Nach seinem offiziellen Rücktritt von der Profi-Tour, kurz vor seinem 40. Geburtstag, bleibt Tommy Haas seiner großen Liebe Tennis treu. Möglicherweise auch bei den BMW Open in München, mit direktem Draht zu seinen deutschen Nachfolgern.
Eigentlich ist es „nur" ein 250er-Turnier, das Traditions-Event am Aumeister, also die niedrigste Kategorie der ATP-Profitour, das wie seit mehr als 100 Jahren vom 30. April bis 6. Mai auf Sandplätzen nahe dem Englischen Garten deutsche und internationale Spieler mit Star- und Showqualitäten anzieht. So wie früher auch immer wieder Tommy Haas, der mit 24 Jahren schon Nummer zwei der Tenniswelt war. Ein häufig verletzungsgeplagter, aber immer wiederkehrender Stehaufspieler, der das Turnier 2013 gewann und vergangenes Jahr noch bis ins Achtelfinale kam. Der ein paar Wochen später das letzte offizielle Match seiner Karriere in Stuttgart gewann – gegen niemand Geringeren als seinen Freund Roger Federer.
Zurück nach München: „Wir können den Zuschauern das stärkste Spielerfeld präsentieren, seit ich vor elf Jahren als Turnierdirektor gestartet bin. Es ist ein sehr kompaktes Feld, mit Alex Zverev an der Spitze und zahlreichen Weltklassespielern, die in diesem Jahr bereits beeindruckende Erfolge gefeiert haben", verkündete Turnierdirektor Patrik Kühnen im Vorfeld in München. Gerade die Auftritte der deutschen Spieler bei den BMW Open sind oft symptomatisch für deren weitere Karrieren: Alexander „Sascha" Zverev startete 2017 mit seinem Turniersieg in München seinen Vorstoß bis auf Position drei der Weltrangliste, nachdem er noch wenige Jahre zuvor in der bayerischen Landeshauptstadt mit dem Zurechtfinden in seinem langen Körper gehadert hatte. Heuer strahlt der 21-Jährige als Ticket-Magnet von allen Plakaten und kann in eigener bayerischer Nobelkarosse einfahren.
Auch Qualifikant Yannick Hanfmann fiel 2017 bei den BWM Open als Viertelfinalist erstmals einem breiteren Publikum auf, spielte mittlerweile schon im Davis Cup für Deutschland und schaffte es beim ATP-Turnier in Gstaad von der Qualifikation bis ins Finale.
Weltklasse-Athleten nutzen Start in die Sandplatz-Saison
Die Farbe der Sandplätze bei den BMW Open spiegelte sich bei der Präsentation der Meldeliste in der hochglänzenden Karosserie des Plug-in-Hybrid-Sportwagens BMW i8 Roadster wider, den der Gewinner der BMW Open bei FWU am 6. Mai nach gewonnenem Finale nach Hause fahren darf. Das Verdeck möge dann am besten offen stehen, hoffen die Veranstalter des 250er-ATP-Tennisturniers, das auf der Iphitos-Anlage wieder eine erstaunlich hochklassige Auswahl der weltbesten Tennisspieler nach München bringen wird. Gut 560.000 Euro Rekordpreisgeld locken, die 40.000 Tickets sind in diesem Jahr gefragter denn je.
Keine Frage: Spieler wie Zuschauer würden sich über ein wenig mehr Sonne als beim überwiegend regennassen 2017er-Turnier freuen. Nach Kälte soll ja Wärme folgen: Mit einem Monat Verspätung konnten sich die Iphitos-Sandplatzbereiter nach dem langen Winter heuer erst an ihr Werk machen. Immer wieder waren die Böden gefroren. Auch im letzten März-Drittel galt es, noch Schnee wegzuräumen, bevor man sich dem Sand zuwenden konnte, der im hochgelegenen München die Bälle besonders flugs abspringen lässt und die Spieler zum Laufen bringt. Hochgeschätzt bei den Heimkehrern von der amerikanischen Hartplatztournee, als Einstimmung auf die Sandplatz-Saison, besonders auf die drei Wochen später startenden French Open, dem zweiten Grand-Slam-Turnier der Saison. „Wir haben einen perfekten Kalendertermin, wenn wir vergleichen, dass viele 500er-Turniere deutlich weniger Top-100-Spieler haben als wir. Die Spieler wollen auf Sand spielen", sagte Iphitos-Geschäftsführer Fabian Tross dazu. „Wir haben mehr als 100 Jahre Sandplatztradition. Wir würden nie auf Hartplatz wechseln wollen."
