Kaum war die Kabinettsliste offiziell verkündet, eilten Außenminister Heiko Maas und die designierte SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles von Berlin ins Saarland. Ein lange geplanter Parteitag der Saar-SPD wurde zum ersten Stimmungstest zur neuen GroKo.
Dass sein Abschiedsparteitag so ausfallen würde, hätten sich weder Heiko Maas noch die SPD-Genossen an der Saar zuvor träumen lassen. Was eigentlich als geordnete Staffelübergabe von langer Hand vorbereitet war, geriet unversehens zu einem bundesweiten Ereignis. Das zeitliche Zusammentreffen gleicht einer Reihe von Entwicklungen und machte den Parteitag im saarländischen Dillingen zu einer Art allerersten Test für den Zustand der SPD nach dem Mitgliedervotum und der Präsentation der Kabinettsmitglieder. Und das fast auf den Tag genau ein Jahr, nachdem im Endspurt zur saarländischen Landtagswahl, dem Auftakt zum Mammutwahljahr 2017, für die SPD dank Schulz-Hype alles erreichbar schien. Es wurde bekanntlich nichts aus einem bärtigen Kanzler.
Mühsam hat sich die SPD zur Regierungsverantwortung durchgekämpft und der Saarländer Heiko Maas eine Karriere hingelegt, die ihm, nach drei verlorenen Landtagswahlen im Saarland, niemand ernstlich zugetraut hätte. „Einfach nur stolz“, beschreibt Volker Weber, einst Parteisprecher von Maas und heute Bürgermeister der Gemeinde Marpingen, beim Auftritt des in diesem Moment noch designierten Außenministers seine Befindlichkeit. Ein anderer Delegierter wettert über die eigene Parteispitze: „Die in Berlin machen doch gerade so weiter wie bisher.“ Der gestandene Kommunalpolitiker macht keinen Hehl daraus, dass er gegen die GroKo-Neuauflage votiert hat. Beide stehen symbolisch für den Zustand der Partei.
„SPD reloaded müssen wir schon selber“
Viel ist auf diesem Parteitag von „Erneuerung“ die Rede. Nur was darunter zu verstehen ist, lässt sich allenfalls in Ansätzen erkennen. In den 18 Jahren als Landesvorsitzender habe Heiko Maas acht Bundesvorsitzende erlebt, betont die neue Landeschefin Anke Rehlinger in einer Würdigung. Eine abgekämpft wirkende Andrea Nahles hat es aufmerksam registriert. Neu ist ihr das natürlich nicht. „SPD reloaded müssen wir uns schon selbst erarbeiten“, ruft sie den rund 300 Saar-Delegierten und zahlreichen Gästen zu und kündigt eine „grundlegende Sozialstaatsdebatte“ an. Applaus ist ihr dafür sicher, auch wenn es bei der Leerformel bleibt.
Rehlinger wird in einer kämpferischen Aufbruchrede grundsätzlich: „Erneuerung wird niemandem mit der Post zugestellt.“ Dabei ist ihr klar, dass das neue Lieblingswort von der Erneuerung jetzt „Projektionsfläche für alle Sehnsüchte und Wünsche“ ist. Heißt im Umkehrschluss: Enttäuschungen sind folglich vorprogrammiert auf dem Weg zurück zur „starken, selbstbewussten Volkspartei“.
Für die SPD im Bund wie im Saarland gilt: „Gut regieren und erneuern“, wie Rehlinger die Doppelaufgabe in den Großen Koalitionen beschrieb. Aus der bisherigen Erfahrung, wonach der Juniorpartner am Ende den Kürzeren zieht, hat die SPD im Bund wie im Land eine neue strategische Aufstellung entwickelt. Im Bund lässt sich die designierte Vorsitzende nicht in die Kabinettsdisziplin einbinden, behält aber als Fraktionschefin die Fäden in der Hand. Im Saarland, wo Rehlinger als Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin am Kabinettstisch sitzt, soll der Bundestagsabgeordnete Christian Petry als Generalsekretär der Stimme der Partei stärkeres Gehör verschaffen. Ein Experiment, um auf die Zwitterherausforderung zu reagieren, mit hohem Konfliktpotenzial. Das hat auch Heiko Maas vor sich, wenn auch jetzt auf anderer Ebene.
Strategische Personalaufstellung
Über seine Interpretation der künftigen Aufgaben im neuen Amt war ihm am Rande des Parteitags nichts zu entlocken. Ohne die Ernennungsurkunde in der Tasche gab er sich zurückhaltend, wissend, dass das neue Amt in einer anderen Liga spielt, jede Äußerung im Zweifel auf einer Goldwaage liegt. Dass der erste Weg unmittelbar nach der Vereidigung nach Paris führen wird, ist gute Tradition. Macron wartet schon seit Monaten darauf, wieder mit einer amtierenden und nicht nur geschäftsführenden deutschen Regierung reden zu können. Üblicherweise führte der zweite Weg für einen neuen deutschen Außenminister dann zu den Nachbarn nach Polen. Sollte das auch diesmal der Fall der sein, hat Maas bereits sein erstes großes Diplomatenstück vor sich. Schließlich hat er als Justizminister die polnische Justizreform deutlich kritisiert. Polen sieht sich einem EU-Vertragsverletzungsverfahren gegenüber, weil die polische Regierung durch die Reform die Unabhängigkeit von Richtern und die Neutralität des Verfassungsgerichts untergräbt. Eine Diplomatenweisheit sagt: Mit Freunden verhandeln ist leicht, wenn du was erreichen willst, musst du die schwierigen Gesprächspartner treffen.
Dass Maas, dessen Ernennung zum Bundesjustizminister vor vier Jahren ebenfalls eine Überraschung war, dem Ministerium wieder Gesicht und Kontur verliehen hat, wird auch von den Kritikern nicht in Abrede gestellt. Dass er das durchhält, hätten anfangs nur wenige geglaubt. Die neue Aufgabe ist ungleich fordernder. Maas selbst spricht von „großem Respekt“, schließlich sei es ein Amt, das schon Willy Brandt innehatte. Womit er zumindest andeutet, in welche Richtung sein Verständnis von der Aufgabe geht.