Nein, zum alten Eisen gehören Sie noch lange nicht. Aber irgendwie beschleicht Sie so langsam das Gefühl, nicht mehr ganz der oder die Jüngste zu sein? Wenn Ihnen die folgenden zwölf Phänomene vertraut vorkommen, liegen Sie mit dieser Selbsteinschätzung goldrichtig.
Junge Leute
Plötzlich trifft man sie überall: im Job, beim Sport, im Supermarkt. Junge Leute! Unbeschwert hüpfen sie durchs Leben und reißen mit ihrer Leichtigkeit tiefe Wunden ins Selbstbewusstsein ihrer Mitmenschen jenseits der 40. Sie kaufen Chips, Bier und vegane Mikrowellen-Menüs, während man selbst Gemüsesaft (Vitamine!), Leinsamen (die Verdauung!) und bösen Aufschnitt („Mir tun die Tiere ja auch leid, aber …") aufs Band legt. Auf schlanken Rennrädern überholen sie höflich grüßend auf dem Fahrradweg (man beachte die Prise Mitleid im Tonfall), während wir im Schneckentempo an der komplizierten Gangschaltung des neu gekauften E-Bikes verzweifeln. Im Büro schlagen sie uns arglos lächelnd vor (man beachte die strahlend weißen Zähne), endlich dem Betriebsrat beizutreten, „das ist doch was für alte Hasen wie dich". Danke für das Kompliment. Fazit: Auch wenn der Weg vom eigenen Grünschnabel- zum Jung-Senioren-Dasein wahnsinnig kurz erscheint, liegen Welten zwischen denen, die das Erwachsenenleben gerade erst anfangen, und jenen, die schon länger mittendrin stecken. Frauen reagieren auf diese Erkenntnis für gewöhnlich mit aggressivem Neid („Die hat noch keine einzige Falte. Ich hasse sie!"), Männer mit gehässiger Altersweisheit („Mit dem geht‘s auch bald bergab. Hähä!").
Sport ist Mord
Fast nirgends spürt man Gevatter Tod so eilig herannahen wie auf der Joggingpiste, der Yogamatte und dem Tennisplatz. Bewegungen, die kürzlich noch völlig selbstverständlich ausgeführt wurden, werden plötzlich zur Gefahr für Leib und Leben. Etwas zu euphorisch in die Jogging-Saison gestartet? Quittung: Fersensporn. Beim „Herabschauenden Hund" einen Zentimeter weiter als sonst gedehnt? Strafe: Hexenschuss. Beim Tennis dem Netzroller entgegengehechtet? Viel Spaß bei der Meniskus-OP. Das Kühlen lädierter Körperstellen wird zur Routine, Humpeln, Jammern und der Besuch beim Orthopäden ebenso.
Ganz unten
Sie wollen im Internet bei einem Versandunternehmen Retouren-Etiketten ausdrucken lassen. Einfach super, dass so etwas heutzutage online geht! Nur noch kurz als User anmelden, Adresse und persönliche Daten eingeben … Der Klick ins Feld fürs Geburtsjahr vermiest Ihnen die fluffig-lockere Laune. Der automatisch vorgeschlagene, also häufigste Nutzer-Jahrgang, ist schlappe 20 Jahre jünger als Sie. Gedemütigt scrollen Sie durch die 90er-, 80er- und womöglich auch 70er-Jahre, bis Sie irgendwann ganz unten bei den Scheintoten angekommen sind. Lieber mal in die AGB gucken, ob Sie mit 45+ überhaupt noch als geschäftsfähig gelten …
Akute Schlafferitis
Ab der Lebensmitte altert die Haut plötzlich rasant und an zuweilen merkwürdigen Stellen. Plötzlich sind da diese Furchen, die V-förmig im Dekolleté münden. Die Hände gleiten noch lässig über den Hals der E-Gitarre, zeigen aber schon erste Anzeichen von Runzeligkeit. Das Kinn tendiert – zu Beginn nur im Profil, später dann auch frontal– zur Verdopplung. Die Oberarme waren auch schon mal straffer. Und wer hat da am Familiencomputer das Wort „Intimchirurgie" gegoogelt? Fakt ist: Alles, wirklich alles, verliert jenseits der 40 an Form, sofern man sich nicht – mit Sport oder weniger glorreichen Methoden – mit aller Macht gegen den Lauf der Dinge stemmt.
