Mehr Pflegekräfte und mehr Geld – laut Koalitionspapier will die kommende Große Koalition die Bereiche Gesundheit und Pflege entlasten. Das kommt gut in der Branche an, vor allem die Ausgliederung der Personalkosten aus den Fallpauschalen der Krankenhäuser. Dennoch gibt es Kritik.
Alfons Vogtel, Geschäftsführer des Gesundheitskonzerns Saarland-Heilstätten GmbH (SHG):
„Wir sind zunächst einmal begeistert davon, dass zum ersten Mal in dem Entwurf eines Koalitionsvertrages, er ist ja noch nicht unterschrieben, Krankenhaus und Pflege an prominenter Stelle vorkommen. Das, was dort vorgeschlagen ist, von dem wir hoffen, dass es umgesetzt wird, ist für uns aus zwei Gründen wichtig: Erstens einmal aus dem DRG-System, also aus dieser Ermittlung von Fallpauschalen, wird der Personalbereich ausgegliedert und es wird auch in Zusammenhang mit Personalmindestzahlen dann zu einer Vollvergütung geregelt. Damit ist eine unserer Grundforderungen erfüllt, wonach zunächst eine Refinanzierung sicher sein muss, bevor wir handeln. Der zweite Punkt, der für uns von Bedeutung ist, ist der Tatbestand, dass bei der Verhandlung der Budgets die Erhöhung der Personalkosten tatsächlich in vollem Umfang refinanziert wird, das heißt also nicht so wie früher – wenn es zum Beispiel im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) jetzt freigegriffen eine Gehaltserhöhung von 2,5 Prozent gab, sind dann 0,9 Prozent bei uns angekommen – jetzt wird garantiert werden, dass der volle Betrag vergütet wird. Das hilft uns erheblich weiter und wird auch zu einer echten Entlastung für Pflegekräfte in Krankenhäusern. Damit würde ein wichtiger Schritt getan werden."
Ursula Hubertus, Vorsitzende im Dachverband der Pflegeorganisationen und Hebammenwesen im Saarland (DPO):
„Ich finde, der Koalitionsvertrag ist eine Chance. Gerade was die Finanzierung der Krankenhäuser angeht, da dieses Koalitionspapier auch zulassen könnte, dass die ganzen Kosten für das Pflegepersonal außerhalb des DRG-Finanzierungssystems positioniert werden. Was das für die Pflegenden vor Ort bedeutet, ist, dass wir nicht mehr in den Kalkulationen des DRG eingeengt sind, sondern dass man sich jetzt wirklich in Ruhe darauf vorbereitet, dass man ein Personalbemessungsinstrument findet, welches eine faire und gerechte Personalbesetzung zum Schutze unserer anvertrauten Patienten bekommt. Aus unserer Sicht könnte man die Selbstverwaltung der Pflegenden mehr ausbauen, weil ich der Meinung bin, dass es ganz wichtig ist, dass die Pflege mit allen Beteiligten der Selbstverwaltungspartner, sprich Krankenkassen, Krankenhäuser, Ärztekammer und Bundesministerium für Gesundheit, dass auch an diesem Tisch die Pflege mit sitzt. Sie ist mit über 1,3 Millionen einfach die stärkste Berufsgruppe im Gesundheitswesen und hat das wenigste Mitspracherecht in der Vergabe von Geldern."
Beatrice Zeiger, Geschäftsführerin der Arbeitskammer:
In Sachen Pflege begrüßt die Arbeitskammer des Saarlandes die Absicht der Koalitionspartner, sich durch eine „konzertierte Aktion Pflege" für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einzusetzen.
„Mit der Forderung nach einer flächendeckenden Bezahlung nach Tarif und der Einführung von Personaluntergrenzen finden sich zentrale Forderungen der Arbeitskammer im Koalitionsvertrag", so Beatrice Zeiger. „Die Lösung dieser beiden Problemlagen sind zentral für eine Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe", so Zeiger weiter. Auch die Reform der Pflegeversicherung mit den Pflegestärkungsgesetzen weist in die richtige Richtung.
Es müsse allerdings aus Sicht der Arbeitskammer sichergestellt werden, dass die Kosten für Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Pflege auch vollständig von Bund oder Kassen getragen werden und nicht zu Lasten der pflegebedürftigen Menschen gehen. Personalmangel und knappe finanzielle Mittel seien die zwei zentralen Probleme, die gelöst werden müssen. Die Zusage, im Rahmen eines Sofortprogramms für mehr Personal 8.000 neue Fachkraftstellen zu schaffen, könne dabei nur ein Anfang sein. „Zum einen muss allen Verantwortlichen klar sein, dass heruntergebrochen auf die Pflegeeinrichtungen vor Ort der geplante Personalzuwachs noch nicht zu spürbaren Verbesserungen führen wird. Zum anderen sind weitere, von der Politik getriebene Maßnahmen erforderlich, sollen Menschen für den Pflegeberuf begeistert und die Ausbildungskapazitäten erhöhen werden."
Michael Quetting, Gewerkschaftssekretär Verdi:
„Die Bewertung des jetzt vorliegenden Papieres ist nicht so ganz einfach. Das Bestimmende dabei ist, dass wir auch Weiter-so-Politik machen. Und Weiter-so-Politik bedeutet auch, dass für die Bereiche Pflege und die Bereiche Care-Arbeit nicht ausreichend Geld zur Verfügung stehen. Zu kritisieren ist auch, dass es keine Ansätze gibt, dieses in eine Richtung umzuverteilen. Wenn ich also nichts Grundlegendes ändere, an der Besteuerung zum Beispiel, werde ich das Problem nicht los. Wenn ich jetzt ganz exakt den Bereich Gesundheitswesen und Pflege betrachte, so nehme ich sehr wohl wahr, dass dort in Nuancen auch Signale gesendet werden, etwas zu verbessern. Wenn ich 8.000 Stellen in Deutschland für die Altenpflege anvisiere, dann bedeutet das eben 0,6 Stellen pro Heim. Das ist natürlich verdammt wenig. Wenn ich aber anvisiere zu sagen, ich nehme die Kosten der Pflege in der Krankenhausfinanzierung aus dem DRG-System (das Fallpauschalensystem der deutschen Ärzteschaft, Anm. d. Red.) raus, dann ist das positiv, wenn dann auch tatsächlich erfolgen sollte, dass die tatsächlichen Kosten der Pflege auch bezahlt werden. Das kann ich jetzt in dem Papier aber noch nicht erkennen. Aber den Ansatz finde ich nicht ganz und gar nicht verkehrt. Der kann in eine richtige Richtung gehen. Ob er das wird und ob er das mit Jens Spahn wird, das weiß ich nicht. Ich finde es beeindruckend, dass es gelingt, ein Stück der paritätischen Finanzierung wieder etwas zurückzudrehen, was vorige Bundesregierungen, sage ich mal, verschlechtert haben. Das ist ein wichtiger Ansatz. Es gibt dort Ansatzpunkte, die lassen hoffen, die müssen aber auch in eine richtige Wegrichtung gebracht werden. Ob es der Fall sein wird, werden wir erst wissen, wenn es umgesetzt wird."