Wenn Deutschland bei der E-Mobilität nicht den Anschluss verlieren will, ist es höchste Zeit, etwas zu tun. Das glaubt ein ungewöhnliches Bündnis aus SPD, Grünen und Gewerkschaften: Das Denkwerk Demokratie hat jüngst seine Studie zur Elektromobilität in Deutschland veröffentlicht.
Das Publikum ist begeistert. Elegant gleitet das etwas sperrig aussehende Fahrzeug völlig geräuschlos über das Ausstellungsgelände in Paris und erreicht eine Geschwindigkeit von mehr als 50 Kilometer pro Stunde. Vier Elektro-Naben-Motoren sorgen für die ruckelfreie Fahrt. Eine Revolution in Sachen Mobilität. - Diese Geschichte spielt nicht etwa jüngst auf einer französischen Automesse, sie spielt auf der Internationalen Weltausstellung in Paris, im Jahr 1900. Am Steuer des E-Mobils sitzt ein gewisser Ferdinand Porsche, damals gerade 25 Jahre alt; und er hat noch viel vor in seinem Leben: Unter anderem wird er noch den Volkswagen erfinden, um sich dann in der jungen Bundesrepublik einen Namen als Sportwagenbauer zu machen. Auftraggeber für das gezeigte E-Mobil war übrigens die kaiserliche Familie der Habsburger in Wien. Denn die Luft in der KuK-Hauptstadt wurde immer dicker, durch Verbrennungsmotoren und vor allem durch die Pferdefuhrwerke: Es stank in den engen Gassen zum Himmel.
Heute, 120 Jahre später, ist es in Deutschland so weit. Das Diesel-Fahrverbot droht, Städte wie Stuttgart drohen unter Abgasen und Feinstaub zu ersticken. Die Elektromobilität könnte es richten. Doch nach wie vor gibt es Probleme: Als Porsche 1897 den Auftrag annahm und den „Lohner-Porsche" baute, war das Gefährt viel zu schwer. Allein die Bleibatterie wog fast eine halbe Tonne. Und sie hatte eine Reichweite von nicht mal 50 Kilometern, wohlgemerkt wenn das Wetter mitspielte, also bei 25 Grad Außentemperatur und Sonnenschein. Doch das alles Entscheidende: Der Lohner-Porsche war für die damaligen Straßenbrücken nicht geeignet, sie drohten unter der Last des Fahrzeug zusammenzubrechen. Zu allem Überfluss kam es zwischen der Wiener Hofwagenfabrik Lohner und Ferdinand Porsche zu Patentstreitigkeiten. Und dazu war da noch die Sache mit dem lieben Geld: Der Elektrowagen von damals war viel zu teuer.
Noch immer gibt es viel zu wenige Ladesäulen
Ein Problem, das dem Autokäufer von heute bekannt vorkommt - wer überlegt, sich ein E-Auto zuzulegen, staunt erst mal Bauklötze angesichts der Summen, die er auf den Tresen packen soll. Und es gibt weitere Schwierigkeiten, die schon Ferdinand Porsche zu benennen wusste. Bis heute scheinen einige Stolpersteine zur E-Mobiliät schlicht bestehen geblieben zu sein.
Dies belegt nun auch nochmals die jüngste Studie „Mobilitätswende – Die deutsche Automobilindustrie im Umbruch" vom Denkwerk Demokratie. In diesem „Think Tank", der von SPD, Grünen und Gewerkschaften getragen wird, soll eine soziale, ökologische und demokratische Zukunft mitgestaltet werden. Was die Denkwerk-Autoren in ihrem „Werkbericht Nr. 8" zur mobilen Zukunft in Deutschland zusammengetragen haben, kommt dem Leser irgendwoher bekannt vor: Die Reichweite der angebotenen Fahrzeuge reicht nicht. Die Fahrzeuge sind in der Anschaffung weiterhin zu teuer. Die E-Mobilitäts-Infrastruktur, zum Beispiel Ladesäulen, ist immer noch völlig ungenügend.