Chronische Hypochondrie
Montag: Da ist wieder dieser komische Druck im Kopf. Keine richtigen Kopfschmerzen, eher so ein dumpfes Dröhnen. So fühlt sich bestimmt Bluthochdruck an. Ich googel mal … Dienstag: Irgendwie vertrage ich keine Süßigkeiten mehr. Ist doch merkwürdig, dass mir nach Schokolade immer flau und schwindelig wird. Diabetes? Ich googel mal … Mittwoch: Hilfe, immer dieses Reißen in den Gelenken. Ich komm‘ kaum noch vom Bürostuhl hoch. Bestimmt schon Arthrose. Ich googel mal … Sonntag: Nicht normal, dass mir Regen seit Neustem immer aufs Gemüt schlägt. Hundertpro Depressionen. Hab nicht mal Lust, zu googeln …
Neue Weitsicht
Eines Tages am Supermarktregal. Sie wollen gucken, ob das Apfelmus mit Zuckerzusatz ist. Da sind Buchstaben auf dem Etikett, aber Sie können sie nicht lesen. Muss denn immer alles so klein gedruckt sein heutzutage! Sie kneifen die Augen zusammen. Immer noch verschwommen. Reflexartig strecken Sie den Arm aus, um das Glas etwas weiter wegzuhalten. Jetzt sehen Sie klar. Erstens: Der Apfelmus ist mit Zuckerzusatz. Zweitens und viel schlimmer: Sie haben soeben zum ersten Mal im Leben die typische Geste der Altersweitsichtigkeit gemacht, die Sie beim Betreten des Supermarkts noch für eine Art Erkennungsmove Hochbetagter hielten. Ab heute gehören auch Sie zum riesigen Club derjenigen, die Kleingedrucktes nur aus einem halben Meter Entfernung lesen können. Falls Sie kurzsichtig sind und denken, das Phänomen wird sich bei Ihnen bestimmt nur ausgleichend auf die bestehende Sehschwäche auswirken, sei gleich gesagt: Nö. Für Sie ist beides, also Kurz- und Weitsichtigkeit bis ans Lebensende, vorgesehen. Kennen Sie diese Leute, die eine Brille auf der Nase und eine zweite um den Hals baumeln haben? Genau. Zu denen gehören Sie dann auch.
Beim Zahnarzt
Haben Sie sich als Jugendlicher auch über die Werbung von Corega Tabs und Eldana Gebissreiniger kaputtgelacht? „Oh Gott, wie kann man nur so alt sein, dass einem die Zähne ausfallen!", dachte man damals. „Da muss man ja mindestens 100 werden!" Heute wissen Sie: Die Zähne fallen nicht aus, sie werden nach unzähligen Wurzelbehandlungen und Überkronungen von einem freundlichen Zahnarzt mit dickem Auto gezogen. Spätestens wenn zwei bis drei Backenzähne, oder gar Front- und Seitenhauer das Zeitliche segnen, fällt beim Praxisbesuch zum ersten Mal das Wort Zahnersatz. „Ist doch alles halb so wild", beschwichtigt der Dental-Vollstrecker. „Sie dürfen sich aussuchen, ob es eine Brücke, ein Implantat oder ein Teilgebiss sein soll." Egal, wofür Sie sich entscheiden: Sie sind der Tattergreis aus der Corega-Tabs-Werbung. Gerade mal 40, aber gefühlt 120.
