Klädesholmen und Skaftö gehören zu den 8.000 Inseln des Bohuslän Archipels an Schwedens Westküste. Wintergäste genießen dort Besinnlichkeit und viel Fisch.
Bei starkem Wind schaukelt das Zimmer, so heißt es. Vom Bett aus fällt der Blick durch große Fenster aufs Meer. Draußen auf dem Open-Air-Flur führt eine Leiter direkt ins Wasser. Doch an diesem Tag will sie niemand benutzen. Es platschen zwar nur ein paar Wellen gegen das schwimmende Hotel, aber die Luft hat nur fünf Grad Celsius. Nebel hängt über dem Skagerrak, und die Landschaft wirkt wie eine Schwarz-Weiß-Fotografie der 1950er-Jahre. Da dreht man sich gern noch einmal um. In der Ferne protestieren ein paar Möwen. Oder ist das nur Einbildung, weil ihre Schreie irgendwie dazugehören zum Meer, zum Norden, zu Skandinavien?
Das erste schwimmende Hotel in Schweden heißt Salt & Sill (Salz und Hering). Es dümpelt vor der Insel Klädesholmen an der Westküste von Tjörn in der Kommune Bohuslän, mit schweren Ketten verankert, damit es nicht ganz wegdriften kann. Über einen Steg erreicht man wieder festen Boden unter den Füßen. An der Mole lugen rote Bojen und die typisch roten Holzhäuser aus dem Morgengrau. Die Einheimischen mögen den Winter hier. „Für uns die schönste Jahreszeit, weil es so ruhig ist“, sagt Carina Petersson, die Managerin. Ihre orangefarbene Jacke und der bunte Schal scheinen das Wetter ein wenig aufpeppen zu wollen. Wenn der Nebel verschwindet, versichert sie, habe man ein ganz sanftes Licht.
Die Einheimischen mögen den Winter
Gemeinsam mit der Schwesterinsel Koholmen gehört Klädesholmen zu den 8.000 Inseln im Bohuslän Archipel. Die 385 Einwohner leben zum Großteil vom Fisch. Einst gab es 30 Fischfabriken. „Ende des 18. Jahrhunderts wurde so viel Fisch nach Paris geliefert, dass man mit dem daraus hergestellten Fischöl die ganze Stadt hätte erleuchten können“, sagt Jim Frisegård. Der schlanke Mann mit schwarzer Schürze um die Hüften arbeitet als Chefkoch im Hotelrestaurant, gleich an der Mole. „Später verschwand der Hering und damit die Lebensgrundlage der Einheimischen“, erzählt er. Heute kümmern sich noch vier Familien um das Fischgeschäft. 1983 wurde eine Brücke zum Festland gebaut, was den Transport sehr erleichterte.
Hering ist in Schweden nicht gleich Hering. Man legt ihn ein: in Dill-Senfsauce, in Meerrettichsoße, in Whisky oder gar in Holundersaft. Daraus entstehen zig verschiedene Geschmacksrichtungen. Jedes Jahr wird auf Klädesholmen eine Einlegeart zum Fisch des Jahres gewählt, diesmal schaffte es der „Hering in Anchovissoße“ auf Platz eins. Hering ist auch Hauptbestandteil auf jedem Buffet. Jim hat in diesem Jahr 36 verschiedene Sorten aufgetischt, im vergangenen Jahr waren es 43. „Schwer zu sagen, welche am besten schmeckt“, lacht er. Neben viel Hering und Lachs gibt es auch „Lutfisk“ (eingelegter Trockenfisch).
Ein paar Schären weiter liegt die Insel Skaftö. Vier Dörfer auf einer Fläche von neun mal fünf Kilometern. Eines davon ist Fiskebäckskil. Hier bietet Reine Patriksson seinen Gästen neben den vielen Heringssorten eine noch größere Auswahl Whiskys an. Von 1.600 Sorten sind 400 Sammlerstücke. Sein Restaurant Brygghuset (Brückenhaus) liegt direkt am Hafen. Dazu gehört ein Hotel, in dem Patriksson jedes Zimmer einem verstorbenen Einwohner von Skaftö gewidmet hat: Für Taxifahrerin Anna-Stina, die stets die Kinder in die Schule fuhr, hängt in Zimmer 1 an der Wand ein Schaukasten mit ihrer Uniform; für die Geschichte Göthe Karlssons, einem begnadeten Fischer, der einst einen Tsunami überlebte, erzählt ein großes Wandbild. Zimmer 8 erinnert an Regina, eine Frau mit außerordentlicher Kondition. Sie ruderte noch mit 80 Jahren auf dem Meer. Die Suite mit Blick aufs Wasser hat Patriksson seinem Urgroßvater gewidmet, der Fährmann war, als es noch keine Brücke zum Festland gab.
Die Wintergäste in Fiskebäckskil machen lange Spaziergänge am Wasser, besichtigen die alte Holzkirche auf dem Hügel und die Holländerwindmühle von 1854, die jetzt zum Kulturerbe gehört. Oder sie fahren mit dem Fischer zum Hummerfang hinaus. Wer will, leiht sich ein Kanu. Denn Kanufahren ist hier ein Ganzjahressport. Im Winter ziehen die Schweden dafür Neoprenzeug an, packen die Thermoskanne mit Glögg, einem skandinavischen Glühwein, oder Kaffee ein und steigen ins Boot. Kuschelig mag das nicht unbedingt sein, aber durch die Bewegung auf dem Wasser kommt man sogar ins Schwitzen. Auf einer morgendlichen Bootstour rückt die Natur ganz nah. Das Wasser ist ruhiger als im Sommer, das Licht tatsächlich sanfter. Man sieht Lummen und Tordalken – die sonst weiter nördlich leben. Die Tiere fühlen sich ungestörter und lassen die Boote näher an sich heran. So kann es passieren, dass plötzlich ein Seehund neben dem Kajak auftaucht. Zurück am Ufer warten dann eine dampfende Fischsuppe und eine heiße Sauna auf die Kanuten.
Auf Bootstouren rückt die Natur nah
Am Nachmittag gießt die Wintersonne ihr warmes Abschiedslicht über die Häuser am Ufer und lässt die roten Fassaden leuchten wie Liebesäpfel. Dahinter schmiegen sich hübsch verzierte Holzhäuser, weiß wie Zuckerwatte. Später dämmert es bläulich, und der Mond übernimmt die Regie – zusammen mit Hunderten Kerzen- und Schwippbögen, die nun hinter den Fenstern leuchten. Eine Lampe im Fenster gehört zur Winterzeit in Schweden wie der Fisch zum Büffet. Früher sollte das Licht Dämonen vertreiben und Fremden den Weg weisen, heute gibt es den Schären-Orten ein gemütliches Flair. Die Schweden haben eben nicht nur ein Faible für Fisch, sondern auch für Behaglichkeit.