Die Eisbären machen sich Hoffnung auf das Finale um die Deutsche Meisterschaft – nicht unrealistisch, nach einer starken Hauptrunde.
Über hundert Punkte in der Hauptrunde, Platz zwei und das beste Abschneiden seit acht Jahren: Die Eisbären Berlin wittern wieder Morgenluft. Sind die dürren Jahre vorbei, folgen wieder fette? „Ich bin überzeugt, dass wir die Mannschaft haben, um das Finale zu erreichen", sagt jedenfalls Stephane Richer, der Eisbären-Sportdirektor im großen Interview der „Berliner Morgenpost". Das ist sicherlich mehr als Zweckoptimismus, doch auch Richer räumt ein, dass für ein Happy End in der aktuellen Saison alles stimmen, alles Gute zusammenkommen muss: „Ich bin auch Realist, und die Münchener bleiben als Hauptrundensieger und Deutscher Meister der letzten beiden Jahre für mich der Favorit."
Gemeint sind die Roten Bullen aus der bayerischen Landeshauptstadt, die seit einigen Jahren einen kalkulierten Erfolg nach dem anderen einfahren. Denn das Geld in München gibt nicht irgendwer, das Geld gibt Milliardär Dietrich Mateschitz. Er ist der Besitzer des Brauseherstellers Red Bull. Seinen ungehemmten Investitionen der letzten Jahre hatten die Eisbären aus Berlin wenig entgegenzusetzen. Das lag wiederum am Willen eines anderen Milliardärs, Philip Anschutz, dem Besitzer der Eisbären. Anschutz ist Amerikaner und nicht Österreicher wie Mateschitz. Über die räumliche Distanz hatte er das Interesse an seinem interkontinentalen Spielzeug in Berlin ein wenig verloren. Sieben Meisterschaften in neun Jahren – was will man mehr. Das finanzielle Engagement Anschutz’ bei den Eisbären ließ nach, der Erfolg auch. In die Lücke stießen die Münchener mithilfe ihres Gönners Mateschitz. Seitdem wird an der Isar geklotzt und nicht gekleckert, die dritte Meisterschaft in Folge ist für dieses Jahr fest eingeplant. Anschutz musste entscheiden: Aus für die Eisbären oder Engagement wieder nach oben fahren. Entschieden wurde ein Joint Venture mit Anschutz Stamm-Verein, den L.A. Kings aus Los Angeles. Ein wenig mehr Kleingeld für Spieler in Berlin gab es auch. Ob es dieses Jahr wieder für mehr als das Halbfinale reicht?
Wie weit die Roten Bullen aus Bayern bereits enteilt sind, konnte man nach dem epochalen Olympia-Silber der deutschen Eishockey-Cracks bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang begutachten. Die Eisbären präsentierten ihre drei Südkorea-Fahrer stolz dem eigenen Publikum. Frank Hördler, Jonas Müller und Marcel Noebels waren am Start beim ersten Heimspiel nach der Olympiade und wurden von den Fans ausgiebig gefeiert. Der Gegner, wie der Zufall es wollte waren die Bullen aus München. Und die traten nicht mit drei, sondern ohne sieben an. Denn die Münchener Olympiahelden hatten alle noch frei, es sind sieben an der Zahl. Drei zu sieben – eine stolze Schieflage in Sachen Nationalspieler zugunsten der Münchener. Und ein Zeichen dafür, dass Red Bull München in seiner eigenen Liga spielt. Das Spiel Ende Februar konnten die Eisbären 3:2 gewinnen. Daraus die Chancen auf die Meisterschaft abzuleiten wäre fahrlässig, zu weit haben sich die Münchener Bullen bereits entfernt. Vielleicht trifft man sich im Finale wieder. Dass die Berliner dann in der Best-of-Seven-Serie dreimal gewinnen könnten, hält die nationale Eishockey-Expertenschaft für ausgeschlossen.
„Besser als im vergangenen Jahr"
Doch jetzt geht es erst mal klein weiter. Der Gegner im Meisterschafts-Viertelfinale heißt Wolfsburg. Mitte dieser Woche begann bereits die Best-of-Seven-Serie, in der sich ein Team mit vier Siegen für die nächste Runde qualifiziert. In Wolfsburg ist alles ein bisschen weniger groß als in München oder Berlin: der Verein, die Stadt, das Stadion und natürlich auch die Anhängerschaft. Wie üblich werden die Berliner Auswärtsfans die Heimfans in Wolfsburg zahlenmäßig und stimmlich dominieren. Von ihren Spielern erwarten die Anhänger der Hauptstädter eine ebensolche Dominanz auf dem Eis.
In der Hauptrunde haben die Berliner drei der vier Spiele gegen die Grizzlys aus Wolfsburg gewonnen. Eine hohe Niederlage steht allerdings auch zu Buche. Stephane Richer sagt dazu in der „Berliner Morgenpost": „Wir werden Wolfsburg ganz sicher nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Grizzlys haben ein gutes Team mit viel Play-off-Erfahrung – das wird keine leichte Serie." Doch Richer gibt auch einen entscheidenden Hinweis für die Play-offs: „Im Play-off zählt nicht, was vorher war – da geht es jedes Mal wieder bei Null los."
Für Richer dürfte seine Feststellung mehr Hoffnung als Gefahr beinhalten. Denn die Null, von der er spricht, steht nicht nur gegen Wolfsburg oder einen anderen potenziell schwächeren Gegner im Halbfinale, sie stünde auch gegen die übermächtigen Bullen aus München in einem möglichen Finale. Stephane Richers Worte zielen genau auf diesen Umstand: „Ich glaube, dass wir mit dem Titelverteidiger durchaus mithalten können. Unser Team in dieser Saison ist besser als das, das im vergangenen Jahr im Halbfinale gegen München verloren hat."
Immer wieder null – das ist die Berliner Hoffnung. Und Richer wäre kein guter Eisbär, würde er nicht verbal genau in diese Kerbe schlagen. Er hält das Mantra des Ostberliner Eishockey-Clubs der letzten Jahre aufrecht: Wir wollen und wir können Meister werden – trotz offensichtlicher Nachteile im Kampf um den nationalen Titel. Den Staffelstab des verbalen Meistermachers hat Richer von Peter John Lee, dem Geschäftsführer der Eisbären, übernommen. Lee ging dabei allerdings weniger sensibel vor als Richer: Umso geringer die Chancen der Eisbären wurden, desto lauter trug der Kanadier seine Behauptung von der Wettbewerbsfähigkeit vor. Glaubwürdiger wurde sie dadurch nicht. Lee steht inzwischen weniger im Fokus der Öffentlichkeit und es obliegt Richer, die Eisbären-Sicht der Dinge zu kommunizieren. Und bei ihm beginnt ein Spiel „immer wieder bei null" – dagegen kann schließlich niemand etwas sagen.