Mit dem 0:0 gegen Freiburg bleibt Hertha BSC seit insgesamt fast 400 Minuten ohne Torerfolg und steht nun beim Abstiegskandidaten Hamburger SV unter Zugzwang.
Wie unterschiedlich ein 0:0 bewertet werden kann, haben die Spieler von Hertha BSC binnen 14 Tagen erleben müssen. Nach dem torlosen Unentschieden beim FC Bayern München war die Stimmung im Team und im Umfeld positiv. Vergangenes Wochenende folgte die nächste Nullnummer – diesmal zu Hause gegen den SC Freiburg und naturgemäß war die Stimmung deutlich schlechter. Nach dem Abpfiff waren jedenfalls Pfiffe aus dem Rund des mit knapp 39.000 Zuschauern gefüllten Olympiastadions zu vernehmen. Schließlich wollten die Berliner in der Rückrunde endlich durchstarten – gerade angesichts der folgenden Spiele gegen den Hamburger SV und den VfL Wolfsburg sollte eine positive Serie eingeläutet werden. Dabei hatte sich Pal Dardai gegen Freiburg für eine offensivere Ausrichtung entschieden: Der Hertha-Trainer gab in der Sturmzentrale Vedad Ibisevic den Vorzug vor Davie Selke, da der Bosnier die besseren Strafraumqualitäten mitbringt. Es war erst Ibisevic’ zweiter Startelfeinsatz in den letzten sechs Spielen – der andere beim 0:2 gegen Mainz endete dazu mit seiner frühen Auswechslung wegen eines Nasenbeinbruchs. Dazu verdrängte Mitchell Weiser auf der Außenbahn Mathew Leckie auf die Ersatzbank. Dort hatte Weiser zuletzt zweimal selbst Platz nehmen müssen – obwohl in der Vergangenheit meist die Devise galt, dass der U21-Europameister von 2017 spielt, wenn er verletzungsfrei ist. Die in der Spieleröffnung starken Arne Maier und Fabian Lustenberger auf der Doppel-Sechs und wie zuletzt Valentino Lazaro im offensiven Mittelfeld sowie Salomon Kalou auf der linken Außenbahn sollten für den nötigen Druck auf den SC Freiburg sorgen.
Die Taktik schien zunächst aufzugehen: Hinten ließ Hertha BSC nichts zu und verstärkte dann seine Offensivbemühungen nach etwa einer Viertelstunde. Gerade die neu ins Team gekommenen Weiser und Ibisevic standen dabei im Mittelpunkt. Ersterer hatte binnen 60 Sekunden gleich zwei vielversprechende Abschlüsse: Erst parierte Freiburgs Torwart Schwolow einen Schuss von Weiser spektakulär, dann verfehlte der Berliner das gegnerische Gehäuse knapp. Nur wenig später dann vergab ausgerechnet Ibisevic nach Vorarbeit von Lazaro die größte Chance, als er den Ball aus kurzer Distanz nicht mehr im Tor unterbringen konnte. Wer dem Hertha-Kapitän, der am Ende auch in seinem neunten Einsatz in Folge nicht traf, einen Vorwurf machen wollte, tut ihm damit allerdings Unrecht – denn so genau war das Zuspiel dann doch nicht adressiert. Der Bosnier zeigte sich trotz der gerade erst überstandenen Blessur kampfstark wie eh und je und ließ sich nicht entmutigen – auch, nachdem er aus spitzem Winkel in Schwolow seinen Meister gefunden hatte. Der hohe Aufwand, den die Herthaner ohne zählbaren Erfolg betrieben, forderte in der Folge allerdings seinen Tribut. Weniger von der Physis, als von der Psyche her – bis zur Pause bekam der Gegner Dardais Schützlinge jedenfalls besser in den Griff. Nach dem Wechsel dann ergriff der Ungar schnell Maßnahmen, um der zunehmenden Ideenlosigkeit seiner Mannschaft entgegenzuwirken. Nach einer knappen Stunde wechselte er gleich doppelt aus: der ausgepowerte Ibisevic und der wenig in Erscheinung getretene Kalou verließen den Platz, Davie Selke und Ondrej Duda sollten den Berliner Bemühungen noch mal Schwung und Kreativität verleihen. Nur wenig später machte dann Maier Platz für den erfahrenen Vladimir Darida, dem Dardai gegen seinen Ex-Verein aus Freiburg vielleicht noch eine Wendung zutraute.
