Kontinuität in der Koalition, bekannte Herausforderungen, eigene Akzente zum Strukturwandel – Saar-Ministerpräsident Tobias Hans hat Grundzüge der künftigen Regierungsarbeit skizziert.
Die Erwartungen waren wie üblich höchst unterschiedlich. Die Bandbreite lag irgendwo zwischen einem „Weiter so" und einem zumindest in Teilen Aufschnüren des Koalitionsvertrags. Und neben den Sachfragen gab es auch die nach dem Stil, der mit dem Einzug des jüngsten Ministerpräsidenten in die Staatskanzlei einhergehen würde. Ministerpräsident Tobias Hans wusste, dass jedes Wort seiner ersten Regierungserklärung auf die Goldwaage gelegt würde. Wie würde er sich in Sachen Kommunalreformen und Bildungspolitik positionieren, wo bekanntlich innerhalb der Großen Koalition neben den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag ausreichend Raum für divergierende Auffassung bleibt. Und wie würde er sich positionieren in Sachen Landessportverband, wo der Landtag am gleichen Tag noch auf Antrag der Linken einen Untersuchungsausschuss eingesetzt hat?
Als Fraktionschef der Mehrheitsfraktion stand Tobias Hans bislang nicht unbedingt im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit. Das Schicksal teilte er mit allen Fraktionschefs von Regierungsfraktionen, was in der Natur der Sache und der Aufgabenstellung liegt. Wahrgenommen werden eher die Minister, wenn sie Regierungspolitik vorantreiben oder umsetzen. Fraktionschefs haben eher im Hintergrund die Interessen in der eigenen Fraktion und denen des Koalitionspartners zu organisieren, sind aber auch durch Rückmeldungen der Abgeordneten oft genug eine Art Frühwarnsystem für die Regierung.
Erwartungen, dass mit dem neuen Regierungschef der erst vor einem Jahr geschlossene Koalitionsvertrag infrage gestellt würde, waren von vornherein nicht besonders realistisch. Erstens hatte Hans den selbst an prominenter Stelle mit ausgehandelt, zweitens ist ihm sehr wohl bewusst, dass die Menschen nach dem Bild, das sich ihnen in den letzten Monaten geboten hat, alles andere als neuen Parteienstreit wünschen. Er verspricht deshalb in allererster Linie „eine Politik der pragmatischen Problemlösung" und stellt zum Koalitionsvertrag fest: „pacta sunt servanda", also „Kontinuität und Verlässlichkeit". Das will er auch mit der Fortsetzung des sogenannten saarländischen Wegs, eines „kritisch-konstruktiven Miteinanders" – auch mit den Gewerkschaften.
Herausforderung Strukturwandel
Bemerkenswert sind neben zahlreichen Bekräftigungen der großkoalitionär verabredeten Politik unter dem Motto „Kontinuität und Innovation" Klarstellungen, mit denen er die Richtung vorgibt, beispielsweise in der Diskussion um Kommunalreformen. Beim Ausbau interkommunaler Zusammenarbeit setze die Regierung „in allererster Linie auf Freiwilligkeit", und „dazu stehe auch ich ganz persönlich". Das gelte im Übrigen auch für seinen eigenen – umstrittenen – Vorschlag zu Schulträgerschaften. Wenn er auch an anderer Stelle einer „Basta-Politik" eine Absage erteilt, zieht er hier zumindest eine Linie, auf die sich die Beteiligten in den unweigerlich bevorstehenden Auseinandersetzungen berufen werden.
Die eigentliche Herausforderung wird der unweigerliche Strukturwandel. Der Zukunft der Automobilbranche widmet der Ministerpräsident ein eigenes Kapitel. Dass gravierende Umbrüche bevorstehen, ist kein Geheimnis, ebenso wenig, dass sie die automotive Struktur im Saarland besonders treffen. Weniger klar ist, wohin die Reise geht, und das umso mehr, weil das Land bekanntlich ein bedeutender Standort, aber eben nur für Niederlassungen multinationaler Konzerne ist, und damit abhängig von Entscheidungen, die andernorts getroffen werden.
Dem will Hans – auch in seiner Doppelfunktion als Wissenschaftsminister – die „Vision" entgegensetzen, das Saarland „in den nächsten fünf bis sieben Jahren zu einem bundesweit bekannten Hotspot für junge Gründer und für Ansiedlungen" zu entwickeln. Die Diskrepanz „zwischen Wissensentstehung und Wissensverwertung", also der Umsetzung von Forschungsergebnissen in marktfähige Produkte und relevante Beschäftigungseffekte ist nach wie vor beträchtlich.
Ebenfalls eine ganz neue Herausforderung, wenn auch in positiver Dimension, wird das Cispa/Helmholtz-Zentrum für IT-Sicherheit, eine neue Dimension von Internationalität, wenn bis zu 500 Spitzenforscher aus aller Welt Saarbrücken zum Zentrum machen. Das bedeutet: Infrastruktur, Wohnraum, internationale Kitas und Schulen müssen in einer angemessenen Qualität zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig soll die Frankreichstrategie als Kernkompetenz weiterentwickelt werden, als Teil einer Internationalisierungsstrategie.
Kontinuität und Innovation
Dass der neue Regierungschef ein „wohlbestelltes Haus" übernommen habe, wollte insbesondere die Linke nicht stehen lassen. Oppositionsführer Oskar Lafontaine verwies auf den nach wie vor drückenden Schuldenberg von über 14 Milliarden Euro und darauf, dass das Land nicht zuletzt in Folge der Schuldenbremse bei den Investitionen deutlich hinterherhinke und enormen Nachholbedarf habe, was auch die Industrie- und Handelskammer immer wieder angemahnt hatte.
Klare Kante hat Saarlands Ministerpräsident in dem von Innenminister Horst Seehofer (CSU) neu angefachten Streit unter dem Stichwort Deutschland und Islam gezeigt. „Ich halte gar nichts von der Diskussion." Der Staat könne gar nicht bestimmen, welche Religion zu Deutschland gehöre oder nicht, schließlich sei die Bundesrepublik nach dem Grundgesetz weltanschauungsneutral. Entscheidend sei, ob jemand unsere Rechtsordnung und Wertvorstellungen akzeptiere und sich intergieren wolle, betonte der Saar-Regierungschef mehrfach in dieser Debatte. Äußerungen, die auch bundesweit aufmerksam registriert wurden. Natürlich wegen der Bedeutung des neuerlichen Unions-Streits, aber wohl auch, weil man inzwischen etwas aufmerksamer auf das blickt, was sich im kleinsten Flächenland der Republik tut.