Aveleen Avide aus München zählt zu den bekanntesten deutschen Erotik-Autorinnen. Im Interview spricht die 52-Jährige über ihre Anfänge als Autorin, den Spaß an erotischen Geschichten und ihren Burn-out.
Frau Avide, welcher war der erste Text, den Sie geschrieben haben?
Belletristisch habe ich in der Tat zum ersten Mal geschrieben, als ich über „Die Schule des Schreibens" ein belletristisches Fernstudium machte.
Die erste Kurzgeschichte handelte von einem Weihnachten, bei dem man die bedrückende Atmosphäre und die Gewaltbereitschaft des Vaters merkt. Dass Schreiben vielleicht das Richtige für mich ist, erkannte ich an der Reaktion einer Freundin. Ich hatte ihr ab und zu von meinem gewaltbelasteten Elternhaus erzählt, woraufhin sie meist sagte: „Ach, das alte Zeug … das musst du doch mal vergessen." Als sie meine Kurzgeschichte las, weinte sie und fragte: „So schlimm war das? Das habe ich nicht geahnt." Ich: „Nein. Noch viel schlimmer. Das hat nur nicht zur Kurzgeschichte gepasst." Da merkte ich zum ersten Mal, dass ich mit Worten auf Papier wohl besser umgehen konnte, als in der direkten Sprache.
Wie kam es dazu, dass Sie begonnen haben, erotische Geschichten zu schreiben?
Dass ich schreiben sollte, war eine nächtliche Eingebung. Seit Jahren war nach dem New-Economy-Absturz 2000 mein Leben nur noch in eine Richtung gegangen, nämlich bergab. Bis hin zu einer tiefsten Depression. Heute weiß ich, dass es noch eher ein Burn-out gewesen war. Das ging also nun Jahr um Jahr bergab, und ich fragte mich jeden Tag, wie ich mein Leben noch aushalten sollte. Eines Nachts erhielt ich die Antwort im Schlaf: Nach nur wenigen Stunden Schlaf schreckte ich senkrecht aus dem Bett hoch! Das Wort Schreiben war ganz laut gesagt worden. Ich erschrak so, dass ich mich panisch umsah und laut fragte: „Wie?! Schreiben?!" Noch in dieser Nacht fielen mir zig Gründe ein, warum ausgerechnet ich etwas erzählen könnte. Und ich legte los. Eine meiner Freundinnen sagt noch heute zu mir: „Du bist der einzige Mensch, der je gesagt hat, morgen schreibe ich ein Buch, und der es dann gemacht hat." Sie hat auch schon für Filmstudios in Hollywood gearbeitet, also war ich nicht die einzige, die das je zu ihr gesagt hat.
Sind manche Ihrer Geschichten autobiografisch? Oder schreiben Sie von Ihren Wünschen und Sehnsüchten?
Weder noch. Wobei es egal ist, was man an der Stelle sagt, wie ich bei Gesprächen und bei Lesungen herausbekommen habe (lacht). Denn selbst Autorenkollegen, die Fantasy schreiben, denken, ich müsse das erlebt haben. Es wäre ja so viel einfacher zu schreiben als das Genre Fantasy. Mir macht es aber auch nichts aus, dass alle oder vielleicht auch nur fast alle glauben, ich treibe es so kunterbunt (lacht). Es sind auch nicht alles Fantasien und Wünsche von mir. So möchte ich selbst nur eine männliche Person um mich haben und nicht zig Personen. Wobei natürlich andere gerne machen dürfen, was sie möchten. Allerdings: Wenn ich an meinen Geschichten schreibe, dann finde ich es heiß. Sehr heiß sogar. Und das ist dann etwas, wo ich denke, ich möchte, dass ich Paare auf Ideen bringe. Dass ich ihnen Spielzeuge zeige, die ihre Fantasie anregen. Situationen vor Augen führen, die sie nachspielen könnten. Und genau das wird mir oft in Rezensionen bestätigt.
Was macht Ihnen Spaß am Schreiben erotischer Geschichten?
Wenn ich mal weiß, wo das Setting sein soll und wer meine Protagonisten sind, dass ich in einen tranceähnlichen Zustand versetzt werde und erlebe, was meine Protagonisten erleben. Das Spannendste: Meine Protagonisten antworten plötzlich etwas, das ich mir vorher gar nicht habe einfallen lassen, und ich finde das klasse! Auch das Recherchieren nach „Spielzeugen" macht viel Freude. Was man da alles findet! Kurioses, Abstruses, Gruseliges, Anderes, Unerwartetes… – nichts, was es nicht geben würde.
Im Jahr 2006 belegte Ihre Geschichtensammlung „Seidene Küsse" Platz eins der Erotik-Bestsellerliste bei amazon.de, die folgenden Werke waren ebenso beliebt. Was macht Ihre Geschichten und Texte so besonders?
(lacht) Man kann sie nachspielen. In den meisten Rezensionen steht, dass ich perfekt den schmalen Grat zwischen direkter Sprache und schöner Sprache beherrsche. Vielleicht ist es auch das?
Werden Ihre erotischen Geschichten hauptsächlich von Frauen oder Männern gelesen?
