Lang hat es gedauert, bis sich Bundeskanzlerin Merkel endlich zu einer Personalentscheidung durchgerungen hat. Die überraschende Berufung von Annegret Kramp-Karrenbauer war ein erster Schritt. Bis zum Bundesparteitag, der über die Koalition befinden soll, muss die künftige Ministerriege geklärt sein.
Ungeduld ist nicht unbedingt eine Tugend, und zu viel davon kann schnell nach hinten losgehen. Noch-Außenminister Sigmar Gabriel kann davon ein Lied singen. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer hat diesbezüglich alles richtig gemacht. Sowohl bei den Jamaika-Sondierungen als auch bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD immer präsent, aber auch immer schön zurückhaltend. Lieber ging die 55-Jährige einen kleinen Umweg, als direkt in irgendwelche Kameras reinzustolpern, um sich dann in Szene setzen zu müssen. Nun soll sie Generalsekretärin der CDU werden, was allerdings nur als Zwischenstopp gewertet wird. Kann sie sich profilieren, könnte sie schon in zwei Jahren Merkel als Parteichefin nachfolgen. Auch Angela Merkel war erst Generalsekretärin, um dann, vor mittlerweile 18 Jahren in den Wirren der Spendenaffäre Kohl/Schäuble als Übergangslösung den Parteivorsitz zu übernehmen. Aus der Übergangslösung ist eine Institution geworden. Doch solche Wirren können derzeit ausgeschlossen werden, und darum könnte es eine geordnete Amtsübergabe des CDU-Parteivorsitzes geben, inklusive Kanzlerinkandidatur.
Noch dreht sich das Karussell
Doch wo ein neuer Posten vergeben wird, da bleiben andere auf der Strecke. Im Fall des obersten Parteimanagers der CDU sind dies der Finanzstaatssekretär Jens Spahn und die Pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner. Beide wurden immer wieder als mögliche Anwärter auf den Generalsekretärsjob genannt. Sowohl Klöckner als auch Spahn wurde der nötige Biss als Wadenbeißer der Partei zugetraut. Doch die beiden haben etwas nicht beachtet, was man in der CDU dringend tun sollte, nicht gegen die Kanzlerin argumentieren und schon gar nicht inhaltlich in Stellung bringen. Spahn und Klöckner haben dies in der Flüchtlingspolitik nicht beachtet. Beide stellten die Alternativlosigkeit der offenen Grenzen vom September 2015 in Frage, was im Kanzleramt als offener Aufruhr innerhalb der Partei gedeutet wurde und nun offensichtlich zur verspäteten öffentlichen Abmahnung führte.
Doch mit der Kandidatin Kramp-Karrenbauer als Generalsekretärin ist die „Reise nach Jerusalem" erst eröffnet. Gemeint ist jenes Spiel, das auf keinem Kindergeburtstag fehlen darf. Im Fall CDU-Ministerkandidaten stehen sechs Stühle zur Verfügung, stellvertretend für sechs Kabinettsposten, die zu vergeben sind und bis zu diesem Sonntag vor dem Parteitag wird die Musik gespielt. Keiner weiß, wann „Mutti" die Musik ausmacht und alle Interessierten sich auf einem Stuhl ihren Platz suchen müssen.
Wobei von den genannten sechs Stühlen einer schon besetzt ist, der des Wirtschaftsministers. Der Kanzlerinnen-Chefvertraute Peter Altmaier gilt als ganz sicher gesetzt für den Posten des deutschen Chefvolkswirts im Ministerrang. Etwas nebulös ist derzeit die Position von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die jetzt plötzlich als Nato-Generalsekretärin im Gespräch ist und dem derzeitigen Amtsinhaber Jens Stoltenberg nachfolgen könnte. Womit CDU-Chefin Merkel wieder einmal bewiesen hätte, dass ihr persönlich unangenehme Parteifreunde auch mal auf überraschenden Positionen landen können. Erinnert sei an dieser Stelle an Ex-Bundespräsident Christian Wulf, dem das neue Amt dann doch wenig Freude bereitet hat.
Für den Fall, dass von der Leyen zur Nato wechselt, müssten also fünf neue Minister benannt werden. Um gleich im unmittelbaren Geltungsbereich von Merkel zu bleiben: Als Kanzleramtschef und Nachfolger von Altmaier ist der bisherige Staatsminister Helge Braun im Gespräch. Der Hesse wird in seinem Heimatlandesverband flügelübergreifend geschätzt, ist aber in der Bevölkerung weitgehend unbekannt. Was nicht weiter schlimm ist, er soll weitestgehend geräuschlos das Kanzleramt managen und keinesfalls eine prominente Rolle einnehmen. Ebenfalls kaum bekannt ist Annette Widmann-Mauz, auch sie gilt als treue Merkel-Anhängerin und qualifiziert sich allein schon dadurch zu Höherem. Vor allem als Vorsitzende der Frauen-Union hat sie der Kanzlerin in den vergangenen Jahren immer wieder den Rücken freigehalten und den Applaus der Frauen in der Union für die Kanzlerin verlässlich organisiert, sie ist als Gesundheitsministerin im Rennen.
Als Wiedereinsteiger im CDU-Kosmos auf dem bevorstehenden Parteitag gilt Merkels ehemaliger Generalsekretär Hermann Gröhe, der als Bildungsminister im Gespräch ist. Doch das könnte schwierig werden, denn zuletzt meldete sich nun auch noch Finanzstaatsekretär Jens Spahn mit grundsätzlichen Überlegungen zur Bildungspolitik zu Wort, auch er empfahl sich auf diese Weise für das Ressort, dem die Kanzlerin einen so hohen Stellenwert bescheinigt.
Die Jungen haben Ihre Ansprüche
Julia Klöckner, die CDU-Chefin aus Rheinland-Pfalz, ist nun im Gespräch als Landwirtschaftsministerin, was der ehemaligen Weinkönigin gut zu Gesicht stände. Bei der letzten CDU-Präsidiumssitzung wirkte sie recht zuversichtlich auf zukünftige Ministerfreuden.
Doch damit bleiben in der Union ein paar unbeantwortete Personalfragen, zum Beispiel, was wird aus Carsten Linnemann, dem 40-jährigen Chef des CDU-Wirtschaftsflügels? Er müsste dringend mit einem Posten bedacht werden. Dann wäre da noch der 32-jährige Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, auch er würde für die Verjüngung der Union stehen. Klassischerweise käme dafür eine Einbindung auf der Staatssekretärsebene in Frage. Sein JU-Vorgänger Philipp Mißfelder hatte bis zu seinem frühen Tod über den Auswärtigen Ausschuss und als Koordinator der Bundesregierung für transatlantische Zusammenarbeit Karriere gemacht. Dagegen, dass alleine schon aufgrund des (jungen) Alters Ansprüche geltend gemacht werden, regt sich in der Union inzwischen deutlicher Widerstand. Auf die designierte Generalsekretärin kommt keine geringere Aufgabe zu, als eine aus Sicht vieler Mitglieder nach den langen Merkel-Jahren längst fällige programmatischen Erneuerung der CDU zu organisieren.