Das mittelamerikanische Land, einst britische Kolonie, lockt mit Stränden und karibischem Meer. Mindestens genauso spannend wie Ausflüge aufs und unters Wasser sind Begegnungen mit den Menschen – mit traditionell lebenden Mayas oder mit den Garifuna, deren Vorfahren aus Afrika kamen.
Tam-tam, tam, kurz, kurz, lang – der erste Rhythmus, den uns der Profi vortrommelt, ist leicht. Ohne große Mühe schlagen wir, so wie er, auf die gespannten Hirschhäute unserer Base-Drums ein. „Alles okay?", fragt Ray in die Runde, dann lacht er und legt richtig los, in raschem Wechsel sollen unsere Hände auf die obere, dann auf die untere Trommelhälfte schlagen. Angestrengt zähle ich mit, verhasple mich immer wieder. „Nicht so viel denken, schließ die Augen, lass dich auf den Rhythmus ein", ermuntert mich der Mann, der mit vollem Namen Ronald Raymund McDonald heißt, ein lässig geknotetes Kopftuch trägt und ausgebleichte Jeans am athletischen Körper. Wieder legt er los, tam-tam, tata-tam-tam. Auch meinen Mitstreitern beim Workshop geht das nicht gleich von der Hand. Aber irgendwann klappt es – wir trommeln, wir schwitzen, wir wiegen unsere Oberkörper im Rhythmus der Drums, während die Abendsonne letzte milde Strahlen unter das Palmendach unserer „Schule" schickt.
Mit seiner „Warasa Garifuna Drum School" hat sich Ray einen Traum erfüllt. „Wir Garifuna sind Nachfahren westafrikanischer Sklaven", klärt er uns auf. Als die im 17. Jahrhundert aus der Heimat nach Nordamerika gebracht werden sollten, kenterten zwei der Schiffe, die unfreiwilligen Passagiere konnten sich auf die Karibikinsel St. Vincent retten. Von dort aus besiedelten sie die Ostküste Mittelamerikas. Auch das winzige Küstenstädtchen, in dem Ray seine Trommelschule betreibt, Punta Gorda im Süden von Belize, hat als Garifuna-Siedlung begonnen. Im Bevölkerungspuzzle des dünnbesiedelten Staates, der bis 1981 die Kolonie British-Honduras war, stellen die Garifuna eine der größeren ethnischen Minderheiten dar. „Das kulturelle Erbe unserer Vorfahren halten wir hoch", sagt Ray. Besondere Bedeutung haben die Trommeln. Die fehlen bei keiner Hochzeit und keiner Beerdigung, und als virtuoser Drummer ist Ray bei solchen Events ebenso gefragt wie bei internationalen Festivals. Es ist schon stockdunkel, als Tante und Großtante das Essen unterm Palmendach servieren. Im nüchternen Licht einer Glühlampe kosten wir „hudut", in Kokosmilch gegarten Fisch und süße, frittierte Kochbananen. Später, in dem kleinen Hotel am Meer, liege ich noch lange wach, während sich überm Bett unablässig ein betagter Ventilator dreht und die Schwüle vertreibt. Mit den Rhythmen der Garifuna-Drums im Kopf schlafe ich irgendwann ein.
Als der Morgenhimmel seinen pastellfarbenen Schein aufs spiegelglatte Karibische Meer wirft, geht die Reise weiter. Vorbei an Wellblechsiedlungen, an Bushaltestellen, wo Mädchen und Jungen in adretten Uniformen auf den Schulbus warten, bringt uns ein Kleinbus ans rund 40 Kilometer entfernte Ziel – Nim Li Punit, eine von rund 1.000 Ruinen aus der Maya-Zeit, die der Dschungel von Belize birgt. Dort wartet José Mes, ein 36-jähriger Mann mit gewinnendem Lächeln. José gehört zum indigenen Volk der Mopan-Maya. Voller Stolz zeigt er uns Stufenpyramiden und ein Königsgrab, dann eine Arena, in der die Mayas vor über 1.000 Jahren tagelange, erbitterte Wettkämpfe mit einem Kautschukball ausgetragen haben. Rund fünf Jahrhunderte war Nim Li Punit besiedelt, bis es im neunten Jahrhundert aufgegeben wurde. Warum, weiß man nicht. José hat vor einigen Jahren bei den Ausgrabungen geholfen. Den Archäologen fiel er durch sein fundiertes Wissen über die Maya-Kultur auf. „Aus der Schule habe ich das nicht", sagt José, der zwei Maya-Sprachen, Kreolisch und fließend Englisch spricht. „Zur Schule durfte ich nur vier Jahre lang gehen", fügt er hinzu. „Alles, was wichtig ist, lernst du von mir und bei der Feldarbeit", das sei der Standpunkt seines Vaters gewesen. Der aber habe ihm viel über das Leben der Altvorderen erzählt. Die Frau fürs Leben haben die Eltern für José ausgesucht. So ist es Tradition. Inzwischen ist das Paar 16 Jahre verheiratet, hat vier Kinder. „Noch heute sprechen und lachen wir oft darüber, wie aufgeregt wir vor dem ersten Treffen waren", erzählt der Maya-Mann. Und dann fragt er uns, ob wir Lust hätten, Hilda und die Kinder zu treffen, das Dorf anzuschauen, dem er als Bürgermeister vorsteht. Eine halbstündige Autofahrt, dann erreichen wir die Maya-Siedlung, etwa ein Dutzend Häuschen aus Holz und Lehm, weit verstreut auf waldigem Terrain. Hilda Mes, eine kleine, rundliche Frau, die ihre langen Haare zum Knoten gebunden trägt, kann nur ein paar Brocken Englisch, zeigt uns freundlich lächelnd eines der Einraumhäuser, in dem die Familie in Hängematten schläft, und den Garten, wo ein paar Ferkel quiekend Reißaus vor uns nehmen. Am späten Nachmittag kommt Wilmer, der 15-jährige Sohn der Mes, nach Hause. Er erzählt uns vom Familienalltag, vom Aufstehen vor Sonnenaufgang – der Weg zur Schule ist weit – und vom abendlichen Zeitvertreib. Oft erzählt dann sein Vater die uralten Maya-Geschichten oder Anekdoten von der Arbeit als Tourguide. Einen Fernsehapparat gibt es im ganzen Dorf nicht, auch keinen Strom. Nur einen solarbetriebenen Computer, den Wilmer für die Schule braucht. Wie seine Zukunft aussehen soll, weiß der 15-Jährige noch nicht. Ein paar konkrete Wünsche aber hat er schon: „Ich möchte mir die Welt ansehen, so wie ihr das tut", sagt der Teenager. „Und eine Frau zum Heiraten, die suche ich mir selbst aus."