Lange waren sie wie Feuer und Wasser, Alphatiere auf verschiedenen Seiten. Jetzt arbeiten sie zusammen: Stelian Moculescu, lange Zeit Trainer des VfB Friedrichshafen, arbeitet jetzt für seinen alten Erzrivalen Kaweh Niroomand als Coach des Deutschen Meisters Berlin Recycling Volleys.
Kaweh Niroomand war früher selbst Bundesliga-Spieler, dann Trainer, ist seit vielen Jahren Manager. Er ist bei fast jedem Training seiner Lizenzspieler dabei und teilweise sogar auf dem Feld aktiv. Niroomand neigt nicht zu Schnellschüssen. Wen er für seine Berlin Recycling Volleys, früher SCC Berlin, anstellt, dem schenkt er sein Vertrauen nach reiflicher Überlegung und lässt sich darin nicht durch tagesaktuelle Schwankungen beeinflussen. Wenn das Schiff allerdings droht, Schlagseite zu bekommen, dann muss der Vereinschef eingreifen. Zu Beginn der Spielzeit waren die Berliner bewusst einen neuen Weg gegangen und nahmen dabei auch das Risiko des Scheiterns in Kauf. Obwohl Roberto Serniotti mit den Volleys den Meistertitel geholt hatte, wurde sein Vertrag nicht verlängert. Stattdessen verpflichtete Niroomand den Assistenten des ehemaligen Berliner Chefcoachs Mark Lebedew beim polnischen Erstligisten Jastrzębski Węgiel und Australiens Nationalmannschaft: den 32-jährigen Luke Reynolds. „Wir versprechen uns davon einen richtigen Aufbruch für die Mannschaft. Es braucht einen neuen Push. Wir wollen keinen Mainstream mehr, sondern etwas Neues versuchen", betonte Niroomand damals. „Wir wollten einen Trainer, der offen ist für neue Ideen und der die Mannschaft anders führen kann. Seine kommunikativen Eigenschaften."
„Wir wollen keinen Mainstream mehr"
Dass der Supercup wieder gegen Friedrichshafen verloren ging – geschenkt, einkalkuliert. Pre-Season eben. Doch der Start in die Meisterschaftssaison gestaltete sich genauso holprig. Nachfragen der Journalisten zum Status des Trainers blockte Niroomand stets ab, teils mit verärgertem Unterton. Erstes Donnergrollen aus seiner Richtung war in der Öffentlichkeit erst zu vernehmen, als die Berliner im heimischen „Volleyballtempel", der Max-Schmeling-Halle, aus dem Pokal ausschieden. Und das gegen den nicht als spielerische Übermannschaft bekannten TSV Herrsching. War das Kommunikationstalent Luke Reynolds in Gesprächen mit Journalisten immer sehr locker aufgetreten, so wurden seine Antworten sehr knapp, angespannt. Intern dürfte es sehr gekracht haben. Zu denken gaben nicht die Niederlagen an sich, sondern hauptsächlich die Art und Weise, wie sie zustande kamen. Zu Schwächen in der Annahme, nicht zuletzt bei Robert Kromm, kam Vorhersehbarkeit beim Stellen. Daher wurde dem als erstem Zuspieler vorgesehenen Sebastian Kühner der nachverpflichtete Pierre Pujol vor die Nase gesetzt. Dieser machte es aus dem Stand auch wirklich sehr gut und ist bis heute die Nummer eins auf dieser Position. Zunehmend hatte man allerdings den ungewohnten Eindruck, dass es am Zusammenspiel, gar am Teamgeist, haperte. Das hätte unter Reynolds als dem Kommunikator, Motivator, notfalls Schlichter ja gar nicht auftreten dürfen.