Mann im Ohr
Sie liegen im Bett, schmökern vor dem Einschlafen noch in einem guten Buch und hören auch gleich den Soundtrack dazu. Es fiept im Ohr und das schon länger. Seit dem stressigen Dachausbau vor ein paar Monaten. Oder dem Besuch des Steuerprüfers letzten Sommer. Seitdem Oma gestürzt ist und täglich Ihre Hilfe braucht. Oder Ihr Ältester vom Gymnasium geflogen ist. Sorgen im fortgeschrittenen Erwachsenenleben sind regelmäßig ernster Natur – und hinterlassen gern mal einen warnenden Dauerton in unserem Kopf. Der Tinnitus erinnert uns in jeder ruhigen Minute daran, dass da bestimmt noch irgendwas dringend geklärt, gelöst und bezahlt werden muss. Und daran, dass wir keine 30 mehr sind und ab und zu mal eine Pause vom Alltag brauchen.
Nicht mehr Allesfresser
Von frischem Knoblauch wird Ihnen schlecht, nach dem Genuss von Weißwein tun Ihnen die Zähne weh („zu viel Säure!"), scharfes Essen geht auch nicht mehr, wegen der Hämorrhoiden. Willkommen in der zweiten Lebenshälfte.
Es sprießt wie im Garten
Auf dem Kopf lassen sich erste Lichtungen erahnen, dafür wächst das Haar andernorts wilder als je zuvor. Die Augenbrauen wuchern in so langen, welligen Borsten, dass man sie mit der Nagelschere schneiden muss, beim näheren Blick in den Spiegel lugen frech ein paar Nasenhaare aus den Nüstern. Sagen wir mal so: Spätestens, wenn Sie alle drei Tage die Brauen stutzen und per Express einen Nasenhaarschneider im Internet bestellen, sind Sie wahrscheinlich nicht mehr taufrisch. Auch Haarwuchs in den Ohren lässt darauf schließen, dass Sie schon ein paar Mal genullt haben.
Horror-Kater
Ausgiebige Feier-Sausen wie in jungen Jahren halten Sie nicht mehr durch. Zwei Tage hintereinander ausgehen? Bis zum Morgengrauen Bier trinken? Mit Anfang 20 kein Problem – am nächsten Tag haben Sie locker Jura-Klausuren bestanden und 60 Hektar Ackerland gepflügt. In den 30ern lässt man es noch ein paar Mal drauf ankommen, merkt am Tag danach aber bereits, dass die Party-Rehabilitation deutlich langwieriger verläuft. „Tja, ich werde wohl alt", scherzt man über den ungewohnten Brummschädel. Ein bis zwei Jahrzehnte später stellt sich bei vielen Oldies und Bald-Oldies bereits nach zwei Flaschen Bier oder einer halben Flasche Wein ein derartiger Horror-Kater ein, dass es nach einmaliger Erfahrung überhaupt kein Problem ist, sich von nun an aus feucht-fröhlichen Gelagen konsequent rauszuhalten. Einschlägige Einladungen kontert man mit: „Sorry, wir wollen Samstagabend lieber Fußbad machen und Ingwerwasser trinken" – und fühlt sich gut dabei.
Entspannt statt extrem
Gemütliche Radtouren, Ahnenforschung, Gartenarbeit – Sie wollen in Ihrer Freizeit keine Rekorde mehr brechen, sondern einfach nur entspannen. Die Natur genießen. Einfach mal ein paar Stunden nicht sprechen. Mit anderen Worten: Genau das tun, was Sie in jüngeren Jahren noch für die Vorstufe zum Tod gehalten haben. Nervenaufreibende Hobbys wie Bungee-Jumping, Börsen-Spekulation oder Butterfly im örtlichen Hallenbad überlassen Sie lieber dem Junggemüse. Ihr lebensmittiges Lebensmotto lautet: „Es muss ja nicht immer alles so extrem sein!" Wenn weniger betagte Familienmitglieder bei weiteren Ausführungen zu dieser Thematik bereits entnervt mit den Augen rollen, können Sie relativ sicher sein, zum alten Eisen zu gehören. – Na, und?