Die Frage, was genau er eigentlich sammelt, kann Klaus Hänel mit einem Wort beantworten: „alles". In einem kleinen brandenburgischen Dorf hat der 73-Jährige das erste Universal-Reisemuseum der Welt aufgebaut. Dort präsentiert er das Thema Reisen und Tourismus mit all seinen Facetten.
In der Trebbiner Straße in Beelitz rechts abbiegen, am Norma vorbei, in Zauchwitz dann im Kreisverkehr die erste Abfahrt rechts nehmen und an der nächsten Kreuzung noch einmal rechts in die holprige Zauchwitzer Dorfstraße: Willkommen in der brandenburgischen Provinz. Es ist wohl nicht gerade der Ort, an dem man ein auf der ganzen Welt einzigartiges Museum erwarten würde, noch dazu zu einem wahrhaft globalen Thema. Doch genau hier hat Klaus Hänel das weltweit erste Universal-Reisemuseum eröffnet. Als er 2003 die ersten Ideen entwickelte, konnte er selbst nicht glauben, dass es zum Thema Tourismus bislang noch kein Museum gab. Erst ein Jahr später eröffnete in Meran in Südtirol das Touriseum, das sich jedoch ausschließlich mit der Entwicklung des Tourismus im Alpenraum befasst. Auch andere Heimatmuseen betrachten das Thema lediglich unter regionalen Gesichtspunkten.
Hänels Ansinnen ist es dagegen, Reisen und Tourismus mit all seinen Facetten zu beschreiben und zu erfassen. „Wir haben einen weltweit einmaligen Universalansatz", erklärt er. Die Bandbreite der Ausstellungsstücke reicht deshalb von Wanderkarten und Wanderstöcken über Koffer und Rucksäcke bis hin zu Speisekarten und kitschigen Souvenirs aus aller Welt.
Ein teures Hobby mit wenig öffentlichen Zuschüssen
Der 73-Jährige ist eigentlich Berliner, doch er hatte schon seit Längerem einen Zweitwohnsitz in der Beelitzer Region. So ergab sich auch der Kontakt zum Eigentümer des alten Vierseithofs, bei dem er mit seiner Museumsidee unterkam. Anfangs traute sich Hänel gar nicht, das Wort Museum zu verwenden. „Ich hatte zunächst doch nur ein Regal von Ikea, in dem die Dinge abgelegt wurden", sagt er. Bis heute bevorzugt er eigentlich den Begriff Schaudepot. Denn genau genommen handelt es sich bei der „Reisekugel" in Beelitz – so der Marketingname der Einrichtung – immer noch um ein Museum im Aufbau. Hänel sucht immer noch nach dem richtigen Weg, wie er sein Haus verbessern und bekannter machen kann, damit es sich irgendwann einmal finanziell selbst trägt.
„Bislang ist es ein teures Hobby", sagt er. Öffentliche Zuschüsse gibt es kaum, und allein von den Eintrittsgeldern kann niemand ein Museum führen. Hänel beklagt in diesem Zusammenhang den geringen Stellenwert gerade kleinerer Museen, die doch den Großteil der deutschen Museumslandschaft ausmachen. „Wir hatten neulich 15 Gäste, die uns zusammen 35 Euro spendeten, also 2,33 Euro pro Museumsbesucher. Das sind übliche Preise für kleine Museen. Für Theaterbesuche und Konzerte geben die Menschen deutlich mehr Geld aus, aber die Kunst und Kultur des Bewahrens hat leider einen sehr geringen Wert." Das ist auch ein Grund, weshalb sein Museum nicht jeden Tag geöffnet hat, sondern bislang lediglich nach Voranmeldung oder anlässlich der Museumsfeste besichtigt werden kann, wie viele andere kleine Museen auch. Alles andere wäre gar nicht zu finanzieren. Die Führungen übernimmt Hänel persönlich und garniert sie jedes Mal mit einer großen Prise Witz und Charme. „So ergeben sich immer wieder interessante Gespräche", erzählt er. Regelmäßig veranstaltet er außerdem Theatertage in den Räumen des Museums, das nächste Mal wieder am 6. und 7. Oktober.
„Amüsieren und lachen können"
Ein Besuch lohnt sich in jedem Fall. Auf momentan 120 Quadratmetern zeigt sich die ganze Vielfalt des Themas Tourismus. Eine Kollektion alter Fotoapparate, mit denen die Erlebnisse des Urlaubs für die Nachwelt festgehalten wurden, findet sich im Museum ebenso wie alte Kursbücher der Deutschen Bahn, darunter auch ein Exemplar der letzten Edition, die jemals herausgebracht wurde (inzwischen gibt es sie nur noch in digitaler Form). Es geht um Flug- und um Schiffreisen, das Reisewetter und um Reisekleidung – denn manche Dinge zieht man scheinbar nur im Urlaub an. Zu sehen ist unter anderem auch ein Faltboot von 1907, mit dem die Firma Klepper die Freizeit revolutionierte, weil es endlich eine Möglichkeit gab, die Natur vom Wasser aus mit einem Sportgerät zu erkunden, das leicht zu transportieren und trotzdem stabil war.
