In ihrem Buch „Das Kleiderschrank-Projekt“ als auch im Interview gibt Anuschka Rees unter anderem Tipps zur Findung des eigenen Stils und zur Vermeidung von Fehlkäufen.
Frau Rees, Sie arbeiten als freie Autorin. Wie sind Sie zur Stil-Beraterin geworden?
Ich würde mich selbst nicht als Stil-Beraterin bezeichnen, denn ich empfehle Frauen nicht, was genau sie anziehen sollen, was gut aussieht und so weiter. In meinem Buch geht es ja genau darum, wie man es schafft, nicht mehr nur ständig in Sachen Mode auf andere zu hören und stattdessen seinen eigenen Geschmack voll auszuleben. Ich habe eigentlich Psychologie studiert, und im Grunde ist mein Buch auch eher im Self-Help-Genre anzusiedeln als bei Mode-Ratgebern.
Warum haben viele Frauen trotz vollem Kleiderschrank nichts anzuziehen?
Ein großes Problem ist sicherlich die Wegwerf-Mentalität, die viele Leute heutzutage haben. Jedes einzelne Teil ist nicht viel wert, nicht nur monetär gesehen, sondern auch im Gesamtkontext vom überlaufenden Kleiderschrank. Und weil jedes einzelne Teil keinen großen Wert hat, haben wir kein Problem damit, auch Kleidung zu kaufen, die nicht richtig sitzt, kratzt, uns gar nicht so gut gefällt, aber vielleicht im Angebot oder gerade trendy ist. So wird der Kleiderschrank immer voller, aber so richtig gefällt uns nur wenig. Also muss wieder geshoppt werden, und der ganze Kreislauf geht von vorne los.
Wie entdeckt man seinen ganz eigenen Stil abseits vom Einheits-Look?
Gegen den Einheits-Look spricht rein gar nichts, wenn er einem gefällt. Der „eigene Stil“ heißt nichts weiter als die eigenen Vorlieben in Bezug auf Farben, Schnitte, Materialien und so weiter. Wenn sich jemand in Jeans und T-Shirt am wohlsten fühlt, dann ist das eben sein eigener Stil. Viele Leute sind sich den eigenen Vorlieben aber gar nicht bewusst, weil sie jahrelang Trends hinterhergerannt sind oder beim nächsten Fast-Fashion-Geschäft einfach immer etwas auf die Schnelle gekauft haben. Dabei ist es nicht besonders schwierig, den eigenen Stil zu finden, und wer gern kreativ ist, dem macht es auch Spaß. Ein erster Schritt kann schon sein, sich einfach mal genau zu überlegen, inwiefern sich die persönlichen Lieblingsteile von den Fehlkäufen unterscheiden. Danach kann man online auf Inspirationssuche gehen.
Was ist von Farb- und Figurentypen oder Must-have-Listen zu halten?
Von Figurentypen halte ich gar nichts, weil die Grundidee dahinter vermittelt, dass es wichtiger ist, dem Schönheitsideal zu entsprechen, als Spaß an Mode zu haben oder die eigene Persönlichkeit auszudrücken. Das Wort „vorteilhaft“ bedeutet ja nichts anderes als „lässt dich dünner erscheinen“, und das sollte nun wirklich nicht das Hauptziel sein. Genauso wenig wie „trendy sein“. Deswegen bin ich auch kein Fan von Must-have-Listen.
Wo shoppt man am besten – im Laden oder online, wo man die Sachen zu Hause in Ruhe anprobieren kann?
Vielen Leute fällt es zu Hause leichter, gut überlegte Entscheidungen zu treffen. So kann man ein paar Nächte drüber schlafen und den Neuzugang in verschiedenen Kombinationen testfahren. Ich persönlich kaufe meistens online, weil ich dann sehen kann, wie bestimmte Teile angezogen aussehen. Aber viele mögen das Bummeln durch die Innenstadt auch und verbringen lieber mehr Zeit in der Umkleidekabine, statt sich später mit Retouren rumschlagen zu müssen. Jedem das Seine!
Welche Fragen sollte man sich beim Shoppen stellen, um Fehlkäufe zu vermeiden?
Gefällt mir das Teil uneingeschränkt, sodass ich es am liebsten gleich anziehen möchte? Sitzt es an allen Stellen so, wie es sitzen soll? Kann ich mich frei bewegen, ohne dass etwas einschneidet, kratzt oder runterrutscht? Fallen mir direkt mehrere Kombinationsmöglichkeiten ein? Klar, all das abzuklären ist anstrengender, als sich einfach etwas von der Stange zu schnappen und auf das Beste zu hoffen. Aber auf lange Sicht spart es eine ganze Menge Geld, Stress und Energie, weil man plötzlich so zufrieden ist mit dem eigenen Kleiderschrank, dass man nichts Neues mehr braucht.
Sind Spontankäufe immer schlecht?
Nein, überhaupt nicht. Wenn man sich einmal darüber im Klaren ist, welche Farben, Schnitte, Details und Stoffe einem am besten gefallen, sieht man sofort, ob etwas ein Fehlkauf wäre oder ein neues Lieblingsteil.
Ihre Devise lautet „Qualität statt Quantität“. Wie erkennt man gute Qualität auf den ersten Blick? Sind hochpreisige Stücke wirklich besser?
Der Preis ist oft kein guter Indikator für die Qualität eines Kleidungsstücks. Es gibt gut verarbeitete günstige Teile, aber auch Stücke für 300 Euro, die nach dem zweiten Waschgang auseinanderfallen. Auch innerhalb einzelner Marken kann es große Qualitätsunterschiede geben. Deswegen sollte man vor jedem Kauf einen Blick auf die Nähte des Teils werfen, auf die sonstige Verarbeitung und den Stoff natürlich. Wenn sich der Stoff angenehm auf der Haut anfühlt, ist das schon die halbe Miete.
Womit sind Sie aktuell beschäftigt?
Vor Kurzem habe ich zusammen mit meinem Team vom Verlag „Das Kleiderschrank-Projekt Praxisbuch“ fertiggestellt, das ab sofort im Handel erhältlich ist. Aktuell arbeite ich an meinem nächsten Buch, in dem es um Selbstbewusstsein und Körperideale im Social-Media-Zeitalter geht.