Im sechsten Teil unserer Serie „Die sieben Naturwunder“ stellen wir das 1.086 Meter hohe Felsplateau vor, von dem man eine eindrucksvolle Aussicht auf das Kap hat. Der berühmte Berg ist eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Südafrikas.
Einst, in früher Vorzeit, war das Massiv des Tafelberges vermutlich über 3.000 Meter hoch und viel breiter. Heute misst der höchste Punkt des Kapstadter Wahrzeichens, dessen älteste Bestandteile rund 450 Millionen Jahre alt sind, nur noch 1.086 Meter. Der vormals mächtige Höhenzug wurde über die Jahrtausende infolge von Erosion aufgesplittert in den 6.500 Hektar großen Tafelberg, der auf einem Sockel von Granit und Quarzit ruht und überwiegend aus weißem Sandstein besteht, und seine umgebenden Hausberge: Devil’s Peak (1.002 Meter), Lion’s Head (668 Meter), Signal Hill (350 Meter) und Zwölf Apostel (zwischen 780 und 800 Meter).
Schon den frühen Seefahrern, die Mitte des 15. Jahrhunderts erstmals um das Kap der Guten Hoffnung herum gesegelt waren, hatte der Tafelberg als wichtiger Orientierungspunkt gegolten. Er war bei gutem Wetter schon aus einer Entfernung von 100 Kilometern auszumachen. Als im Jahr 1503 der portugiesische Admiral Antonio de Saldanha den Gipfel als erster Europäer bestiegen hatte, taufte er ihn auf den Namen „Tabao do Cabo“ (Tafelberg). Während er von den Einheimischen weiterhin „Hoen“ genannt wurde, was übersetzt so viel wie „Meeresberg“ bedeutete. Im Jahre 1652 gründete der Holländer Jan van Riebeck am Fuße des Tafelbergs eine Versorgungsstation für die Holländisch-Ostindische Kompanie (Frischwasser und Lebensmittel für die Weiterreise nach Ost-Indien).
Die Einheimischen nennen ihn „Hoen“
Mit der schottischen Schriftstellerin Lady Anne Barnard sollte schon 1790 die erste Frau den Fuß auf den Gipfel des Tafelberges setzen. Allerdings stand ihr dabei ein ganzer Tross von Begleitern und Dienern zur Seite, die zur Stärkung Rebensaft, Portwein und kaltes Fleisch in ausreichenden Mengen mitschleppen mussten.
Auch später wurde immer wieder mal daran gedacht, dem Aufstieg die Beschwerlichkeit zu nehmen. Der erstmals um 1880 kursierende Plan einer Zahnradbahn sollte im Oktober 1929 durch Einweihung der ersten Seilradbahn umgesetzt werden, die von der Leipziger Firma Adolf Bleichert & Co. errichtet worden war. Seit 1997 wird der Höhenunterschied von 700 Metern auf einer 1.200 Meter langen Strecke in gerade mal sechs bis sieben Minuten Fahrtzeit mittels einer neuen, von der Schweizer Firma Garaventa AG entwickelten Panoramagondelbahn überwunden, deren Kabinen sich um die eigene Achse drehen und daher eine 360 Grad Aussicht ermöglichen.
Aber natürlich gibt es nach wie vor viele Touristen, die sich auf einem der zahlreichen Pfade zu Fuß zum Gipfel aufmachen möchten. Auf eigene Faust sollte man allerdings keineswegs aufbrechen, sondern sich zumindest einer Gruppe anschließen – am besten unter Leitung eines ortskundigen Führers. Dadurch lässt sich das Risiko eines Überfalls deutlich vermindern. Außerdem lauern allerlei Gefahren wie plötzliche Wetterumschwünge oder unerwartete Erschöpfungszustände, die nach gut drei Stunden Bergsteigen auftauchen können. In den vergangenen 100 Jahren hat der Tafelberg so schon fast 100 Menschenleben gefordert. Unzählige Touristen mussten bereits von der Bergwacht gerettet werden.
Höchster Punkt: Maclear’s Beacon
Während sich die Einblicke in die Fauna des Tafelberges meist auf Krähen oder die kaninchengroßen Klippschliefer beschränken, weil sich Tiere wie Steinböcke, Bergziegen, Stachelschweine oder Kapmangusten (kleine Raubtiere) meist versteckt halten, breitet sich die Flora geradezu verschwenderisch zu Füßen des Wanderers aus. Etwa 1.400 Pflanzenarten wurden bereits identifiziert, darunter Proteen (Zuckerbüsche) mit prächtigen Blüten so groß wie Kinderköpfe (die Königs-Protea ist Südafrikas Nationalblume), Erika-Gewächse, Gladiolen oder Lilien. Den Fynbos natürlich nicht zu vergessen, eine besondere lokale Vegetationsform aus kurzen Hartlaub-Pflanzen mit einer Mischung von struppigen Büschen, flachen Nadelhölzern, winzigen Blüten und Früchten. Dem Fynbos-Biom können sogar die in Südafrika nicht gerade seltenen Buschbrände kaum etwas anhaben. Auch um die Fynbos-Vegetation zu schützen, wurde 2004 ein großes Gebiet im Südwesten Südafrikas zum Weltnaturerbe Tafelberg-Nationalpark ernannt. Die meisten Pflanzen kann man bei schlechtem Wetter, wenn die Gondelbahn ihren Betrieb einstellt und von einer Wanderung dringend abzuraten ist, auch im Botanischen Garten Kirstenbosch, einem 528 Hektar großen Meer aus Blüten, zu Füßen des Tafelbergs bewundern.
Beim Wandern gelangt man auch an Stauseen vorbei, die schon vor über 100 Jahren angelegt wurden, um Kapstadt mit Trinkwasser zu versorgen. In etwa 400 Metern Höhe wird man häufig in das „Tablecloth“ eintauchen, ein Tischtuch aus Wolken, das den Tafelberg wie ein fein gesponnener Schleier umhüllt. Es entsteht regelmäßig, sobald die feuchten Luftmassen vom offenen Meer mit dem Tafelberg auf das erste Hindernis treffen und sich beim Aufsteigen an den steilen Hängen abkühlen.
Auf dem Gipfel angekommen, bildet Maclear’s Beacon die höchste Erhebung des Berges. Dabei handelt es sich um eine aufgeschichtete Steinpyramide mit Gedenkplatte, mit der an den südafrikanischen Astronomen Thomas Maclear erinnert wird, der Mitte des 19. Jahrhunderts hier viele seiner Messungen durchführte.