Kein regulärer Feierabend, geteilte Schichten, tagelang von zu Hause weg sein: Diese Probleme haben die Fahrer der BVG nicht – anders als ihre Fernbus-Kollegen. Aber wie andernorts zieht sich die Schlinge auch in Berlin allmählich zu. Die Werbetrommel für den Nachwuchs läuft auf Hochtouren.
Deine Eltern wollen Dir kein Auto schenken? – Von uns gibt es einen ganzen Bus!" So werben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) um ihren Nachwuchs. „Noch haben wir genügend Personal", sagt Petra Reetz, Pressesprecherin der BVG, „doch das Durchschnittsalter ist einfach zu hoch. Derzeit gehen jährlich vier Prozent unserer 2.900 Fahrer in Rente. Dann müssen wir Stellen nachbesetzen." Jahr für Jahr bildet die BVG 240 Fahrerinnen und Fahrer aus. Die können dann im Betrieb Bus-, U-Bahn- oder Straßenbahnfahrer werden. Das sollte eigentlich reichen, um die vier Prozent zu ersetzen. Aber es könnten demnächst mehr werden, die in Rente gehen, meint Petra Reetz.
Richtig eng wurde es bei der BVG eigentlich nur zwei Mal: Nach dem Mauerbau und nach dem Fall der Mauer. 1961 boykottierten die West-Berliner „Ulbrichts" S-Bahn, man wollte der von der DDR betriebenen Deutschen Reichsbahn keine DM-Einnahmen gönnen. Die BVG richtete parallel Buslinien ein. Aushelfen mussten 60 Busse plus Fahrer aus West-Deutschland. Nach dem 10. November 1989 strömten die Massen nach West-Berlin, U- und S-Bahn waren überfordert. Wieder kamen 60 Busse aus dem Bundesgebiet zum Einsatz, dazu noch einmal 20 von den amerikanischen Militärbehörden. Viele hatten die Liniennummer einfach hinter die Windschutzscheibe geklemmt – gemeckert hat damals keiner.
Heute übernehmen die Subunternehmen der BVG den Schienenersatzverkehr, wenn mal eine S- oder U-Bahnlinie ausfällt. Eines der größten ist mit fast 1.900 Mitarbeitern die BT Berlin Transport. Sie erbringt etwa 32 Prozent der Fahrdienstleistung im Konzern BVG in den Sparten Bus und U-Bahn. Die BT hat keine eigenen Fahrzeuge, sie werden von der BVG gestellt. Noch ist auch da die Situation entspannt, was die Fahrer betrifft.
Fahrerlose Busse sind noch Zukunftsmusik
Anders bei den Busunternehmen, die größere Strecken bedienen oder über Land fahren. Denn da liegt der Hase im Pfeffer. Während der Berliner Busfahrer abends zu Hause sein kann, haben Fahrer von Überlandbussen oft keinen regelmäßigen Feierabend, stehen im Stau auf der Autobahn, müssen sich ums Gepäck der Fahrgäste kümmern, am Zielort übernachten oder haben stundenlange Wartezeiten. Das gilt auch für den Busverkehr auf dem flachen Land: Da kann es vorkommen, dass die Fahrzeiten verteilt über den ganzen Tag morgens zwischen 7 und 10 Uhr, mittags von 12 bis 15 Uhr und abends vielleicht noch einmal zwischen 18 und 20 Uhr liegen. Dazwischen liegen lange Pausenzeiten, die nicht bezahlt werden.
Marode Haltestellen ohne Beleuchtung oder Überdachung, schlechte Wegstrecken und nervige Fahrgäste machen den Job auch nicht gerade attraktiver. Der Verband der Omnibusunternehmen des Landes Brandenburg sucht händeringend Nachwuchskräfte, die Strecken übernehmen können. Mittlerweile wird in vielen Landkreisen auch mit Bussen auf Abruf experimentiert, aber auch da braucht es Fahrer, die flexibel einsetzbar sind.
Ein ganz anderes Thema sind die zunehmenden Attacken auch auf Busfahrer. Die BVG verzeichnete 2016 genau 555 Angriffe auf Beschäftigte. Bei der Bahn wurden im vergangenen Jahr deutschlandweit 2.550 Körperverletzungen gegenüber Mitarbeitern gezählt. „So viele Übergriffe wie noch nie", heißt es in einer Erklärung der Eisenbahnergewerkschaft. Auch das ist nicht gerade eine Einladung, diesen Beruf zu wählen.
„Wir haben in vielen Regionen praktisch keine Arbeitslosen mehr, die sich auf offene Stellen bewerben könnten", beklagt sich Karl Hülsmann, Präsident des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer. Er verweist darauf, dass viele der bundesweit rund 103.000 Busfahrer schon vergleichsweise alt sind und demnächst in den Ruhestand eintreten werden. Die Branche wirbt zwar mit einer verantwortungsvollen Tätigkeit, Abwechslungsreichtum und einem sicheren Arbeitsplatz. Hülsmann sagt aber auch: „Es gibt vielleicht auch bequemere Arbeiten."
Und besser bezahlte: Busfahrer verdienen zwischen 1.800 (Anfänger) und 2.400 Euro im Monat brutto, dazu kommen noch Zulagen für Schicht- und Wochenenddienste. Ein Busführerschein kostet rund 10.000 Euro.
Bei der BVG ist der Busführerschein in der Ausbildung drin. Das gilt auch für die 16 Flüchtlinge, die einmal Berliner Busfahrer werden sollen. Seit Juli 2017 läuft das Projekt „Geflüchtete in den Fahrdienst". Voraussetzung waren gute Deutschkenntnisse, ein sicherer Aufenthaltsstatus und eine gute Bleibeprognose. Die BVG checkte sie vor Ausbildungsbeginn durch, überprüfte sie auch auf Straftaten in der Vergangenheit. Als Erstes lernten sie die deutschen Fachausdrücke, um die Prüfung zu bestehen und sich auf der Straße zu bewähren. Seit November läuft die eigentliche Ausbildung zum Omnibusfahrer. Im Sommer soll sie abgeschlossen sein. Danach geht es auf die Straße.
Bei der Frage, ob man überhaupt noch Busfahrer ausbilden sollte, weil ja doch irgendwann der autonom fahrende Bus kommt, kann BVG-Sprecherin Petra Reetz nur den Kopf schütteln. „Die Fahrer, die wir jetzt ausbilden, werden noch als ganz normale Busfahrer in den Ruhestand gehen", sagt sie. „Der fahrerlose Bus ist mit so vielen technischen Problemen verbunden, dass es noch lange dauern wird. Allein schon, weil die Straßen, die der Bus befährt, mit signalgebenden Leitplanken aufgerüstet werden müssten." Vorstellbar sind aber computergesteuerte Assistenzsysteme, die dem Fahrer anzeigen, dass hinter ihm ein Fahrrad kommt, ihm also einen besseren Überblick verschaffen.
Auch beim elektrischen Antrieb geht alles nicht so schnell, wie das die Politik glauben macht. Reetz sagt, dass die BVG jetzt für die ersten 30 Elektrobusse eine Ausschreibung auf den Weg gebracht habe. „Bis wir die kaufen und einstellen können, dauert es bestimmt bis 2021." Bis dahin fährt die BVG mit Dieselmotoren, allerdings – so Reetz – mit einer Filtertechnik auf höchstem Niveau.