Die Niederlagen: Saisonauftakt am 14. Oktober in Düren gleich 0:3 verloren. Düren ist gut, aber nicht auf dem Level von Berlin und Friedrichshafen. Danach gegen Herrsching und Lüneburg unnötig Sätze abgegeben, aber gewonnen. 22. November: Berlin führt, auch spielerisch überlegen 2:0 in Frankfurt, schaltet dann ab und verliert noch 2:3. Drei Tage später gegen Herrsching das erwähnte Pokal-Debakel. Niroomand hält seinem Trainer die Treue, zählt ihn aber deutlich an. Am 6. Dezember sehen die Volleys beim CL-Match bei Jastrzębski Węgiel nur in einem Satz Land, verlieren diesen aber auch. Gegen gleichstarke Polen holen die Volleys keinen Satz. Peinlich der 6. Januar in Wuppertal, als selbst der Tabellenletzte Bergische Volleys gegen die Berliner einen Satz holt. Spätestens hier fragen sich viele, warum man Serniotti trotz Meistertitel in die Wüste schickte. Dem Menschen Reynolds ist nichts vorzuwerfen, aber er ist offenkundig auf diesem Niveau als Chefcoach überfordert. Konstanz ist weiter kein Markenzeichen des Teams. Gegen Friedrichshafen spielt man auf Augenhöhe, verliert aber. Häfler-Coach Vital Heynen meint zu Recht, es hätte genauso gut auch andersherum ausgehen können. Dennoch ist jetzt klar: Erster der Vorrunde wird nur das Team vom Bodensee. Am 10. Februar dann läuft das Fass über. Bei der TVG Lüneburg, kampfstark, aber deutlich schwächer als Berlin, gehen die BR Volleys 0:3 unter. Ein peinlich schwacher Auftritt.
„Hierarchie und Ordnung" stimmen
Zu dieser Zeit befindet sich Stelian Moculescu im Urlaub auf Gran Canaria. Als das Telefon klingelt und Kaweh Niroomand ihn bittet, zu übernehmen, sagt er sofort zu. Anderthalb Jahre Pause hat er gemacht, war nebenbei Österreichs Bundestrainer der Beach-Volleyballer. Angebote aus Polen, der Türkei, aus Griechenland – alles nichts für ihn. „Aber als der Anruf von Kaweh kam, war ich sofort heiß. Das ist etwas, das mich noch mal reizt." Er hat den Berlinern und Kaweh Niroomand nicht vergessen, welch herzliche Verabschiedung in die vermeintliche Rente er 2016 in der Max-Schmeling-Halle bekam. Und weiter: „Einige meinen vielleicht, wir alten Trainer werden deppert, wenn wir über 60 Jahre alt sind, aber wir sind in der Birne noch ganz klar." Und wissen, wie man Titel gewinnt: 13 Mal Deutscher Meister, 13 Mal Pokalsieger, Champions-League-Sieg 2007. „Wer Kaweh kennt, weiß, dass er mich nicht geholt hat, um Dritter zu werden." Paul Carroll konstatiert: „Wir als Spieler haben die Leistung nicht gebracht. Wir mussten aufwachen, und dieser Schock, den der Trainerwechsel mit sich brachte, ist vielleicht genau das, was wir brauchten." Moculescu mache, so Carroll weiter, „spezifische Ansagen". Die Zeit der langen Leine ist nun vorbei. Gleichzeitig gibt Moculescu allen das Gefühl, gebraucht zu werden. Er wechselt viel, bringt im Rückspiel gegen Frankfurt für Robert Kromm Adam White, der gleich MVP wird, setzt aber auch die Doppellizenzler wie Linus Weber ein. Bessere Annahme, bessere Aufschläge, mehr Mut, auch wenn mal Fehler passieren, so das Credo des neuen Coachs. Schon gegen Kazan stimmten „Hierarchie und Ordnung" wieder, so Niroomand. Ein Satzgewinn gegen das beste Team der Welt, das passt. Das 3:1 gegen Frankfurt ohnehin. Und gegen die Bergischen Volleys am 21. Februar in Berlin (MVP Egor Bogachev, unter Reynolds fast nie eingesetzt) sowie in Innsbruck am vergangenen Samstag bei Haching gewann man jeweils extrem überzeugend 3:0. Es scheint, Stelian Moculescu ist der richtige Mann zur rechten Zeit am rechten Ort.
Am Ende der Spielzeit muss Kaweh Niroomand wieder eine Entscheidung treffen: „More Mo" oder erneuter Trainerwechsel. Zurzeit ist beiden, Moculescu und Niroomand, nichts zu entlocken. Auffällig ist es aber schon: Mit Aíto bei Alba (71 Jahre jung), Velimir Petković bei den Füchsen (61) und Stelian Moculescu (67) sind drei Berliner Top-Teams erfolgreich. Alba hat seit Langem wieder Meisterambitionen, die Füchse ebenfalls, träumen auch vom erneuten EHF-Pokal-Gewinn – und bei den BR Volleys ist man wieder auf Kurs Meisterschaft. Vielleicht wäre der Feuerwehrmann als Dauerlösung gar keine so schlechte Idee.