Nicht nur, dass das Saarland mit dem CISPA Helmholtz-Zentrum einen weiteren Schritt in Richtung IT-Land macht, darüber hinaus soll auch die grenzüberschreitende Forschung mit einem neuen deutsch-französischen IT-Zentrum gefördert werden. Das Problem: Es fehlen attraktive Arbeitsplätze.
ie Zeichen für den Strukturwandel im Saarland stehen relativ günstig. Mit dem CISPA Helmholtz-Zentrum (in Gründung) hat das Saarland im vergangenen Jahr einen dicken Fisch in puncto Cybersicherheit an Land gezogen. Sollte sich das Zentrum als echte Keimzelle auf dem Weg vom Autoland zum „Saar Valley" entwickeln, wäre das ganz nach dem Geschmack der Landespolitik, der Wissenschaft und Forschung – sowie der hiesigen Wirtschaft. IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Heino Klingen sprach von einer Steilvorlage für die saarländische Wirtschaft und verglich das Helmholtz-Zentrum mit dem Ansiedlungserfolg der Fordwerke in den 60er- und 70er-Jahren in Saarlouis. Damals läutete das den Beginn einer neuen Ära ein, den Strukturwandel des Saarlandes vom Montanland zum Autoland.
Denkfabrik in der Großregion
Doch dem gelungenen IT-Coup müssen Taten folgen, will das Saarland künftig in der IT-Champions-League spielen. Das geplante CISPA Helmholtz-Zentrum um Gründer und Macher Prof. Dr. Michael Backes spielt unbestritten in der Weltspitze. Ehrgeiziges Ziel ist es, das Zentrum zu einem der weltbesten Zentren für Cybersicherheit aufzubauen. 600 bis 800 hochkarätige Forscher aus aller Herren Länder, eine Denkfabrik für Studenten und angehende Wissenschaftler, insbesondere auch aus der Großregion, eine Keimzelle für neue international tätige Start-up-Unternehmen, ein Magnet für Forschungsgelder aus der Wirtschaft – nie seien die Voraussetzungen für „Saar Valley" günstiger gewesen als jetzt, gibt sich Backes optimistisch, den „zweiten Strukturwandel" im Saarland entscheidend voranzubringen.
Dabei geht es nicht darum, die alte Industrie zu verdrängen, sondern sie mitzunehmen auf dem Weg in die digitale Zukunft. Außerdem hat der gefragte Professor nicht nur das Saarland allein im Visier, sondern auch die Großregion mit Lothringen und Luxemburg. Mit dem französischen Forschungsinstitut Inria aus Nancy kooperiert das CISPA bereits seit einigen Jahren und plant in naher Zukunft eine noch stärkere Zusammenarbeit. „Ein gemeinsames Institut sowohl in Saarbrücken als auch in Nancy ist das erstrebenswerte Ziel, eine Art Brücke zwischen Deutschland und Frankreich, um noch schlagkräftiger zu werden und in Europa beim Thema Cybersicherheit ganz oben zu stehen", so Backes am Rande des ersten deutsch-französischen Tags der IT-Sicherheit Mitte März in Saarbrücken. Wenn alle Beteiligten für dieses Ziel an einem Strang ziehen, könne so etwas auch ganz schnell gehen. Erst Anfang des Jahres wurde in politischen Kreisen darüber diskutiert, ein deutsch-französisches Zentrum für Künstliche Intelligenz zu schaffen. Gerade die Großregion mit ihren bereits vorhandenen grenzüberschreitenden Strukturen wäre dafür ein idealer Standort.