Porsche lag damals mit seiner Innovation im Trend seiner Zeit. Zur gleichen Zeit waren im fernen New York mehr als die Hälfte der zugelassenen Fahrzeuge Elektrokarren, also umgebaute Pferdefuhrwerke ohne Tiere, aber mit einem Nabenelektromotor und einer jener riesigen Batterien unter dem Sitz. Erst die Erfindung des „Hochspannungsmagnetzünders" aus dem Hause Robert Bosch in Stuttgart änderte den Verlauf der Mobilitäts-Geschichte. Die Zündkerze wurde sozusagen zum Killer der Elektromobilität. Fortan musste man nicht mehr den Wagen mit der Kurbel anwerfen, sondern einfach nur über den Zündknopf starten. Und billiges Öl macht der Idee früher Elektromobilität endgültig den Garaus.
Heute ist Elektromobilität alleine schon aus ökologischen Gründen Trend, sieht man davon ab, dass der Strom für die deutsche Elektroflotte derzeit meist noch aus Kohlekraftwerken käme. Dennoch, die deutsche Automobilindustrie wird bei der modernen E-Mobilität mitmachen müssen, auch wenn die Probleme unüberschaubar und Lösungen kostspielig sind. Vor allem stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel - die IG Metall geht von 80.000 gefährdeten Jobs aus, die nur durch Weiterbildung gerettet werden können (siehe nebenstehendes Interview).
Selbst bei den Grünen setzt ein Umdenken ein. Die individuelle Mobilität steht fortan nicht mehr unter Generalverdacht, sondern die E-Mobilität wird als förderungswürdig eingestuft, so der politische Bundesgeschäftsführer von Bündnis90/Die Grünen Michael Kellner: „Die Frage ist ja, ob alle ein Auto brauchen, wenn wir die Bahn weiter ausbauen. Wenn die Züge viel dichter fahren, ist das ein richtiger Schritt weg vom Auto. Doch wenn Sie in der Uckermark leben, dann brauchen Sie ein Auto", so Kellner. „Und dann ist es mir lieber, wenn Sie mit einem Elektro-Auto fahren, als mit einem Verbrennungsmotor." Doch auch wenn selbst die Grünen ihren Kampf gegen das Auto aufgegeben haben, die Urprobleme der Elektromobilität sind damit nicht gelöst: Reichweite, Kosten, vor allem Infrastruktur des Wiederaufladens.
Die Urprobleme der E-Mobilität sind noch nicht gelöst
Stimmt das wirklich? Wir machen einen Selbstversuch im Februar 2018, es soll mit einem E-Kleinwagen von Berlin nach Magdeburg gehen. Ein Problem ist gleich das Wetter: unter null Grad mit Schnee, der Himmel grau in grau. Der Akku des Autos ist vollgeladen, doch schon beim Start stellt sich die Frage: Heizung voll aufdrehen oder eher halbe Kraft, also etwas frischer im Inneren des Fahrzeugs? Die Entscheidung „lieber frieren und ankommen" erweist sich als richtig, denn am Ziel in Magdeburg ist der Akku leer. Das Aufladen dauert mindestens acht Stunden - schön, dass es die Bahn gibt, die Heimreise ist gesichert.
Die Reichweite ist ein physikalisches Problem, das vielleicht gelöst werden kann. Ein deutsches Batteriekonsortium, TerraE, arbeitet daran. So genannte Plug-In-Hybride erreichen Reichweiten von bis zu 60 Kilometern rein elektrisch. Und sind die Zeiten der schweren Bleibatterie auch längst vorbei, erreichen doch auch die aktuellen Lithium-Ionen-Akkus in deutschen Fahrzeugen mit einer Tonne Fahrzeuggewicht nur eine Reichweite von um die 300 Kilometer. Die Kosten pro E-Fahrzeug liegen derzeit mindestens dreißig Prozent über dem von den Verbrennern - Mehrkosten, die sich laut den Automobilherstellern nur durch steuerliche Abschreibungen senken lassen.
Was die Ladestationen angeht, ist tatsächlich nicht nur die Bundesregierung gefordert, sondern auch die Regierungen der Bundesländer müssen ran. In Anlehnung an eine Tankstellenwerbung aus den 70er-Jahren bleibt festzuhalten: Es gibt viel zu tun – packen wir es an.