Tatsächlich von beiden. Das erste Buch wurde noch mehr von Männern gelesen, aber ab „Samtene Nächte" zu gleichen Teilen. Ich hatte ja doch schon einige Lesungen, wo mir das auffiel.
Was spricht im erotischen Bereich eher Frauen, was Männer an?
Da ist es wie im richtigen Leben. Das Vorspiel macht’s (lacht).
Männern kann man es direkter sagen, und das Drumherum der Geschichte dürfte kürzer sein. Zu verkünstelt sollte es nicht werden. Allerdings wurde zunehmend bei meinen Büchern die schöne, aber direkte Sprache, die nie ins Niveaulose abgleitet, bei Rezensionen hervorgehoben. Bei meinem ersten Buch „Seidene Küsse" hatte ich allerdings noch keine so schöne Sprache, aus heutiger Sicht gesehen. Da hat eher angeturnt, dass zwei Frauen die Geschichten geschrieben haben. Jedenfalls hatte mir das ein ehemaliger Vorgesetzter vorausgesagt. „Zwei Frauen. Erotik. Das läuft", waren seine Worte.
Gibt es eine Figur, die so ist, wie Sie immer sein wollten, es sich aber nie getraut haben?
Ich trau mich selbst ganz viel. Jetzt nicht auf Männer bezogen, aber Freundinnen sagen öfters zu mir: „Dass du dich das getraut hast. Ich hätte mich das nie getraut." Ich muss fast jeden Tag über meine Grenzen gehen, schon allein, weil ich arbeiten gehe, und das ist für mich immer eine Herausforderung, was definitiv mit meiner Erziehung zu tun hat.
Welche Figur ist Ihre schrägste?
Eine schrägste würde ich jetzt keine nennen. Am mir fremdesten vom Wording her waren Aaron aus „Magische Momente" und Wyatt aus „Wildes Californien", meine beiden historischen Geschichten. Und sie waren auch beide auf den ersten Blick ein wenig rau und doch Gentlemen. Spannend für mich.
Möchten Sie sich auch noch in anderen Genres austoben?
Ein Traum wäre es, einen Serienmörder-Krimi zu schreiben. Aber solange ich keinen gescheiten Plot hinbekomme, gerne erst einmal Erotik.
Sie sind nicht nur Autorin, sondern auch Journalistin und Bloggerin. Schreiben Sie regelmäßig an Geschichten oder nehmen Sie sich dafür gezielt ein paar Wochen Zeit, bevor ein neues Buch erscheint?
Durch mein damaliges Burn-out passe ich gut auf mich auf, dass mir sowas nicht wieder passiert. Deshalb muss ich meine Zeit gut einteilen. Ich gehöre auch nicht zu den begnadeten Autoren, die sich nur für zwei Stunden an die Geschichte setzen können. Da ich auch noch 36 Stunden meinen Brotjobs nachgehe, kann ich nur einige Wochen im Jahr am Stück schreiben. Wenn ich mich eingeschrieben habe, dann gehen auch die Wochenenden.
Wie lange schreiben Sie an einer Geschichte oder einem Buch?
Bei meinem ersten Buch „Seidene Küsse" waren es circa 20 Seiten am Tag, und in zehn Tagen war ich fertig mit dem Buch. Danach circa vier bis zehn Seiten pro Tag. Je nachdem, welcher Zeitdruck auch dahinter stand und ob ich den Anfang der Geschichte schreibe oder schon in meine Protagonisten eingetaucht bin.
Als Bloggerin haben Sie schon sehr viele bekannte Autoren interviewt. Welche davon haben Sie am meisten beeindruckt und warum?
Peter James. Er ist ein oft ausgezeichneter, weltweiter Bestsellerautor, und dennoch hat er mir damals, als ich meinen Blog noch ganz frisch hatte, ein Videointerview gegeben. Außerdem hat er weltweit Lesungen und schreibt ja auch noch und dennoch nimmt er sich auf all seinen Social-Media-Kanälen Zeit für jeden, der dort kommentiert. Unfassbar!
Ich bewundere aber all die ganz großen Weltbestseller-Autoren. Sie hatten etwas gemeinsam: Sie sind sehr umgänglich, sehr höflich, sie haben sehr gute Manieren, sind pünktlich und halten ihre Termine ein. Also egal ob Joy Fielding, Val McDermid, Christian Mørk, Andrew Taylor, Chelsea Cain, Robert Littell, David Peace, Helene Tursten, Giles Blunt oder Nina George.
Welche Bücher und Autoren lesen Sie selbst gern?
Bei Erotik Monika Dennerlein, Ivy Paul und Astrid Martini, um nur ein paar zu nennen. Bei Krimis und Triller zum Beispiel Peter James, Andreas Föhr und Beate Maxian. Bei Lyrik Said und bei Sachbücher über Kriminalverbrechen Stephan Harbort und Axel Petermann.
Auf welches Buch dürfen wir als Nächstes gespannt sein?
Bei mir sind einige Geschichten frei geworden, die ich unter anderem für ein Dessous-Haus geschrieben hatte, und noch ein paar Einzelgeschichten. Die werde ich länger schreiben und verbessern – und dann werden sie wahrscheinlich in diesem Herbst bei einem kleinen, aber feinen Verlag herausgebracht.