Der Trenchcoat ist so etwas wie das Kernstück in den Kollektionen der meisten Designer. Viele von ihnen stellen dem rundum erneuerten Klassiker gleich auch noch innovative Umsetzungen eines weiteren modischen Evergreens namens Anorak in seiner sommerleichten Version als Windjacke an die Seite.
Standing Ovations nach dem Ende einer Fashion-Show sind nichts Ungewöhnliches. Bei Valentino galt der Beifall auf der Pariser Modewoche für kommenden Sommer allerdings vor allem einem ziemlich ungewöhnlichen Kleidungsstück: dem Anorak oder besser der leichteren Sommer-Version namens Windjacke. Die Neuinterpretationen mit glamourösem Schliff waren von Kreativdirektor Pierpaolo Piccioli präsentiert worden. „Making the ordinary extra-ordinary", so lautete das Motto des Valentino-Chefdesigners – das Gewöhnliche außergewöhnlich machen. Dabei ließ er bei seinen Windjacken spielerisch die allgegenwärtigen Athleisure-Komponenten einfließen. Mal fielen die Modelle neben den unübersehbaren Kordelzügen vor allem durch übergroße Taschen auf, ein andermal durch großflächiges Colour-Blocking.
Nicht nur bei Valentino waren pfiffige Windjacken-Anoraks auf dem Laufsteg meist im munteren Kombi-Stilbruch zu femininen Teilen zu bestaunen, sondern auch bei Labels wie Burberry, Bottega Veneta, Hunter, Topshop oder Isabel Marant. Die englischsprachige „Vogue" war von diesem Trend derart angetan, dass sie den Anorak gleich als bessere Alternative zur Lederjacke deklarierte.
Bei unseren eigenen Recherchen haben wir die Anfänge des Anoraks bei den Inuit in Grönland orten können. In der Eskimo-Sprache Inuktitut bedeutet „An-nuh-raaq" so viel wie „etwas gegen den Wind" und wurde ursprünglich für eine Kapuzenschlupfbluse (Windbluse, Schneejacke) mit Reißverschluss verwendet. Während der Olympischen Spiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen wurde der Anorak als Sportjacke erstmals der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. In seiner mittellangen Umsetzung als Parka gelang dem Anorak 1940 der Eingang ins Militär und wurde später zum Markenzeichen der Mods. In Normallänge war der Anorak dank unförmiger Modelle in Petrol oder Blass-Lila, die häufig von Kindern, Omis und Opis getragen wurde, lange Zeit ziemlich modisch in Verruf geraten.
Am besten im munteren Stilbruch
In der Skimode-Branche hatte man sich daher eiligst auf den Begriff „Windbreaker" verständigt. Dass die Windjacke diesen Sommer nun sogar Eingang in die Kollektionen der Nobel-Marken gefunden hat, dürfte ziemlich überraschend sein. Für die „Vogue" ist der neue Anorak „the only coat you’ll want in your wardrobe" („Die einzige Jacke, die Sie in Ihrer Garderobe haben wollen.") Auch in der Herrenmode sind federleichte Windbreaker diesen Sommer mega-angesagt, interessante Modelle gibt es beispielsweise von Balenciaga, Kenzo, Lanvin oder Hermès. Ebenso gefragt wie die Windjacke ist diesen Sommer auch der Trenchcoat. In so gut wie keiner Kollektion ist der Modeklassiker nicht vertreten wäre. Häufig stellt er sogar das absolute Schlüsselteil des gesamten Sortiments dar. Sämtliche Frauen-Magazine oder Fashion-Web-Portale kriegen sich vor Begeisterung kaum mehr ein. Zwar hatte der Trenchcoat nach seinem Siegeszug in der Damenmode schnell seinen etwas biederen Charme abgelegt, doch kaum jemand hätte sich vorstellen können, dass eine ganze Reihe von Designern das gute Stück mal so gründlich in all seine Einzelteile zerlegen und anschließend auf völlig unkonventionelle Weise wieder zusammensetzen würde. Schlagwort „deconstructed trenchcoat".
