Brandenburgs Wolfsbeauftragte Valeska de Pellegrini hilft Landwirten beim Schutz ihrer Herden. Sie schaut bei Schaf-, Ziegen- oder Rinderzüchtern vorbei, um mit Rat und Tat sowie Geld aus Landesmitteln zu unterstützen.
Dass der Wolf Emotionen weckt, weiß Valeska de Pellegrini aus ihrer täglichen Arbeit. „Es gibt Ängste, die nehme ich natürlich ernst. Aber sie sind unbegründet. Wölfe holen keine kleinen Kinder. Der Wolf ist für den Menschen grundsätzlich keine Gefahr. Da sind Wildschweine viel gefährlicher." Eine Begegnung mit einer Bache mit Frischlingen beim Waldspaziergang – das könne wirklich unangenehm sein und sei wesentlich wahrscheinlicher als die mit einem Wolf.
Wolfsschutz durch Zäune
De Pellegrini ist seit Mai 2017 offizielle Wolfsbeauftragte des Landes Brandenburg. Ihre Aufgabe ist, zu informieren und unbegründete Ängste zu nehmen. Aber dort, wo es wirklich Probleme gibt, weiß sie zu helfen: mit Rat und Geld. Mehrmals in der Woche fährt sie zu Landwirten und vor allem Schafs- und Ziegenzüchtern im Land, um mit ihnen zu sprechen über den Wolf, das umstrittene und mit Mythen belastete Raubtier, das seit gut zehn Jahren in Brandenburg heimisch geworden ist. Sie macht die Erfahrung, dass die meisten Landwirte längst verstanden haben, dass der Wolf eines von vielen Risiken ist, mit denen ein Landwirt leben muss – und kann. „Viele Züchter haben sich in irgendeiner Form auf den Wolf eingestellt." Das wichtigste und wirksame Mittel: der Zaun.
Die meisten Schafszüchter nutzen Zäune längst. Es gibt zwar noch immer das freie Hüten einer Herde ohne Zaun, aber das geht nur personalintensiv mit Hirte und Hund, und da kommt der Wolf sowieso nicht. Und bei den Zäunen – oder genauer: Netzen – ist es so: Bislang waren sie dazu da, dass die Tiere nicht fliehen können. Dafür genügen in der Regel 90 Zentimeter Höhe. „Um den Wolf abzuhalten, sollten es schon über einen Meter, besser ein Meter zehn sein." Die meisten Landwirte haben sich damit arrangiert, sie wissen sich zu helfen. „Jeder Fall ist natürlich wieder anders", sagt sie. Der Schafzüchter hat andere Sorgen als der Rinderzuchtbetrieb oder der Besitzer eines Damwildgeheges. Die Zäune sind für Rinder anders als für Kälber, sie müssen mit weiteren Litzen verstärkt werden. So ist jeder Fall ein Einzelfall.
Ein wichtiges Mittel ist eine Verstärkung der Stromspannung, die durch die Zäune gelegt wird. Um die Schafe am Weglaufen zu hindern, genügt meist eine Spannung von 2.000 Volt. Das reicht aber nicht, um einen Wolf abzuschrecken. Dafür helfen nur stärkere Ladegeräte. Dafür, wie auch für neue Zäune gibt es staatliche Zuschüsse. „Ein Landwirt kann, je nach Bedarf in drei Jahren bis zu 15.000 Euro an Zuschüssen für die Wolfsabschreckung bekommen."
Es bleibt die Mehrarbeit. Und Schafszucht ist ohnehin harte Arbeit, bei Wind und Wetter, beispielsweise muss nun das Gras öfter geschnitten werden, um den Stromverlust zu stoppen. „Für vieles gibt es neue technische Lösungen", sagt de Pellegrini. Es gibt spezielle Geräte, mit denen Zäune sehr schnell im Vorbeifahren gespannt werden können. Dabei hat sie großes Verständnis für die Sorgen der Bauern und Tierzüchter. „Viele, gerade kleinere Betriebe, kommen finanziell gerade so zurecht. Da können zusätzliche Verluste durch den Wolf schon schmerzhaft sein, und auch die Mehrarbeit fällt ins Gewicht. Es ist dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt."
