Mit Tobias Hans wird das Saarland den jüngsten Ministerpräsidenten bekommen. Der angekündigte Wechsel von Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Generalsekretärin nach Berlin zieht eine umfangreiche Kabinettsumbildung nach sich.
Der Oppositionsführer im Landtag nahm’s gelassen. Die größte Fraktion habe der Tradition zufolge das Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten, und seine Fraktion werde, der Tradition folgend, den Kandidaten mittragen, sagte Oskar Lafontaine. Zu dem Zeitpunkt waren die meisten anderen noch dabei, die erst wenige Stunde alte eigentliche Riesenüberraschung zu verdauen. Dass Noch-Finanzminister Stephan Toscani die Nachfolge des zurückgetretenen Landtagspräsidenten Klaus Meiser antreten sollte, war längst gesichertes Gerücht. Dass dem Saarland aber eine erheblich einschneidendere große Regierungsumbildung ins Haus stand, als die dann notwendige Neubesetzung an der Spitze des Finanzministeriums, damit hatte zu diesem Zeitpunkt keiner so richtig gerechnet.
In den Dienst der Partei gestellt
Seit den Koalitionsverhandlungen in Berlin war zwar ein Wechsel von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer sozusagen tägliches Dorfgespräch in der Republik. Das aber hatte sich, auch überlagert durch die Schlagzeilen, für die die Personaldebatten in der SPD sorgten, ziemlich gelegt. Dazu beigetragen hatte die Arithmetik. Mit Peter Altmaier war auf Unionsseite bereits ein Saarländer prominent im Kabinett gesetzt. Eine weitere Saarländerin auf den CDU-Kabinettsplätzen wäre nach den üblichen fein austarierten Proporzerwägungen nicht ganz leicht kommunizierbar gewesen. Die Kanzlerin hätte es dem Vernehmen wohl trotzdem gemacht, nicht zuletzt, weil Kramp-Karrenbauer im vergangenen Mammutwahljahr die Einzige mit einem 40-Prozent-Ergebnis war. Genau das müsse aber der Anspruch einer Volkspartei sein, betont die Kanzlerin-Vertraute, und entschied sich selbst, sich statt in die Kabinettsdisziplin „in den Dienst der Partei" zu stellen. Ein Wechsel, der in der Bundesrepublik bislang ohne Vorbild ist.
Der Weg war offenbar schon länger sorgfältig vorbereitet, die Verkündigung platzte dann wie die sprichwörtliche Bombe. Dass vorher nichts in dieser Richtung durchgesickert war, ist in Berlin ebenso wie im Saarland selbst schon ein kleines Meisterstück.
Das lieferte Kramp-Karrenbauer auch zu Hause ab. Nachfolgeregelungen samt umfangreicher Kabinettsumbildung gingen atemberaubend schnell und geräuschlos über die Bühne. Die Nachfolge im Amt des Parlamentspräsidenten war wenig überraschend. Die Personalie Stephan Toscani als Nachfolger des zurückgetretenen Klaus Meiser war noch die geringste Überraschung. Toscani wäre sicherlich auch ein guter Ministerpräsident gewesen, beteuert Kramp-Karrenbauer bei der offiziellen Verkündigung. Nun wird er oberster Repräsentant des Landes. Eine Rolle, die der leidenschaftliche Europäer mit besonderem Herz für die deutsch-französischen Beziehungen und seiner vielfältigen politischen Erfahrung zweifelsohne souverän ausüben wird. Der mögliche Sprung in die Staatskanzlei ist damit aber zum zweiten Mal verfehlt. Als sich der damalige Ministerpräsident und CDU-Landeschef, der heutige Bundesverfassungsrichter Peter Müller, aus der aktiven Politik zurückzog, galt Toscani als ein möglicher Nachfolger. Durchgesetzt hatte sich aber Kramp-Karrenbauer, Toscani stellte sich in den Dienst der Partei.
Sein Haus wird er in einer im Vergleich zu den letzten Jahren komfortablen Situation übergeben, die Einigung über neue Bund-Länder-Finanzbeziehungen geben ab 2020 neue Spielräume. Die soll Peter Strobel gestalten. Der ist seit 2006 Fraktionschef der CDU im Stadtrat der Landeshauptstadt, unterlag als Herausforderer von Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) 2011 bei der Direktwahl in Saarbrücken. Seit 2012 gehört er dem Landtag an. Seine Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter des eigenen Familienbetriebs wird er als Finanzminister ruhen lassen.