Einige Beispiele: Bei Balenciaga kommt die Vorderseite als normaler Trench daher, während die Rückseite als Denim-Mantel geschneidert ist. Bei Loewe ist der untere Teil des Trenchs vom Knie bis zum Knöchel fransengleich aufgeschlitzt. Auch bei Alexander McQueen wurde ziemlich wild mit der Schere hantiert und an der Vorderfront wurden ganze Teile aus dem Stoff herausgeschnitten; sieht irgendwie nach moderner Kunst aus. Bei Céline wurden gleich zwei Trenchcoats zu einem cape-ähnlichen Mantel kombiniert.
In der Herrenmode hatte es der strapazierfähige, wasserabweisende und luftdurchlässige Mantel, der ein idealer Begleiter für alle Übergangszeiten wie Frühling oder Herbst ist, in den letzten Jahrzehnten nicht gerade leicht. Dafür war letztendlich Humphrey Bogart verantwortlich. Seit er den Trench im „Malteserfalken" 1941 und in „Casablanca" 1942 zu seinem persönlichen Markenzeichen gemacht hatte, wurde jeder spätere Träger automatisch mit ihm verglichen. Und außer einigen Agenten oder Privatdetektiven wie Sherlock Holmes, Inspektor Clouseau (alias Peter Sellers) oder Columbo (alias Peter Falk) konnte niemand so recht in die geheimnisvolle Aura, die diesem eng geschnürten und mit Schulterklappen ausstaffierten Kleidungsstück seit Bogart innewohnt, hineinschlüpfen. Mal schauen, ob die Herren der Schöpfung sich an die neuen Modelle von Gosha Rubchinsky, Off-White oder J. W. Anderson heranwagen werden.
Der Minimalist als modische Allzweckwaffe
Entworfen wurde der Trenchcoat aus Gabardine-Gewebe (heute häufig auch aus Popeline, Leder oder auch PVC gearbeitet) im ausgehenden 19. Jahrhundert – und zwar für Soldaten als leichtere Alternative zu den schweren Wollmänteln, die sich zudem bei Regen schnell mit Wasser vollgesogen hatten. In seiner heutigen Form gibt es den Mantel seit dem Ersten Weltkrieg. Thomas Burberry modifizierte den nach den Schützengräben (trench = Graben) benannten Mantel für das britische Militär. Er fügte Schulterklappen bei und einen Stoffgürtel mit eingestanzten Metallringen zum Befestigen von Handgranaten. Klassisch ist der Trench zweireihig geknöpft, besitzt Raglanärmel und einen Gehschlitz auf der Rückseite, ist beige- oder sandfarben, hat zwei Brustklappen sowie einen Koller, sprich über der Schulterpartie im Rücken liegt eine zweite Lage Stoff.
Der Trenchcoat, eigentlich ein echter modischer Minimalist in allen möglichen Längen-Varianten, ist eine echte Allzweckwaffe. Er funktioniert zu Business-Dress oder Anzug genauso gut wie zu Cocktailkleid oder sportiv zu Jeans, Jogginghose und Sneakers. Wer nichts falsch machen möchte, sollte einfach in ein mittellanges, doppelreihiges, beiges oder schwarzes Modell investieren. Trenchs sollten möglichst nicht zugeknöpft werden, wenn’s dabei zu kalt wird, können die beiden großen vorderen Klapprevers übereinander geschlagen und der Gürtel locker verknotet werden. Tipp: Oversize-Varianten wirken lässiger und cooler; taillierte, an den Schultern scharf geschnittene Mäntel verleihen Haltung und Eleganz. In Kombination mit Overknees lässt sich der mit einem Gürtel geschlossene Trench in Maxilänge wie ein Kleid tragen.
Der lange Trenchcoat ist der Klassiker schlechthin. Er ist perfekt für große Frauen geeignet, die auch in XXL-Formaten die allerbeste Figur machen. Kurze Varianten stehen kurvigen Ladys am besten, auch kleine und zierliche Persönchen sollten sich möglichst für die verkürzte Variante entscheiden. Frauen vom androgynen Typus sollten bezüglich der Details klotzen, sprich Modelle mit breitem Gürtel, riesigen Revers und Schulterklappen wählen; weil alles, was aufträgt, Kurven zaubern kann.