In Berlin gibt es nicht nur zahlreiche Botschaften, sondern auch Vertretungen aller 16 Bundesländer. Die vertreten die Interessen des Landes im Bundesrat und präsentieren es der Berliner Öffentlichkeit – auch gern mit typischer Kultur und Gastronomie wie Rheinland-Pfalz.
Wann kommen Sie mal mit in den Weinkeller, da fangen wir an.“ Michaela Veith durchschreitet den weiten Lichthof der rheinland-pfälzischen Landesvertretung mit der Zielstrebigkeit einer Frau, die hier zu Hause ist. Seit die Landesvertretung im Jahr 2000 eröffnet wurde, kümmert sie sich um die im Haus anfallende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: „Was es hier zu erzählen gibt, kann ich alles auswendig, auch nachts um halb drei.“ Über Architektur und Personal verliert sie dabei nur wenige Worte – ihr Augenmerk liegt auf den Werken von Künstlern wie dem Maler Rolf Müller-Landau, dem Dadaisten Hans Arp und der Keramikerin Rita Ternes, die das Bundesland stolz ausstellt. „Kunst aus sieben Dekaden Rheinland-Pfalz“ ist das Motto.
Das funktionale Gebäude steht in der Tradition des Bauhauses. Der Entwurf stammt von den Stuttgarter Architekten Heinle, Wischer und Partner. 2.250 Quadratmeter Nutzfläche bieten Raum für Repräsentation, Verwaltung und Übernachtungen, zwei Veranstaltungssäle und die Weinstube. Auffällig ist das mehrgeschossige, lichtdurchflutete Atrium, der Lichthof, um das sich die Büros der 60 Beschäftigten und die Veranstaltungsräume anordnen. Die nach Norden ausgerichtete Glasfassade bietet von allen Etagen einen freien Blick in den Garten, in Richtung Bundestag. Pfälzer Sandstein prägt die Weinstube, Eifelbasalt die Dachterrasse.
Kunst aus sieben Dekaden
Wir beginnen ganz unten und betreten den Weinkeller. Hinter einer komplexen Sicherheitstür wartet ein klimatisierter bunkerartiger Raum, in dem man offenbar getrost das Ende der Welt aussitzen könnte. Zu jeder Zeit werden nebenan rund 3.000 Flaschen Wein aus allen sechs rheinland-pfälzischen Anbaugebieten gelagert. „Abhörsicher“, sagt Frau Veith knapp. „Zeitweilig hatten wir hier die ‚A-Runde‘, sprich die Runde der SPD-geführten Ministerpräsidenten, die vor dem Bundesrat tagte, damals noch mit Kanzler Schröder.“ Ein Hauch von Politthriller liegt in der Luft. Es könnte einmal der interessanteste Raum des Gebäudes gewesen sein.
Vom Weinkeller sind es nur noch wenige Schritte in die Großküche, in der Chefkoch Udo Lehmann und sein Souschef Viktor Preis gerade eine Verschnaufpause machen. Eben erst ist einer der „Lunch Talks“ zu Ende gegangen, zu denen die Landesvertretung regelmäßig Medienvertreter, Fachpublikum und Interessierte einlädt. Die Häppchen, die dazu gereicht wurden, müssen hier entstanden sein – aber nun, keine halbe Stunde später, sieht die Küche wieder picobello aus.
„Ich bin keine Topfguckerin“, antwortet Michaela Veith auf die Frage nach ihrem Lieblingsort im Gebäude, „aber wenn ich mal einen Plausch halten will, gehe ich in die Küche, da ist immer was los.“ Alles in allem beschäftigt die Landesvertretung rund 60 Personen in der Hauptstadt. Drei Abteilungen kümmern sich um Europa-Belange, Bundesrats-vorgänge und den inneren Dienst, sprich Verwaltung. Das jährliche Budget beläuft sich auf rund zwei Millionen Euro.
Überflutungen nach zwei Stunden Starkregen
Wir verlassen den Keller und nehmen den Fahrstuhl zum Obergeschoss. Hier, im hinteren Teil der Etage, findet sich der etwas abgegrenzte Gäste-Bereich, in dem Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz bei politischen Missionen in der Hauptstadt übernachten. Vier Einzel- und drei Doppelzimmer stehen dafür zur Verfügung, neben den Appartements für Ministerpräsidentin Malu Dreyer und die Bevollmächtigte des Landes, Heike Raab – zu ihr später mehr. Dass die Chefin des Landes ebenfalls hier nächtigt, könnte man unter verantwortlichem Umgang mit Steuergeldern verbuchen, doch es stehen auch Sicherheitsbedenken im Vordergrund. Übrigens sind im föderalistischen Deutschland nicht Berliner, sondern rheinland-pfälzische LKA-Polizisten für sie zuständig.
