Macron schlägt zu Hause von den Gewerkschaften eine steife Brise entgegen. In Deutschland lebende Franzosen deuten dies jedoch als ersten Hauch der Veränderung und sehen ihren neuen Präsidenten überwiegend positiv.
Mehr als 300.000 Menschen haben Ende März in allen großen französischen Städten gegen die Reformen des französischen Staatschefs Emmanuel Macron demonstriert: gegen die Zerstörung und Privatisierung der öffentlichen Dienste, heißt es bei den Gewerkschaften. Sie fürchten den „Ausverkauf des Landes“ und sprechen von einem nationalen Aufstand.
Hat Macron nach einem knappen Jahr Regierungszeit das Volk gegen sich aufgebracht? Wer sind die Menschen, die auf die Straße gehen? Macron will „Erneuerungen“ für die mit 50 Milliarden Euro verschuldete staatliche Eisenbahngesellschaft SNCF. Neu eingestellte Mitarbeiter sollen künftig keinen Beamtenstatus mehr erhalten. Nach offiziellen Angaben legten bis zu 40 Prozent der 149.000 Eisenbahner die Arbeit nieder. Gestreikt wurde auch in Schulen und in den Verwaltungen. Macron und sein rechtskonservativer Ministerpräsident Édouard Philippe planen in den nächsten vier Jahren die Streichung von mehr als 120.000 Stellen im öffentlichen Dienst.
Das ist harter Stoff. Kritiker werfen Macron Neoliberalismus vor. Doch die in Berlin befragten Franzosen sagten mehrheitlich: So, wie es bisher war, konnte es mit Frankreich nicht weitergehen. Viele halten ihn schlicht für den einzigen, der in der Lage ist, den Karren jenseits des Rheins aus dem Dreck zu ziehen. Andererseits bangen sie jedoch genau wie die Gewerkschaften um hart erkämpfte soziale Errungenschaften. Die eigentlich zerstrittenen Gewerkschaften nutzen die Gunst der Stunde, um wieder als „vereinigte Bewegung“ gegen die Regierung zu kämpfen.
Macron und Ministerpräsident Phillippe wird inzwischen auch vom rechtskonservativen Lager vorgeworfen, einige Reformen ohne große Beteiligung des Parlaments zu exekutieren: Macron kann sie per Dekret beschließen. Anschließend muss er sie von seiner absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung nur noch abnicken lassen – das ist laut französischer Verfassung erlaubt. Auch die Berliner Franzosen finden das bedenklich, auch wenn Macron angekündigt hatte, dieses Instrument wenig nutzen zu wollen. Aber zumindest gibt es so keine Endlos-Debatten, bei denen es weniger um Veränderungen geht als darum, den politischen Gegner zu schwächen.
Macrons Politik ist neoliberal – das birgt die Gefahr, so meinen andere, dass die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer werden könnten. Dass es in Frankreich überhaupt so weit kommen konnte, dafür habe jedoch ausgerechnet die Sozialistische Partei mit ihren immer gleichen unrealistischen Versprechen und unzähligen Pleiten erst den Weg geebnet.