autorin fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen. Was zählt am Ende des Lebens wirklich? Die Autorin hat mehrere Jahre lang Sterbende bis zu ihrem letzten Atemzug begleitet und ihnen genau zugehört. „Dieses Buch", erzählt Jennifer „hat mein Leben verändert." Fortan begeisterte sie sich für Filme und Bücher wo es darum ging, an und über Grenzen zu gehen.
Der Film „Spuren" hatte es ihr besonders angetan. Dabei geht die Schauspielerin Mia Wasikowska mit vier Kamelen und einem Hund fast 3.000 Kilometer vom australischen Alice Springs durch die Wüste bis zum Ozean. Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit.
„Ich war nicht mehr dieselbe"
Über einen Dokumentarfilm auf Youtube wurde Jennifer dann vom Pacific Crest Trail (PCT) infiziert. Sie fing an, zu recherchieren und schnell stand fest: Ich mach das! Das war Ende 2016. Nachdem Wohnung und Job in München gekündigt waren, stieg sie im April 2017 in den Flieger, um zur amerikanischen-mexikanischen Grenze zu fliegen. Das Abenteuer PCT konnte beginnen. Seit das Buch von Cheryl Strayed „Der große Trip" vor wenigen Jahren erschienen ist, und rasch zum Bestseller avancierte, hat die Zahl der Wanderer, die jährlich auf dem PCT unterwegs sind, rasant zugenommen. Inzwischen wollen mehr als 3.000 Wanderer pro Jahr das Abenteuer auf sich nehmen. Die PCT-Assoziation lässt nur wenige Zeitfenster für den Start zu, da insgesamt sieben verschiedene Nationalparks durchwandert werden und die Wetterprognosen ein weiterer wichtiger Faktor für das Gelingen des Trips bedeuten. Pro Tag dürfen sich an bestimmten Punkten maximal 40 Wanderer auf den Weg machen.
In der Nähe von San Diego betreiben Frodo und Scout, die selbst den PCT gewandert sind, eine sogenannte Trail-Engel-Herberge. Sie kümmern sich um Wanderer, die den Trip auf sich nehmen wollen, erteilen Ratschläge und sind Anlaufstelle für alle Fragen. „Das Wichtigste allerdings ist,", berichtet Jennifer „du kommst in eine überschaubare Gesellschaft und du merkst, wie der Spirit der Wildnis auf dich übertragen wird."
Mit einer bunt zusammengewürfelten, relativ kleinen Gruppe aus aller Herren Länder beginnt der „Leidensweg" Richtung Norden. Zu Beginn warten 700 Meilen Wüstenmarsch. Die anfänglichen Tagesrouten liegen bei zehn Meilen, das sind circa 16 Kilometer. Jennifer Donato, die gerade Mal 48 Kilo auf die Waage brachte, hatte in ihrem Rucksack 23 Kilogramm Gepäck verstaut, fast die Hälfte ihres eigenen Körpergewichts. Von Anfang an stand für sie fest: Durchkommen! Schon bald stieg sie wegen unzähliger Blasen an den Füßen von Wanderschuhen auf Trailrunners um.
2017 waren in der Sierra Nevada Unmengen an Schnee gefallen. Selbst im Sommer waren immer noch viele Trailpassagen vom Schnee bedeckt. Das Navigieren in den „Schneewüsten" war lebenswichtig. Die nicht alpinerfahrene Jennifer musste mit einer Eisaxt arbeiten. Auf 3.000 Meter, erzählt sie, geht es manchmal nah an alle Grenzen. „Über mehrere Wochen bist du der Wildnis der schneebedeckten Sierra Nevada ausgeliefert. Erbarmungslos brennt schon um
10 Uhr morgens die Sonne. Das heißt bei jedem Schritt: Wandern am Limit, mental war ich ziemlich am Ende, das war wirklich nicht lustig und es flossen auch manchmal ein paar Tränen."
700 Meilen durch die Wüste
Inzwischen haben sich am Rande des Pfads Trail-Engel etabliert, die den Wanderern Hilfe anbieten. Deshalb muss man höchstens für fünf bis sechs Tage Proviant im Rucksack tragen. Die Unterstützer bieten manchmal auch eine Unterkunft, fahren den Weitwanderer zum nächsten Hostel oder einer Einkaufsstation. „Das ist ein wirklicher Engelsdienst was diese Menschen leisten", lobt Jennifer „und ohne diese liebevolle Hilfe wäre diese Wanderung kaum machbar."
Waren es zu Beginn der Wanderung die Hitze in der Wüste und die Schneemassen in der Sierra Nevada, die einem das Leben schwer machten, sollten es zum Ende der Tour entsetzliche Waldbrände sein, die das Weiterkommen fast unmöglich machten. „Was ich bei dieser Wanderung besonders gelernt habe, ist, schnell Entscheidungen zu treffen. Sie sind für mein Leben prägend geworden."
Die Waldbrände mit ihren riesigen Rauchschwaden sorgten für eine dieser raschen Entscheidungen. Über Hunderte von Meilen versperrte Rauch die Sicht. Spontan entschließt sich Jennifer nicht bis zum Ende zu wandern, sondern die letzten Wochen ihres Abenteuers damit zu verbringen, alleine zurückzuwandern und ihren großen Traum auf dem 4.421 Meter hohen Mount Whitney am Rande der östlichen Sierra Nevada in Kalifornien zu beenden.