Wirtschaftlich geht es dem Saarland derzeit gut, allein die Zukunftsaussichten machen Sorgen. Sorgen, die der neue Regierungschef Tobias Hans in seiner künftigen Politik adressieren muss.
Als kleiner Junge wollte Tobias Hans (CDU) Automechaniker werden. Vielleicht hätte er sich weitergebildet, wäre bei einer der großen Zulieferfirmen gelandet, bei Eberspächer, Bosch, ZF oder vielleicht bei Ford selbst, am Band, in der Qualitätssicherung, im Einkauf. Würde er dort arbeiten, wäre er sich der zunehmend schwierigeren Lage der Automobilindustrie im Land bewusst: Der Brexit bedroht das Exportland Saarland, Großbritannien ist größter Handelspartner; Azubis sind rar, die Digitalisierung erfordert den Umbau der Produktion und ganzer Geschäftsmodelle. Aber nicht nur in dieser Branche gibt es Probleme, knirscht es im Motor der saarländischen Wirtschaft. Und Tobias Hans ist nun mal kein Mechaniker. Statt eines Drehmomentschlüssels hat er nun den zur Staatskanzlei. Dort will er unter anderem die Wirtschaft stärken, sprich, die größeren und mittleren Schrauben drehen, die die Politik erreichen kann, um das Land fit für die Zukunft zu machen. Das ist nicht einfach. Denn neben den bereits angesprochenen Problemen ist die Erwartungshaltung von Verbänden und Gewerkschaften hoch.
„Damit der Mittelstand auch in Zukunft wichtiger Pfeiler und Jobgarant der saarländischen Wirtschaft bleibt, brauchen wir bestmögliche Bedingungen für Investitionen in unserem Land und möglichst wenig Bürokratiebelastung. Kurz: einen klaren und verlässlichen wirtschafts- und steuerpolitischen Rahmen sowie das klare Signal an ansässige und ansiedlungswillige Unternehmen, dass ihre Wünsche und Sorgen ernst genommen werden", so Joachim Malter vom Verband Saarländischer Unternehmen (VSU). Gleiches gelte auch für die großen industriellen Firmen im Saarland, die hier Tausende von guten Arbeitsplätzen sichern. Sie sind wichtige Partner für den Mittelstand und stehen genauso wie dieser im permanenten Wettbewerb. „Wir brauchen also optimale Standortbedingungen für die gesamte saarländische Wirtschaft. Daran muss jede saarländische Landesregierung arbeiten. Das sollte Chefsache und Anspruch eines jeden saarländischen Ministerpräsidenten sein. Wir sind davon überzeugt, dass auch Tobias Hans, genauso wie seine Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer, diese Aufgabe im Fokus haben wird." Malter ist zuversichtlich, dass er auch in Tobias Hans einen Regierungschef vorfinden wird, der die Wünsche der Arbeitgeber im Saarland erfüllt. Seine zentrale Herausforderung der kommenden Jahre und Jahrzehnte wird sein, genügend Fachkräfte auszubilden – und sie im Land zu halten. Das liegt einerseits in der Verantwortung der Wirtschaft, attraktive Arbeitsplätze zu schaffen, andererseits an der Politik, um die infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen. Mit dem warmen Geldsegen vom Bund ab 2020 sind die Probleme beileibe nicht gelöst, der Investitionsstau ist groß, nicht zuletzt an den saarländischen Hochschulen. Hinzu kommt, die saarländischen Arbeitnehmer auf die Digitalisierung vorzubereiten, die sich Hans auf die Fahnen geschrieben hat. In der deutlich verjüngten Saar-CDU findet er dafür sicherlich genügend sensibilisierte Mitstreiter. Überzeugt werden muss noch so mancher Betrieb. Die Saar-Unternehmen werden trotz gewisser Digitalisierungsskepsis oder Berührungsängsten nicht anders können als nach und nach mitzuziehen, wollen sie nicht von der Konkurrenz abgehängt werden. Und die Arbeitnehmer?
Groß oder klein – im Herzen Europas
Die wichtigsten drei Punkte, die Tobias Hans im Fokus haben sollte, sind nach Ansicht des stellvertretenden DGB-Bezirksvorsitzenden Eugen Roth „der überdurchschnittlich schnelle Bevölkerungsrückgang und damit einhergehend der Verlust speziell an jungen Menschen durch Abwanderung, die Überwindung der Haushaltsnotlage, um wieder Investitionskraft zu erreichen und erhebliche Investitionsdefizite auszugleichen und die bundesweit nicht ausreichend anerkannte Attraktivität des kleinsten Flächenlandes und ihre Steigerung". Großes entsteht eben nicht immer im Kleinen, sondern im Herzen Europas. Daraus ergeben sich für Roth drei Kernforderungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes: „Die Abwanderung muss durch attraktive Berufs- und Lebensperspektiven gestoppt werden, unter anderem durch ‚Gute Arbeit‘ und durch Zuwanderung. Wir brauchen eine wesentlich gesteigerte Investitionsoffensive, die nicht an der sogenannten Schwarzen Null scheitern darf. Außerdem ist eine bessere Verkehrsinfrastruktur nötig, damit unser Land besser und schneller erreichbar ist."
Alles Punkte, die im Wesentlichen im Koalitionsvertrag abgebildet sind. Den will Hans nach eigener Aussage „nicht neu verhandeln" – sicher richtig, dennoch gibt Roth zu bedenken, auch mit Blick auf die künftige Regierung in Berlin: „Die im Koalitionsvertrag Land gebündelten Vorgehensweisen orientieren sich immer an der damaligen Aktualität, das heißt am Stand vor einem Jahr, also 2017. Sie müssen ständig angepasst werden. Sollte der zurzeit verhandelte Koalitionsvertrag Bund angenommen und zu einer neuen GroKo führen, würde das die Chancen unseres Saarlandes zumindest wesentlich verbessern." Gründe dafür seien beispielsweise die Bildungsbeschlüsse und die in Aussicht gestellten finanziellen Entlastungen der Kommunen.
Flexibel also soll er sein, der Neue in der Staatskanzlei, modern und aufgeschlossen, wirtschaftsnah und bürokratiefern. Doch woher nehmen? Regierungserfahrung hat Hans nicht. Auch Erfahrung als Unternehmer hat er keine. Allenfalls als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Gesundheitsbereich, als Referent. Trotzdem gilt er als gut vernetzt in Partei und Land, als machtbewusst, hat den Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD mitverhandelt. Dass er etwas von der Wirtschaft versteht, muss er jetzt beweisen. Was er noch nicht weiß, kann er nachholen, bei seiner Tour durchs Saarland, die nach seiner Wahl geplant ist. Bürgernähe und Authentizität, beides hat Annegret Kramp-Karrenbauer kultiviert, muss der Jung-Politstar noch lernen. Gleichzeitig wird er die vielzitierte „Modellregion Saarland" in einigen Bereichen zum Normalzustand machen. Dann hält er den Schlüssel zum Herzen der Wähler in den Händen – und zur wirtschaftlich soliden Entwicklung des Saarlandes.