Die Wasserballer aus Spandau spielen international die beste Saison seit vielen Jahren. Eine gute Nachricht. Doch diese zu verbreiten, fällt den Berlinern weiterhin schwer.
Im deutschen Wasserball tobt ein Verdrängungswettkampf. Es geht um Platz eins, den Platz an der Sonne. Die bislang unangefochtenen Sonnenkönige aus dem Berliner Stadtteil Spandau siegen und feiern seit fast 40 Jahren nach Belieben auf der nationalen Ebene. Die wenigen Ausnahmen bestätigten bislang die Regel. Die erfolglosen Jahre sind deutlich schneller aufgezählt als die erfolgreichen: Seit 1979 wurde Spandau 04 nicht Meister in den Jahren 1993, 2006 und 2013. Beachtet werden muss hier ausdrücklich das kleine Wörtchen „nicht". Marktbeherrschende Position wird das in anderen Branchen genannt, was die Spandauer seit vielen Jahren zelebrieren. Auch in diesem Jahr sieht es bei der Vergabe der Deutschen Wasserball-Meisterschaft wieder gut aus.
Trotzdem senkt sich langsam aber stetig ein Schatten über die Berliner. Sein Name: Waspo 98. Das sind die Wassersportfreunde aus dem hannoverschen Stadtteil Linden. Der freche Emporkömmling hat jede Menge Vizemeisterschaften in der Vita, lediglich 1993 konnten sie die Meistertrophäe in den Händen halten. Im Jahr 2001 waren sie nach Auskunft der eigenen Homepage „Meister der Herzen". Doch damit werden die Niedersachsen sich in den nächsten Jahren definitiv nicht begnügen. Die Hannoveraner spannen ihren Schirm zunehmend breiter über die Berliner und reklamieren eine unangefochtene Spitzenposition in Deutschland. Sie können es bereits jetzt kaum erwarten, sich im Glanze eines weiteren Meistertitels zu sonnen.
Aus sportlicher Sicht handelt es sich auf nationaler Ebene momentan um ein Patt mit offenem Ausgang. Waspo Hannover konnte zu Beginn der Saison den deutschen Supercup im Revier der Spandauer, der Schwimmsporthalle in Schöneberg, für sich entscheiden. Das war ein erstes Ausrufezeichen. Spandau 04 konterte mit einem Auswärtssieg in Hannover-Linden – zu einem Zeitpunkt, als viele Experten Waspo bereits in der Favoritenrolle sahen. Jetzt war klar, die Berliner würden nicht kampflos aufgeben. Das nationale Patt stellte Waspo allerdings mit einem Sieg im Rückspiel in Berlin wieder her. Die Spannung im Finale um die Deutsche Meisterschaft ist garantiert.
Hannover reklamiert Spitzenposition
Den eigenen Ansprüchen hinterher hinken die Hannoveraner im internationalen Vergleich. Auch sie spielen wie die Berliner in der Wasserball-Champions-League, nur: Hier läuft es bescheiden. Die Qualifikation für das Finale der besten acht Mannschaften haben die Sportler aus der Landeshauptstadt wohl bereits verpasst. Spätestens mit der Heimniederlage gegen den europäischen Spitzenclub aus Piräus in der letzten Woche ist der Zug abgefahren. Bei den Kollegen von Sport 1 klingt diese Nachricht so: „Die Wasserballer von Waspo 98 Hannover haben in der Champions League die Überraschung gegen Olympiakos Piräus verpasst." Außerdem zeigt die Online-Plattform eine dreieinhalb-minütige Zusammenfassung des Auftritts in der Lindener-Schwimmsporthalle. „Sehr achtbar aus der Affäre gezogen", lautete das Urteil des Kommentators nach der 7:12-Niederlage. Man könnte auch sagen: Die Niedersachsen blieben komplett chancenlos.
Anders Spandau 04: Sie haben an diesem Abend gewonnen. Der Konkurrent Steaua Bukarest aus Rumänien wurde in Schöneberg mir 11:9 bezwungen. Das „Final 8" nimmt trotz fünf verbleibender Spiele in der europäischen Spitzenklasse bereits konkrete Formen an. Ein bahnbrechender Erfolg, der einem deutschen Team zuletzt 2002 gelang. Sein Name: Spandau 04. Das Problem der Berliner: Gesehen hat es keiner, abgesehen von den 250 Zuschauern in der Schöneberger Schwimmsporthalle. Keine Liveübertragung, kein Zusammenschnitt auf Sport 1. Selbst die eigene Seite wasserball-helden.de blieb stumm.
Eins wird deutlich: Spandau 04 hat ein Vermittlungsproblem. Im steten Strom der Sportnachrichten spielen die besten deutschen Wasserballer keine Rolle. Nur: Warum schafft Waspo 98 das?
Die Spandauer haben in dieser Saison ihre sportlichen Defizite im Kader behoben. Die Mannschaft sei insgesamt die beste des Jahrtausends, wie Präsident Hagen Stamm, die Spielerlegende aus den 80er-Jahren, unlängst verkündete. Seine Zeiten als Spieler klammerte er trotz epochaler Begrifflichkeit mit einem Augenzwinkern aus. Sein Sohn Marko, aktueller Teamkapitän der Spandauer, präzisierte die Aussagen seines Vaters vor einigen Wochen in einem Interview für die „Berliner Zeitung". Dort pries Marko Stamm die neue Ausgeglichenheit seiner Mannschaft. Jüngere und ältere Spieler würden in diesem Jahr besser zusammenarbeiten, eine Grüppchenbildung, wie sie in den Jahren zuvor durchaus vorkommen konnte, ist passé. Jeder könne mit jedem auch mal einen Kaffee trinken. Zudem haben die Berliner sich für die neue Saison bis zur Decke gestreckt und sich etwas geleistet: Tiberiu Negrean. Er war ein Wunschspieler von Präsident Stamm. Der Nationalspieler kam vom rumänischen Dauerchampion Oradea. Laut Spandau-04-Trainer Petar Kovacevic sei er „einer der besten Konterspieler in Europa".
„Einer der besten Konterspieler in Europa"
So weit, so gut. Der Kader wurde sinnvoll ergänzt – doch medial sind die Berliner weiterhin zurück. Die Vermittlung von guten Nachrichten ist dabei nur eine Seite. Auch der sportpolitische Einfluss der Erfolgsfamilie Stamm, mit Spandau-Präsident Hagen und seinem Sohn Marko als Teamleader, scheint zu schrumpfen. Hans Peter Röhle, einst auch ein erfolgreicher Wasserballer, ist als Teammanager der Dritte im Bunde. Wer von ihnen kontinuierlich Presse und Medien begleitet ist momentan nicht erkennbar. Persönliche Statements am Beckenrand sind erfreulich und familiär, aber nicht mehr ausreichend.
Vielleicht haben die Spandauer sich darauf verlassen, dass im Wasserball alles so bleibt, wie es einmal war. Vielleicht fehlt den engagierten Ehrenamtlern schlicht die Zeit. Die Konkurrenz aus Hannover jedenfalls macht deutlich, mit welchen Ideen und Bandagen inzwischen gekämpft wird –
medial wie politisch. Waspo findet nicht nur im Internet statt, die Hannoveraner richten außerdem das Finale der Champions League 2019 und 2021 in der niedersächsischen Landeshauptstadt aus. Eine automatische Qualifikation für das „Final 8" inklusive – die große Chance, Spandau dauerhaft zu übertrumpfen und den Berlinern den Rang abzulaufen.
Trotz sportlich guter Arbeit – der Schatten über Spandau wird größer.