An die Spitze der Landesregierung soll der derzeitige Fraktionschef Tobias Hans rücken. Mit seinen 40 Jahren wird er der jüngste Ministerpräsident sein. Das politische Talent liegt in der Familie. Sein Vater, Peter Hans, war von 1999, als die CDU nach 14 Jahren SPD-Regierung wieder das Ruder übernahm, bis zu seinem Tod 2007 Fraktionschef im Landtag. Zwei Jahre später zog Tobias Hans in den Landtag ein, wurde 2015 selbst Fraktionschef. Kurz zuvor hatte er die Landrats-Direktwahl im „roten" Landkreis Neunkirchen verloren. Eine Erfahrung, die ihn nach eigenem Bekunden hat reifen lassen. Zur Politik gehöre nun auch einmal die Möglichkeit der Niederlage, sagt er heute. Dass er bislang keine Erfahrung in einem Regierungsamt gesammelt hat, sieht er nicht als Nachteil für seine künftige Aufgabe. Zum einen hat er als Mehrheits-Fraktionschef ohnehin mit am Regierungstisch gesessen, hat in der eigenen Fraktion und mit seinem SPD-Kollegen die Mehrheiten für die Regierungspolitik organisiert und will diese Erfahrung zum Vorteil nutzen. Schließlich leben wir in einer parlamentarischen und nicht in einer exekutiven Demokratie, betont er nach seiner Nominierung mehrfach. Will heißen: Auch wenn es nach außen oft anders wirkt, der eigentliche Souverän ist das Parlament. Wie sich diese Grundhaltung in praktischer Regierungspolitik auswirkt, wird er zeigen müssen. Für Kramp-Karrenbauer, bereits ganz aus Sicht der neuen Generalsekretärsaufgabe formuliert, gehört Hans zu der „neuen Generation der CDU-Ministerpräsidenten", auf die sie offenkundig besonders setzen will im Prozess um eine neue programmatische Profilierung der Partei: konservativ, liberal und christlich-sozial, so unisono die Stichworte der designierten neuen Generalsekretärin und ihres designierten Nachfolgers im Regierungsamt.
Was er anders machen möchte als seine Vorgängerin? Hans lächelt. Es war nicht der Tag, ein Hundert-Tage-Programm aus der Tasche zu ziehen. Dafür war die Entwicklung zu frisch. Aber an Selbstbewusstsein ließ er keinen Zweifel. Sein Anspruch ist, dass Ministerpräsident und Parteichef in eine Hand gehören, eine Überzeugung, die auch die derzeitige Amtsinhaberin bestätigt. Nur mit der Übergabe an der Parteispitze haben beide keine Eile. Einen Sonderparteitag wollen sie der Partei nach den Wechselbädern der letzten Monate auf Bundesebene nicht zumuten. So wird dieser Übergang wohl erst zum Jahreswechsel erfolgen.
Selbstbewusstsein und Respekt
Dass Hans bei seiner Wahl zum Ministerpräsidenten durch dasselbe Gefühlsbad gehen muss wie Kramp-Karrenbauer bei ihrer ersten Wahl, als sie noch zu Jamaika-Zeiten im ersten Wahlgang scheiterte, ist kaum zu erwarten. Bei allen internen Meinungsverschiedenheiten in Einzelfragen steht die GroKo im Saarland für Stabilität, betont auch SPD-Fraktionschef Stephan Pauluhn.
Dessen neuer Partner als CDU-Fraktionschef soll Alexander Funk werden. Ein höchst streitbarer Parlamentarier, wie Kramp-Karrenbauer unterstreicht. Er war bereits von 2004 bis 2009 Landtagsabgeordneter. 2009 gewann er als erster CDU-Direktkandidat seit 1965 den „roten" Wahlkreis 299 (Homburg/Neunkirchen), verteidigte den vier Jahre später. Bundesweites Aufsehen zog er auf sich, als er gegen die Griechenland-Hilfen und damit offen gegen die Politik von Kanzlerin Merkel stimmte. Seit der Landtagswahl im vergangenen Jahr ist Funk wieder im Landtag und bislang stellvertretender Fraktionschef.