Unter Fußballern sind sie ebenso häufig wie gefürchtet: Sprunggelenksverletzungen. Doch auch im ganz normalen Leben ist so etwas schnell passiert. Dann heißt es: Geduld mitbringen. Therapie und Heilungsphase brauchen viel Zeit.
Jonas Hector hat’s erwischt, Franck Ribéry laboriert daran, Sven Bender kann ein Lied davon singen, Marco Reus verpasste deswegen die WM 2014 … Die Liste bekannter Bundesligaspieler lässt sich bedenkenlos fortsetzen. Sprunggelenksverletzungen gehören statistisch gesehen zu den übelsten Blessuren, die sich Profikicker im Laufe ihrer Karriere zuziehen können. Außerdem sind sie neben Knie- und Muskelverletzungen am häufigsten zu verzeichnen. Ist das Sprunggelenk gebrochen und kommen zum Bruch des Innen- und/oder Außenknöchels noch Syndesmoseband-Rupturen hinzu (Risse an den stützenden Bändern), sind Ausfallzeiten von sechs bis acht Monaten bis zur vollen Belastbarkeit keine Seltenheit.
Doch es erwischt nicht nur Profifußballer, sondern auch die vielen Freizeitsportler und Normalsterblichen unter uns. Jeden kann es treffen, gleich welchen Alters. Ob beim Joggen, beim Radfahren, beim Treppensteigen: Ein falscher Schritt in ein Loch, ein Sturz, ein Ausrutscher, eine Sekunde lang nicht aufgepasst – schon ist es passiert. Der Fuß kann die ganze Wucht der Bewegung und das Gewicht nicht abfedern. Und das kann dabei herauskommen: Sprunggelenksfraktur, gerissene Syndesmose vorne und hinten (Bruch des Volkmann’schen Dreiecks) – diese Bänder halten Schien- und Wadenbein zusammen und sorgen für die Beweglichkeit und Stabilität des Fußes. Innen- und Außenbänder sowie die Knorpel am Knochen können ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine Sportverletzung, die Otto Normalverbraucher für sehr lange Zeit aus dem Verkehr zieht.
Bei einer Fraktur spricht man gemeinhin vom oberen Sprunggelenk, das aus den drei Knochen Schienbein, Wadenbein und Sprungbein gebildet wird. Schien- und Wadenbein bilden eine knöcherne Gabel, die das Sprungbein U-förmig umfasst. Im oberen Sprunggelenk wird das Heben und Senken des Fußes ermöglicht. Für die Stabilität des Fußes sorgt der komplexe Bandapparat mit Innen- und Außenband, vorderem und hinterem Syndesmoseband.
Operation: ja oder nein?
Nach einem Bruch des Sprunggelenks kommt es sofort zum Anschwellen des Fußes, und Gehen ist fast nicht mehr möglich. Ob eine Operation oder die konventionelle Methode, sprich sechs Wochen Ruhigstellung des Fußes, infrage kommen, entscheidet der Arzt. Röntgenaufnahme, Computertomografie (CT) und radiologische Magnetresonanztomographie (MRT) geben Aufschluss über die Schwere der Verletzung. Anstelle eines Gipsverbands gibt es heute abnehmbare Orthesen (eine Art überdimensionale Skistiefel), dazu zwei Gehhilfen.
Sprunggelenksfrakturen lassen sich nach Weber in A, B und C klassifizieren. Ist der gebrochene Knochen nicht mehr in der richtigen Position und zudem die Syndesmose gerissen, ist eine Operation mehr als angeraten, um Spätfolgen wie chronische Schmerzen und einen vorzeitigen Verschleiß (Arthrose) im Sprunggelenk zu vermeiden. Bei einem offenen Bruch ist eine Operation sowieso unumgänglich. Durch das operative Einbringen von Schrauben, Platte und einer sogenannten Stellschraube am Sprunggelenk können der gebrochene Knochen sowie das Syndesmoseband vorne in der Regel wieder besser zusammenwachsen. Eine verschraubte Platte, die nach einigen Monaten wieder herausoperiert werden kann, aber nicht muss, sorgt vor allem für eine exakte Positionierung und ein besseres Zusammenwachsen des lädierten Sprunggelenkknochens. Wenn das Syndesmoseband gerissen ist, wird zusätzlich eine Stellschraube für sechs Wochen eingebracht. Bis zur Entfernung dieser Schraube darf der betroffene Fuß allerdings nur zwischen fünf bis zehn Kilogramm belastet werden, damit die Stellschraube nicht bricht. Trotzdem starten Physiotherapie und Training bereits relativ schnell nach der Operation. Dabei geht es zunächst darum, die Beweglichkeit des Fußes zu trainieren, dem Körper Anreize zu geben, die feinen Muskeln am Fußgelenk wieder aufzubauen, und durch entsprechende Massagen Schwellungen abzubauen. Grundsätzlich gilt die Devise: so viel Bewegung wie möglich, so viel Ruhigstellung wie erforderlich.
Es gibt gute Gründe, die bei einer verschobenen Sprunggelenksfraktur für eine Operation sprechen, um eine vollständige Heilung zu gewährleisten wie die Wiederbelastung des Sprunggelenks und die Verringerung der Arthrosegefahr am Gelenk. Allerdings sollten auch die Risiken einer Operation wie Infektionsgefahr, Unverträglichkeit der eingesetzten Metallteile, psychische Belastung, Narbenbildung etc. genau gegeneinander abgewogen werden. Das Alter der Patienten, Vorerkrankungen und so weiter spielen bei dieser Entscheidung ebenso eine wichtige Rolle.
Für und wider Operation, darüber streiten sich wie so oft die Gelehrten. Ein Patentrezept gebe es allerdings nicht, sagt Dr. Georgis Tosounidis, Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie vom Orthopädisch-Chirurgischen Zentrum (OCZ) Saar. Die Ärztegemeinschaft im OCZ mit Standorten in Saarbrücken-St. Arnual, Brebach und Kleinblittersdorf deckt praktisch das gesamte diagnostische und therapeutische Spektrum der Unfallchirurgie und Orthopädie ab. Jeder Fall, so der Experte Tosounidis, sei individuell höchst unterschiedlich und bedürfe einer genauen Diagnose und Abwägung aller Chancen und Risiken.
Ausdauer und Geduld sind gefragt
Patienten mit Sprunggelenksverletzungen brauchen zur vollständigen Rekonvaleszenz auf jeden Fall Ausdauer und Geduld. In der sich anschließenden Physiotherapie müssen Belastbarkeit, Stabilität und Gleichgewicht des Fußgelenks schrittweise wieder erlernt werden. Da wird es immer wieder Fort- und Rückschritte geben. Auch eine zu frühe Belastung kann negative Folgen für die komplette Ausheilung nach sich ziehen. Vor allem müssen Patienten wieder das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zurückerobern. Eine Sache, die sich oftmals im Kopf abspielt, wenn es wieder um die volle Belastung des Fußgelenks geht.
Eine gute medizinische Nachbetreuung, Mut, Hoffnung und eine stabile Psyche, aber auch der feste Wille zur Mitarbeit bei der Krankengymnastik sind wichtige Voraussetzungen, den Heilungsprozess zu beschleunigen. Denn man stelle sich nur mal vor, ein Fußballprofi wie Jonas Hector würde bei jedem Schritt auf dem Platz daran denken, sein Sprunggelenk samt Syndesmose könne wieder brechen. Er würde mit Sicherheit keine guten Leistungen mehr erbringen.