Eine gewisse Ratlosigkeit
All diese Veränderungen brachten allerdings nichts ein – außer dass die Hausherren wieder etwas dominanter auftraten. Vor dem Tor allerdings sollte bis zum Schluss „Windstärke 0" herrschen, und so wurde es (wieder) nichts für Hertha BSC: Auch in der vierten Partie in Folge kein Treffer, kein Befreiungsschlag in der Tabelle, kein zweiter Sieg im neunten Rückrundenspiel. Andererseits hätten die Blau-Weißen am Ende sogar mit leeren Händen dastehen können, wenn die Freiburger in der Schlussphase nicht so ungeschickt in ihren Offensivbemühungen gewesen wären. Das resümierte auch Pal Dardai nach der Partie. Es fehlt allerdings im Umfeld für die Vorstellung, am Ende mit einem Heimpunkt gegen einen Underdog zufrieden sein zu müssen immer mehr an Verständnis. Und so ist der nächste Gegner am Sonnabend, der Hamburger SV, der vielleicht undankbarste in dieser Situation. Nur 18 geschossene Tore in 26 Spielen, ebenso magere 18 Punkte – so die Zwischenbilanz der dauerkrisengeschüttelten Hanseaten. Ein Team also, gegen das man kaum gut aussehen kann –
es sei denn, man verfügt über hoch qualifiziertes Personal, wie es der FC Bayern beim 6:0 letzten Sonnabend auf dem Platz hatte. Aber selbst der Rekordmeister verlor phasenweise die Lust gegen einen chancenlosen Widersacher. Die Aussicht auf eine solche Chance – vielleicht die letzte in dieser Spielzeit – dürfte Hamburgs Interimstrainer Christian Titz seinen Spielern in dieser Woche allerdings noch mal eingeimpft haben. Und gegen kämpferische, mit einfachen Mitteln agierende Mannschaften tat sich Hertha BSC zuletzt sehr schwer.
Die ganze Schwierigkeit der Lage kommt dazu in der Torflaute zum Ausdruck: Mit vier Treffern in neun Rückrundenspielen hat Dardais Team in diesem Zeitraum nur einen mehr als der Hamburger SV erzielt. Das ist – keine Überraschung – der zweitschlechteste Wert der Bundesliga. Immerhin haben diese wenigen Tore aber noch für acht Punkte gereicht. Doch diese Rechenspiele zählen vor einer Partie bei einem designierten Absteiger nicht. Vielmehr heißt es kurz und bündig: kein Tor, ein Punkt in Hamburg – das ist zu wenig. Die oft wenig druckresistente Hertha-Elf wird so an der Alster ein anderes Gesicht zeigen müssen. Pal Dardai verwahrte sich nach dem Freiburg-Spiel in diesem Zusammenhang gegen die Kritiker der Torlosserie und erwähnte im Gegenzug die bereits erzielten 30 Treffer. Trotzdem herrscht derzeit rund ums Berliner Olympiastadion eine gewisse Ratlosigkeit. Ein Ausdruck davon war etwa die Ankündigung des Trainers, in dieser Übungswoche mal die Tore wegzulassen, um vielleicht zur Zielstrebigkeit zu finden. Ansonsten, so Dardai, wolle er so weiterarbeiten wie bisher und seine Spieler nicht von außen verunsichern lassen: „Irgendwann wird der Punkt kommen, an dem wir die Tore machen", so der Ungar – am besten gleich am Sonnabend in Hamburg.