Trotz teils heftiger Sparmaßnahmen rückt die „Stunde null", der Tag, an dem Kapstadt vollständig ohne Wasser ist, näher. Die Stadtverwaltung arbeitet unter Hochdruck an Notfallplänen. Wer trotz Krise Urlaub in der zweitgrößten Metropole Südafrikas macht, muss sich auf Wassersparen einstellen.
Kein Wölkchen am stahlblauen Himmel, 25 Grad und mehr, die Sonne scheint: Auf den Sommer in Kapstadt ist auch 2018 wieder Verlass. Nur der Regen ist ausgeblieben, im vergangenen Jahr und in den Jahren zuvor. Deswegen leiden nun das Kap der Guten Hoffnung und die ganze südafrikanische Provinz Western Cape unter einer Jahrhundertdürre. In Kapstadt, dem beliebtesten Reiseziel der Deutschen in Südafrika, ist die Lage dramatisch. Nur wenn der Wasserverbrauch drastisch reduziert wird, lässt sich die „Stunde null" vermeiden. Das ist der Tag, an dem die Stadt das Wasser abstellen müsste. Nach aktuellen Berechnungen wäre das der 11. Mai – in knapp mehr als zwei Monaten.
„Was lange nur eine abstrakte Bedrohung war, ist jetzt bitterer Ernst", sagt Jeff Rosenberg. Er ist am Kap der Vorsitzende des Tourismusverbands Fedhasa und vertritt 800 Mitglieder – Hotels, Gästehäuser und Restaurants. Eigentlich müsste er guter Dinge sein: Kapstadts Flughafen meldet für den Dezember elf Prozent mehr Ankünfte aus dem Ausland als im Vorjahr. Zehntausende Deutsche verbringen in den Wintermonaten – dann ist auf der Südhalbkugel Sommer – hier ihren Urlaub. Südafrika zählt zu den beliebtesten Fernreisezielen, und in Kapstadt liegen die Attraktionen aufgereiht wie an einer Perlenkette: der Tafelberg, das Kap der Guten Hoffnung, die Weinbauregion im Hinterland, die Garden Route. Doch für die Hoteliers ist die Vorstellung, dass Trinkwasser im Stadtgebiet nur noch von der Polizei in 25-Liter-Rationen ausgegeben würde, ein Horrorszenario: Niemand würde mehr nach Kapstadt reisen. Entsprechende Medienberichte sorgen für Verunsicherung. Doch Jeff Rosenberg gibt sich zuversichtlich: „Wir werden es schaffen. Aber nur, wenn jetzt alle mitziehen."
Die „Stunde null" rückt derweil immer näher. Erst war es der 18. Mai, dann der 29. April. Inzwischen ist es der 11. Mai: Die Dämme, die Kapstadt versorgen, sind nur noch zu weniger als 30 Prozent gefüllt. Regnen wird wohl erst wieder Mitte des Jahres. Spät, hoffentlich nicht zu spät ist ein Notfallplan angelaufen: Neue Bohrlöcher werden vorbereitet, Wasseraufbereitungsanlagen und mobile Meerwasserentsalzungsanlagen gebaut. Gleichzeitig soll der Verbrauch sinken und zwar drastisch: Unternehmen müssen ihren Verbrauch um 45 Prozent, Landwirte sogar um 60 Prozent reduzieren. Jeder der vier Millionen Bürger Kapstadts soll nur noch 50 Liter pro Tag verbrauchen.
Erst Mitte des Jahres wird es wieder regnen
Touristen sollen mitmachen: Am Gepäckband des Flughafens hängen inzwischen Plakate mit dem Slogan „Spar Wasser wie ein Einheimischer". Zwar entfielen nur 3,4 Prozent des Wasserverbrauchs der Stadt auf touristische Unternehmen, heißt es beim Tourismusverband Fedhasa unter Berufung auf eine städtische Erhebung. Doch viele Hotels und Gästehäuser haben sich mit einem „Wasser-Gelöbnis" trotzdem zum Sparen verpflichtet. „Kleinigkeiten machen am Ende einen großen Unterschied", sagt der Deutsche Friedrich Schäfer, der in Kapstadts Viertel Sea Point die Boutiquehotels The Treehouse und Villa Zest betreibt. „In jedem unserer Zimmer steht ein Eimer in der Dusche. Das aufgefangene Wasser wird zum Putzen verwendet und anschließend zum Bewässern des Gartens." Da die Pools nicht mehr mit Wasser aus dem Hahn aufgefüllt werden dürfen, lässt er das Wasser per Lastwagen herankarren. Das kostet jeden Monat hundert Euro.
Die wohl nobelste Unterkunft der Stadt, das Ellerman House, hat einen eigenen Brunnen graben lassen und für Notfälle ein 35.000-Liter-Wasserdepot angelegt. Wenn es ein Gast nicht anders wünscht, wechselt das Personal die Bettwäsche jetzt erst nach vier Tagen. In der Dusche liegt derweil ein elektronisches Gerät, ein sogenannter „Water Pebble". Der zeigt an, wenn zwei Minuten um sind – länger soll man das Wasser nicht laufen lassen. Beschwerden gebe es keine, erklärt Direktor Paul Bruce-Brand: „Die Gäste haben viel Verständnis." Nun überlegt er, wie er seinen Kunden das Wassersparen noch besser verkaufen kann. Vielleicht mit Musik unter der Dusche?
Songs für Kurzduscher
Zehn populäre südafrikanische Bands haben ihre Hits extra auf „two minute shower songs" verkürzt und bieten einen kostenlosen Download an. Bis es so weit ist, nutzt man im Ellerman House sogar das geschmolzene Eis aus dem Weinkühler zum Blumengießen.
Jeff Rosenberg denkt derweil in anderen Kategorien: Neben seinem Amt als Vorsitzender des Tourismusverbands ist er Direktor des Hotels Southern Sun Waterfront, einem Komplex mit 537 Zimmern. Durch den Einsatz neuer Armaturen konnte der Wasserverbrauch innerhalb von zwei Jahren um 57 Prozent reduziert werden – viele Millionen Liter wurden so gespart. Bald soll die Leitung zur städtischen Wasserversorgung ganz gekappt werden. Die Lage am Hafenbecken von Kapstadt macht’s möglich: Gemeinsam mit den Nachbarhotels Southern Sun Cullinan und Westin wird für zusammen 1.400 Zimmer eine eigene Meerwasserentsalzungsanlage gebaut.
Gäste müssen in Kapstadt aktuell also kaum mit Einschränkungen rechnen. Sie sind, das hat die Regierung der Provinz Western Cape verkündet, auch weiterhin willkommen – ausländische Touristen schaffen viele Arbeitsplätze. Nur das ausgiebige Plantschen in der Badewanne ist tabu. Im Southern Sun Waterfront erklärt ein Hinweisschild im Badezimmer, warum die Stöpsel entfernt wurden. So handhaben es inzwischen so ziemlich alle Unterkünfte am Kap. „Wenn es keine medizinischen Gründe gibt, sind die Zeiten, in denen man bei uns ein Bad in der Wanne nehmen konnte, leider vorbei", sagt Hoteldirektor Rosenberg. „Da lasse ich nicht mit mir handeln. Sollte sich ein Gast beschweren, lade ich ihn lieber zum Essen ein."