Obwohl das Saarland mit renommierten Forschungsinstituten bereits gut bestückt ist: Der Weg ins „Saar Valley" bleibt steinig und weit. So finden viele Studenten zwar ein attraktives Umfeld mit Instituten und Forschungseinrichtungen auf dem Campusgelände der Saar-Universität und selbst die universitären Bedingungen für eine Promotion würden laut Backes von den Studierenden ganz gut eingeschätzt. Aber nach ihrer universitären Ausbildung verlassen die Topleute in Scharen das Saarland, weil sie hierzulande keine attraktiven Arbeitsplätze finden oder weil sie schlichtweg abgeworben werden. Gleiches gilt im Übrigen für die Universität Lorraine, wie Prof. Dr. Olivier Festor aus Nancy betont. Rund 85 Prozent seiner Studenten kommen noch nicht einmal aus der Großregion. „Sie studieren hier in einem sehr guten Umfeld und gehen anschließend zurück." Intensive Austauschprogramme zwischen Nancy und Saarbrücken könnten die Situation seiner Meinung nach deutlich verbessern.
Sollte es wirklich gelingen, 600 bis 800 hochkarätige Forscher in den nächsten Jahren an das Helmholtz-Zentrum zu locken, so müsste aber auch das Umfeld kräftig mitwachsen. Das beginnt mit gutem Wohnraum und einer vernünftigen Infrastruktur vom ÖPNV über internationale Schulen für deren Kinder bis hin zu attraktiven Arbeitsplätzen beispielweise für deren Partner. Laut einer jüngsten Studie aus dem Silicon Valley zieht eine lukrative Forscherstelle gleich fünf neue Arbeitsstellen außerhalb der Forschung nach sich.
Gerade was die Schaffung hochattraktiver neuer Arbeitsplätze in Start-up-Unternehmen angeht, bleibt im Saarland noch vieles zu tun. „Wir müssen gründungswillige Studenten und Doktoranden von Bürokratie entlasten und das Eintreiben von Geldern deutlich erleichtern", fordert Backes. Was nützt es den jungen Forschern, wenn sie irgendwann am Ende des Tages Gründungsgeld bekommen haben, aber ihr Projekt indessen längst schon von anderen umgesetzt wurde? Am CISPA sei es trotzdem einigen jungen Forschern für eine Idee in der Blockchain-Technologie gelungen, ein paar Millionen Euro zusammenzubekommen. Aber Geld einsammeln, Sicherheiten für Risikokapital wie es in Deutschland nun mal Vorschrift ist, und Managementaufgaben übernehmen, sei zwar wichtig, aber nicht primär die Aufgabe der Forscher.
Wirtschaft eng mit Forschung verzahnt
In Frankreich gebe es eine beispielhafte Partnerschaft zwischen großen Industrieunternehmen und der universitären Forschung, so Festor. „Dort kümmern sich die Unternehmen mit ihrer Verwaltung um administrative Dinge und lassen den Jungforschern genügend Zeit für ihre eigentlichen Forschungsprojekte." Das sei ein guter Beitrag, wie der Wissenstransfer von der Uni in die Wirtschaft synergiebringend gelingen könne, so Prof. Dr. Jean-Yves Marion von der Universität Lorraine. Er forderte neben talentierten Studenten und einer guten Grundlagenforschung sogenannte Innovationscluster in Deutschland und Frankreich. „Diese Kompetenzzentren können wir gewinnbringend für alle zusammenbringen." Als ein gelungenes Beispiel für den Wissenstransfer von der Forschung auf die Wirtschaft, sprich die forschungsnahe Entwicklung von Produkten, gilt das IT-Unternehmen Consistec. Das inzwischen mittelständische Unternehmen hat sich zu einem IT-Dienstleister und Spezialisten für die Bereiche „Tracing & Monitoring" sowie „Sichere Software für technische Systeme" entwickelt. Deren Geschäftsführer Dr. Thomas Sinnwell bemängelte, dass zwar viele gute Studienabsolventen das Land wieder verlassen, gab aber auch zu bedenken, dass Veränderungen wie der Strukturwandel viel Zeit benötigen. Zeit, die allerdings weder die Saar-Politik noch die Studenten derzeit für den so dringend benötigten Strukturwandel mitbringen.