Vom Verbrenner zum E-Auto: Das wird ein herber Schlag für den Industriestandort Deutschland, glaubt Ulrich Petschow vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. Von der Politik fordert er, sich dieser Tatsache zu stellen. Und die Autobauer sieht er zukünftig auch als Mobilitäts-Dienstleister.
Herr Petschow, die Mobilitätswende – sind das tatsächlich nur ein paar Stellschrauben, die nachjustiert werden müssen, wie es öfter mal heißt?
Nein, das sind nicht nur ein paar Stellschrauben, die da nachjustiert werden müssen. Der Wegfall der Verbrennungsmotoren revolutioniert die gesamte Branche. Allein schon der Wegfall der Dieseltechnologie wird Arbeitsplätze kosten. Denn um einen Diesel zu montieren, braucht es viel mehr Handgriffe und Einzelteile als um ein Batterieauto herzustellen. Damit fallen große Teile der Wertschöpfung weg. Das bedeutet knapp formuliert: Viele Arbeitsplätze werden wegfallen.
Profitieren davon nicht andere Branchen, zum Beispiel die chemische Industrie?
Ja natürlich, denn dort werden Arbeitsplätze entstehen. Allerdings, und das ist die schlechte Nachricht: Die Arbeitsplätze, die dort entstehen, werden die Jobs in der bisherigen Antriebstechnologie bei Weitem nicht ersetzen. Das ist eine nackte Tatsache, der sich auch die Politik stellen muss.
Das heißt, Teile des deutschen Mittelstands sind eigentlich schon tot, die merken es nur noch nicht?
Nein, so weit würde ich nicht gehen. Aber alles, was mechanische Teile betrifft, wie Kolben oder Pleuelstangen, steht ganz klar zur Disposition – die braucht niemand mehr in einem E-Auto. Die Folgen sind gigantisch. Das Ifo-Institut hat ausgerechnet, dass diese Umstellung zwischen 150.000 und 200.000 Arbeitsplätze in Deutschland kosten wird, was für den Industriestandort Deutschland ein herber Schlag ist.
Also kommt vor allem die Zulieferindustrie unter die Elektro-Räder?
Ja, das ist das drohende Szenario. Große Unternehmen wie Daimler-Benz oder VW werden die Umstellung verkraften können. Aber für die kleinen wird es schwierig und hart, weil ihr Produktionsstrang einfach nicht mehr gebraucht wird.
Was wäre denn ein Weg aus der Krise für die Automobilindustrie und ihre Zulieferer?
Das sind unterm Strich drei Wege: Weg vom Verbrennungsmotor, hin zur E-Mobilität. Dann wird es zukünftig Automobilbauer in der heutigen Form nicht mehr geben, sondern er wird zum Mobilitäts-Dienstleister werden. Die Autos werden also schon auch noch gebaut, aber als Hauptgeschäft nicht mehr nur verkauft, sondern vor allem auch vermietet. Gerade haben sich Daimler und BMW im Bereich Carsharing zusammengeschlossen, weil das der Markt der Zukunft ist, zumindest in den Ballungsgebieten. Und dann darf man den Bereich Smart-Car nicht vergessen: Das ist da der Bereich der IKT, der Informations- und Kommunikationstechnologie, was riesige Marktchancen eröffnen wird. Also der ganze Bereich autonomes Fahren – das wird auf uns zukommen und davor können wir nicht die Augen verschließen, denn das ist der Markt von morgen.
Täuscht der Eindruck, dass sowohl die Branche als auch die Politik diese Entwicklung völlig verschlafen haben?
Nein, das ist überhaupt nicht verwunderlich, denn die Automobilbranche hat diese Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren nicht wahrhaben wollen. Man hat da die Augen fest verschlossen. Was ja nicht schwierig war, die Umsätze und damit der Gewinn waren gigantisch, warum soll ich da umdenken. Doch diese wirtschaftliche Phase ist endlich. Langsam kriegen nun die Vorstände in den Konzernen mit, das sich da was verändert. Doch dass jetzt alle aufspringen auf diesen Zug, davon kann keine Rede sein, sondern das scheint ein langwieriges Unternehmen zu werden. An dieser Stelle kommt die Politik ins Spiel. Die muss jetzt viel mehr Anreize schaffen, zum Beispiel durch eine flächendeckende Infrastruktur zur Versorgung mit E-Mobilität. Denn E-Mobilität funktioniert nur, wenn ich auch überall meine Batterie wieder aufladen kann.
Wie viel E-Mobilität steckt denn im aktuellen Koalitionsvertrag?
(lacht) Ich habe im Koalitionsvertrag nicht wirklich entdecken können, wie man die Wende schaffen will. Das Ziel, bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen, ist komplett gescheitert. Entsprechende Vorschläge, wie es stattdessen weitergehen soll, fehlen im Vertrag aber völlig.