Trotz aller Prävention reißen immer wieder Wölfe Tiere, und das in zunehmendem Maße. Im vergangenen Jahr wurden immerhin 316 Schafe, 47 Rinder und 17 Damhirsche Opfer des Wolfs, ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vorjahren. Allerdings gibt es auch immer wieder Falschmeldungen. Auch Hunde und Füchse kommen bei einem getöteten Tier als Täter infrage. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre bestätigte sich nur bei 56 Prozent der zunächst als Wolfsriss gemeldeten Fälle der Verdacht.
Entschädigung bei Verlust
Wenn ein Landwirt ein Tier durch den Wolf verliert und die Ursache geprüft ist, wird er für den Verlust entschädigt. In den vergangenen zehn Jahren hat das Land Brandenburg 225.000 Euro als Entschädigungen für Wolfsrisse gezahlt, darunter allein 86.000 Euro im vorigen Jahr.
Dennoch ist de Pellegrini überzeugt, dass der Schutz durch Zäune grundsätzlich funktioniert und effektiv ist. „Die meisten Wölfe gibt es im Süden Brandenburgs. Dort haben sich die Landwirte schon seit Jahren damit arrangiert und Schutzvorkehrungen getroffen." Das habe sich ausgezahlt, denn dort gingen die Schäden durch den Wolf inzwischen zurück. Schlimmer sieht es in den Gebieten aus, in denen sich der Wolf erst seit ein, zwei Jahren neu angesiedelt hat.
Wolfsverordnung in Brandenburg
Dass ein Landwirt einen Schaden oder Ernteausfall ersetzt bekommt, hat sich hierzulande seit Jahrzehnten eingebürgert und hat seinen Sinn. Der Landwirt arbeitet unter Risiken, die schwer zu kalkulieren sind und mitunter Arbeit und Investitionen eines ganzen Jahres zunichtemachen können. Die schlimmsten Risiken sind die des Wetters: Frost, Dürre, Überschwemmungen. Auch hier gibt es Entschädigungen. Gegen das Wolfsrisiko lässt sich sehr viel mehr unternehmen. Wie bei anderen Raubtieren auch: Wenn ein Fuchs in den Hühnerstall einbricht, frisst er alle Hühner, es gibt also Totalausfall. Jeder, der Hühner hält, muss seine Tiere entsprechend schützen. Dazu sind meist Ställe und Netze nötig. Wenn man den Hühnerstall ungeschützt lässt und der Fuchs kommt, gibt es keine staatliche Entschädigung.
Seit Dezember hat Brandenburg nun auch eine Wolfsverordnung, als erstes Bundesland. Neben einem guten Herdenschutz waren klare rechtliche Regeln für den Fall nötig, dass Wölfe auffällig werden oder lernen, die Schutzeinrichtungen der Landwirte zu überwinden. Die Wolfsverordnung regelt genauer, was eigentlich schon bislang möglich war: den Fall des „Problemwolfes", der zutraulich wird und sich an den Menschen gewöhnt hat. „Eigentlich passiert das nur, wenn er Futter findet und sich daher in menschliche Nähe begibt", sagt die Wolfsbeauftragte. Hier gilt die wolfspolitische Devise: vergrämen, also wirksam vertreiben, und dann erst Abschuss als Ultima Ratio. Bei Übergriffen auf Nutztiere funktioniert das Vergrämen allerdings nicht. Überwindet ein Wolf auch die besten Schutzmaßnahmen, gibt es zum Abschuss keine Alternative.
Ansonsten aber ist de Pellegrinis Haltung klar: „Von solchen Extremfällen abgesehen ist der Abschuss auch keine Lösung", sagt die Wolfsbeauftragte. Er garantiert nicht, dass nicht ein anderer Wolf wiederkommt. Im Gegenteil, der Schuss könnte buchstäblich nach hinten losgehen, wenn ein Elterntier abgeschossen wird, und Jungtiere ohne Anleitung und Aufsicht übrig bleiben. Dann haben sie niemanden mehr, der ihnen das echte Jagen beibringt, und umso eher vergreifen sie sich an Schafen oder Kälbern.