Von der Dachterrasse aus bietet sich uns ein ungewohnter, aber auch beklemmender Ausblick: Das angrenzende Holocaust-Mahnmal, das der amerikanische Architekt Peter Eisenman 2005 vollendete, verliert von hier oben vieles von seiner kafkaesken Bedrohlichkeit – in der tristen Sonne fühlt man sich an eine riesige, fremdartige Sonnenuhr erinnert. Auch wenn das nie beabsichtigt war, sollte Rheinland-Pfalz am Ende die beste Aussicht auf das unheimliche Werk haben: Als das Mahnmal eingeweiht wurde, hat Eisenman seine Fotos von hier oben aus geschossen.
Jenseits der grauen Steinblöcke sehen wir die Amerikanische Botschaft mit ihren mittlerweile berühmt-berüchtigten Spionage-Antennen und müssen wieder an den abhörsicheren Weinkeller denken. Währenddessen hoppeln im adrett gemähten Garten Kaninchen unbekümmert durch den Tag, dass man vermuten könnte, die Landesvertretung habe sie eigens dort ausgewildert. Aber nein – die wanderten vom Tiergarten in die Ministergärten herüber, natürlich schnell gefolgt von Füchsen.
Die Vertretungen von Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und dem Saarland teilen sich nicht nur eine Tiefgarage, sondern auch eine gemeinsame Rasenfläche. Bei Grill- und Sommerfesten können sich Besucher auf der knapp 100 Meter breiten Fläche verteilen. „Wenn das Wetter denn mitspielt …“.
„Auf jeden Fall hat die Bevollmächtigte dieses Landes das große Glück, eines der schönsten Büros in ganz Berlin zu haben“, findet Staatssekretärin Heike Raab, die die Leitung der Landesvertretung vor knapp zwei Jahren von ihrer Vorgängerin Jacqueline Kraege übernahm. „Ich habe hier viel gute Politik im Sinne unseres Landes machen können“, schwärmt sie.
Raab stammt aus Cochem an der Mosel und verdiente sich ihre Sporen noch zu Zeiten des Bonner Bundestags. Es folgte ein Abgeordnetenmandat in Rheinland-Pfalz, wo sie medienpolitische Sprecherin, später SPD-Generalsekretärin und zuletzt Staatsekretärin im Innenministerium wurde. Ihr Lebensmittelpunkt sei nach wie vor in Rheinland-Pfalz, sagt sie. Folglich sei dies nur eines ihrer drei Büros – neben einem in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei und einem in Brüssel. Zwei bis drei Tage pro Woche verbringe sie aber in der Hauptstadt: „Hier schaue ich auf den Tiergarten, auf den Reichstag, habe dieses beeindruckende Holocaust-Denkmal vor Augen …“ Raab blickt von ihrem Konferenztisch aus durch die Glasverkleidung und sinniert einen Moment. „Wir sind hier auf dem alten Mauerstreifen, und ich finde immer noch, dass dies ein erhabenes Gefühl ist, hier mit dieser Weitsicht auf das politische, demokratische, geeinte Berlin schauen zu dürfen“.
Das verrückteste Erlebnis in ihrer Zeit hier? Sie denkt nicht lange nach, zückt ein iPhone und präsentiert ein Video vom Sommer 2016: Zu sehen ist eine Stelle im Dach, die wir eben passiert haben. Die machte schon einmal Probleme und zwar keine kleinen. Auf dem Screen flackert die Aufnahme eines tropischen Wasserfalls – auf einer Breite von fünf Metern gaben die Dichtungen im Dach nach und fluteten das mit Parkett ausgelegte Entree. Jeder Mitarbeiter, von der Service-Kraft bis zum Referenten, soll damals heldenhaft versucht haben, das Holz zu trocknen. Aber nach zwei Stunden Starkregen war der Schaden da. „Es sah aus wie Caspar David Friedrichs ‚Das Eismeer‘“, lacht ihre Kollegin Veith. Der Schaden ist längst behoben.
Derzeit beschäftigt die Landesvertretung vor allem das Kooperationsverbot im Bildungsbereich, also die strikt abgegrenzten Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern im Bereich Bildung. In einem Entschließungsantrag mehrerer Bundesländer hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, mit den Ländern über eine Grundgesetzänderung zu sprechen. Das Kooperationsverbot soll demnach aufgehoben werden. Es müsse für den Bund möglich sein, stärker an der Finanzierung von Bildung mitzuwirken. Zwar sehe der Koalitionsvertrag erweiterte Möglichkeiten des Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Finanzierung von Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen vor. Aber die Öffnung gehe nicht weit genug.
Und da kommt doch wieder der Föderalismus ins Spiel: Die fachliche Zuständigkeit für die Bildung müsse weiter bei den Ländern liegen. Die Ausschüsse des Bundesrates beraten noch – und bekanntlich drehen sich die Mühlen des Gesetzes auch in Berlin nicht besonders schnell.