Vor einem Jahr hat Frank-Walter Steinmeier die Nachfolge von Joachim Gauck als Bundespräsident angetreten. Die aktuellen politischen Entwicklungen sind fordernd.
Es war ein Jahr, das ganz anders verlief als erwartet. Schuld waren die Ereignisse nach der Bundestagswahl. „Wir müssen über Demokratie nicht nur reden – wir müssen wieder lernen, für sie zu streiten", hatte Steinmeier bereits bei seiner Antrittsrede das Motto seiner Präsidentschaft formuliert. Am 20. November letzten Jahres war Steinmeier durch die aktuelle Entwicklung gefordert, genau das zu tun. Die Sondierungen von Union, FDP und Grünen über eine Jamaika-Koalition waren gerade geplatzt, da trat Steinmeier im Berliner Schloss Bellevue vor die Kameras. Die zentrale Passage seiner kurzen Ansprache: „Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält."
Seiner Erleichterung nach dem positiven Votum der SPD-Mitglieder, das fünf Monate nach der Wahl endlich den Weg zu einer neuen Regierung freigab, war unverkennbar. Sein Appell an die neue GroKo war unmissverständlich: „Die Regierung ist gut beraten, genau hinzuhören und hinzuschauen, auch auf die alltäglichen Konflikte im Land – fern der Weltpolitik, wo Gewissheiten geschwunden sind und das Leben schwieriger geworden ist."
Genau hinschauen, wenn es um Gerechtigkeit geht, um Flüchtlingspolitik und Migration, Integration und Heimat. „Über all das brauchen wir ehrliche Debatten." Die setzt er selbst, etwa wenn er im „Forum Bellevue zur Zukunft der Demokratie" mit Dichtern und Denkern, etwa den Schriftstellern Salman Rushdie und Daniel Kehlmann diskutiert. „Die Freiheit des Denkens in unruhigen Zeiten" ist eines seiner Themen.