„Unsere kleine Hinterhofsammlung ist zwar systematisiert in etwa 60 Sammel- und Themengebiete, aber doch auch eine Wunderkammer. In dieser sollte man sich Überraschungen und auch Täuschungen hingeben und auch gern amüsieren und lachen können. Wir wollen ins Gespräch kommen, über scheinbar Klares nachdenken und den gedanklichen Kreis der Reise auf 360 Grad ausdehnen, mit all seinen Stationen und auch Gegenständen, die begleitend sind", betont Klaus Hänel. Darum umfasse die Sammlung auch vieles, was zunächst unbedeutend erscheint, aber doch zu einer Reise dazugehört. „Wir planen ja alle eine Reise, lesen und studieren im Wohnzimmer und kommen auch dahin zurück. Und dort entstehen dann die kleinen Wunderkammern im Wohnzimmer, die mit ihren Souvenirs den Nachweis liefern."
Die Frage, was genau er eigentlich sammelt, kann Klaus Hänel mit einem Wort beantworten: „Alles". Das meiste, was er in seinem Museum ausstellt, hat er entweder geschenkt bekommen oder selbst irgendwo gefunden. So entdeckte er beispielsweise während der Recherche für diesen Text ein altes Radio, das jemand am Straßenrand abgestellt hatte, und nahm es sofort mit. Mittlerweile ist sein Bestand so groß, dass er längst nicht alles in der Ausstellung zeigen kann. Vieles schlummert noch im Depot. „Man zeigt immer nur einen kleinen Teil des gesamten Bestands, den Großteil hält man verborgen. So kann man die Ausstellung verändern und bleibt für Besucher attraktiv", sagt Hänel. Gerade kleinere Häuser würden aber oft nicht an ausreichende Räumlichkeiten für ein Depot denken, was dazu führt, dass sie ihre Exponate nicht austauschen können. Die Folge: Als Gast kommt man einmal und danach nie wieder. „Das ist der Untergang der kleinen Museen", meint Hänel.
Räumlich ist bald ein Update geplant
Ein weiterer Knackpunkt ist die Frage der Präsentation. Viele Ausstellungshäuser setzen heutzutage auf digitale Inhalte, die per Monitor zur Verfügung gestellt werden. Klaus Hänel würde kleineren Museen jedoch davon abraten – es koste zu viel und die Monitore würden schnell kaputtgehen. Er selbst arbeitet in seinem Reisemuseum noch mit Windows XP.
Zumindest räumlich ist allerdings bald ein Update geplant. Der alte Vierseithof in Zauchwitz sei für den Start ideal gewesen, sagt Hänel – doch auf Dauer brauche es eine zentralere Lage. Die Gelegenheit könnte nun mit der Ausrichtung der Landesgartenschau 2022 in Beelitz kommen. Zu diesem Anlass will die Stadt nämlich die historische Wassermühle im Stadtzentrum sanieren und zu einem Kulturstandort ausbauen, unter anderem mit Kaffee und Bibliothek. In der Remise könnte das Reisemuseum von Klaus Hänel einziehen, das damit nicht nur unweit des Geländes der Landesgartenschau liegen würde, sondern auch ganz in der Nähe weiterer Museen wie dem Spargelmuseum und dem Postmuseum. „Das wäre wichtig für die Belebung der Innenstadt", sagt der Vizebürgermeister von Beelitz, Torsten Zado, – die Stadt könnte so zeigen, dass es dort mehr gibt als bloß Spargel. „Kunst und Kultur gehören zur Entwicklung einer Gemeinde dazu", meint er. Gesichert ist der Ausbau der Remise allerdings noch nicht, sodass Klaus Hänel parallel nach weiteren Standorten Ausschau hält.
Fachleute kamen noch nicht vorbei
Für ihn wäre das Vorhaben auch ein Ausdruck des ländlichen Selbstbewusstseins. Es gebe rund 35.000 Dörfer in Deutschland und nur 2.100 Städte, immer noch die Hälfte der Bevölkerung lebe auf dem Land. Trotzdem gelte der ländliche Raum, was das Kulturleben angeht, noch immer als rückständig. Mit seinem Museum will er das Gegenteil beweisen. Fachleute aus der Tourismusbranche haben sich bei ihm übrigens bisher nicht blicken lassen. „Tourismusforschung ist bislang fast ausschließlich Marketingforschung, um damit noch mehr Tourismus zu erzeugen", bedauert er. Da ist sein universeller Ansatz doch um einiges sympathischer.