Auch die neuesten EU-Initiativen dürften im Syrienkonflikt wenig bringen.
Es ist schon bemerkenswert: Wenige Tage nach den Luftschlägen der USA, Frankreichs und Großbritanniens auf Ziele in Syrien setzt sich ein diplomatisches Räderwerk in Gang. Der französische Präsident Emmanuel Macron startet mit großem Tamtam politische Initiativen im UN-Sicherheitsrat sowie beim EU-Außenministertreffen. Der Klub der (noch) 28 zieht nach und lädt zu einer Syrienkonferenz nach Brüssel ein. „Wir können nicht nur Raketen, wir können auch Diplomatie“, soll wohl die unterschwellige Botschaft lauten.
Die Vorschläge, die jetzt in Europa aus dem Hut gezaubert werden, klingen altbekannt. Waffenruhe, Hilfskorridore zur Versorgung der Bevölkerung, Übergangsregierung, Verfassungsreform, Neuwahlen: An diesen Punkten hat sich bereits der UN-Syrienbeauftragte Staffan de Mistura in unzähligen Konferenzsitzungen in Genf die Zähne ausgebissen. Es ist ihm nicht einmal gelungen, die Vertreter der syrischen Regierung und der (vielstimmigen) Opposition an einen Tisch zu bekommen.
Man muss es so deutlich sagen: die hektischen Initiativen sind blinder Aktionismus. Die EU-Außenminister konnten sich bei ihrem Treffen am Montag in Luxemburg nur zu einem halbherzigen „Verständnis“ für die Luftangriffe der Amerikaner, Franzosen und Briten durchringen. Vor allem Nicht-Nato-Mitglieder wie Schweden, Österreich oder Irland hatten Bauchschmerzen, weil sie den Schutz eines UN-Mandats vermissten.
Frankreichs Präsident Macron versucht derweil, sich als großer Weltpolitiker zu inszenieren. Nicht nur durch seine Ideen für eine Reform der Eurozone, die in der deutschen Innenpolitik noch immer für Erschütterungen sorgen. Auch als militärischer Flankenschutz für US-Präsident Donald Trump will der Mann aus Paris die internationale Rolle seines Landes aufwerten. Klar ist, dass Frankreich als Atommacht und permanentes Mitglied des UN-Sicherheitsrats über mehr Gewicht verfügt als etwa Deutschland. Vor diesem Hintergrund hat Macron Bundeskanzlerin Angela Merkel kurzzeitig den Rang abgelaufen. Aber im Alleingang – ohne Rückendeckung durch Washington oder den Schulterschluss mit der Regierungschefin in Berlin – nützt dies wenig. Die Mahnung von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, die Europäer müssten endlich „weltpolitikfähig“ werden, bleibt einstweilen ein Stoßseufzer.
Es steht daher zu befürchten, dass die aktuellen politischen Initiativen nichts am syrischen Teufelskreis ändern werden. Der Westen zahlt nun den Preis dafür, dass er seit Ausbruch des Bürgerkriegs im März 2011 nie ein schlüssiges Gesamtkonzept ausgearbeitet hat, wie die Krise unter Berücksichtigung der innersyrischen Kräfte und der Interessen der Nachbarstaaten zu entschärfen ist. Die „Rebellen“ gegen die syrische Regierung bestehen heutzutage vor allem aus islamistischen Gruppen.
Amerikas langjährige Passivität rächt sich nun bitter. Seit den diplomatischen Vorstößen von US-Präsident Bill Clinton zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts in den 90er-Jahren gab es keine positiven Impulse. Sein Nachfolger George W. Bush hing der Illusion nach, im Irak den Diktator Saddam Hussein erst zu stürzen, um das Land danach zu demokratisieren. Barack Obama richtete anschließend den Blick nach innen und befahl den Rückzug der US-Truppen. Doch ohne das politische Gewicht Washingtons lässt sich im Nahen Osten nichts bewegen.
Deshalb bringen auch die Luft-Attacken gegen Syrien keine neue Dynamik. Die Behauptungen aus Washington, Paris, London oder Berlin, der syrische Machthaber Baschar al-Assad habe am 7. April Chemiewaffen eingesetzt, wurden immer wieder wiederholt. Allein: Es fehlt der letzte Beweis. Der Schatten des Zweifels bleibt, was an der Legitimität der Militäraktion nagt.
Daher kommt der Westen um schmerzhafte Erkenntnisse nicht herum. Ohne Russland wird es keine Fortschritte im Syrien-Schlamassel geben. Moskau sieht sich angesichts der vergangenen Interventionen im Irak oder in Libyen als Hüter des Status quo. Zudem will man den USA auf Augenhöhe gegenübertreten und nicht als „Regionalmacht“ (Obama) gelten. Und, ja, so schwer dies fällt: Assad ist ein ruchloser Politiker, für den die Sicherung seiner Macht mehr zählt als die Zukunft seines Volkes. Aber ohne ihn wird es zunächst keine Beruhigung in Syrien geben.