Der Manager des Vereins, auf dessen Gelände sich die Granden und jungen Wilden der deutschen und internationalen Szene im Frühling zusammenfinden, ist nicht nur über die vergleichsweise unproblematische Wiederkehr von Vorjahres-Turniersieger Sascha Zverev in diesem Jahr sehr begeistert. Er verriet über den einstigen Olympia-Silber-Gewinner Tommy Haas, der weltweit 15 Titel holte und mittlerweile in Indian Wells selbst Direktor eines innovativen Turniers ist: „Wir haben einen sehr engen Draht zu ihm und sind ein bisschen im Gespräch, ob er sich bei uns ein wenig mehr engagiert. Er ist der Einzige, der zweimal den Iphitos-Award gewonnen hat. Es ist eine unheimlich enge Verbindung aus den vielen BMW-Open-Jahren da. Seine Geschwister leben in München. Ich glaube schon, dass er wieder in München sein wird. Natürlich nicht mehr in der Rolle der vergangenen Jahre."
Kampf um „Sascha" Zverev
Zur Wiesn-Zeit komme Haas immer mit 20 Freunden im Flieger zum Spaß-Turnier übers Wochenende auf die Anlage beim Aumeister. Danach geht er mit den Iphitos-Leuten aufs Oktoberfest. Verdrahtung auf Münchnerisch.
Zu Sascha Zverev hingegen, den Top-Fünf-Spieler aus Hamburg, flogen die Organisatoren selbst: Zu Zverevs Auftritten in New York und in London, um mit ihm zu sprechen, mit seinem Papa, seinem Bruder, seiner Mama – vielleicht hat auch Hund Lovik noch ein Gutserl aus München abbekommen: „Wenn es um Zverev geht, ist jeder Einzelne in der Familie wichtig", weiß Tross, der für die Anwerbung des nächsten deutschen Stars für München 2018 keineswegs den puren Weg übers Management wählte.
Hier erfolgreich, bei der deutschen Nummer vier hingegen weniger: „Peter Gojowczyk sagte: ‚Du, ich stehe jetzt mal in den Top 50 der Welt. Ich will mich auf die großen Turniere konzentrieren.‘ Und das müssen wir respektieren", erklärte Turnierdirektor Patrik Kühnen die Absage ausgerechnet des Münchner Top-Spielers, den viele in seiner aktuellen Spitzenform gerne live gesehen hätten.
Dabei sind allerdings außer Sascha und Bruder Mischa Zverev auch der 22-jährige Nürnberger Maximilian Marterer, der 2017 in Eckental ein Turnier gewann und bei den Australian Open 2018 erst in der dritten Runde gegen Tennys Sandgren ausschied, sowie einer der „Helden" des jüngsten Davis-Cup-Viertelfinal-Doppels, Jan-Lennard Struff. Außerdem der beständige Bayreuther Florian Mayer.
Nicht zu vergessen die deutsche Nummer zwei, der Kämpfer mit Löwenherz beim entscheidenden vierten Davis-Cup-Einzel in der Stierkampfarena von Valencia: Philipp Kohlschreiber. Der 32-Jährige hatte in Spanien in der fast fünf Stunden währenden, heiß und leidenschaftlich umkämpften Partie gegen David Ferrer Gelegenheit, sich auf sehr schwerem Sand und teils im Sandsturm auf die Asche-Saison einzuspielen. Im fünften Satz hätte er seinem Gegner beinahe zum eigenen 6:4-Satz- und Matchgewinn dessen Aufschlagspiel abgenommen. Doch Ferrer ließ nicht locker und schaffte noch die Wende zum 7:5 aus seiner Sicht. Spanien stand im Halbfinale. „Kohli" sank fassungslos in sich zusammen. In München ist der Augsburger jedoch ohne Zweifel ein Held. Dreimal siegte Kohlschreiber bereits bei den BMW Open, will in diesem Jahr einmal mehr die Trophäe holen.
Hoffnung auf einen Außenseiter
Auch die internationalen Gemeldeten taugen durch die Bank als Titel-Aspiranten: etwa Gael Monfils, Roberto Bautista Agut, Diego Schwartzman, Guido Pella, Yuichi Sugita oder Fabio Fognini. ATP-Juniorenweltmeister Hyeon Chung ließ ausrichten: „Ich hoffe auf ein Finale gegen Alexander Zverev."
Aufgrund der Verletzungsmisere bei den großen Spielern hofft man auch noch auf manchen Überraschungsstar, der sich mit einer Wildcard in München wieder einspielen will: So wie einst Andy Murray, der dann das Turnier gewann und als Schotte mit der zum Gewinn gehörenden Lederhose nicht viel anzufangen wusste. Tross: „Von den Verletzten werden wir den einen oder anderen noch sehen: Ob Djokovic, Murray, Thiem, Wawrinka, Nishikori… Da sind wir mit allen noch im Gespräch. Wir haben ja noch zwei Wildcards. Und immer die Hoffnung, dass einer von den Spielern sagt, ich brauche noch ein Turnier, möchte wieder reinkommen, der hier vielleicht schon mal gerne war und gerne aufspringt."
Ach ja, Haas als erfahrener Wiesn-Gänger sah 2013 als Turniersieger im Anlegen der Lederhosen kein Problem. Kommt er tatsächlich ins Management der BMW Open, kann der freundliche Wahl-Amerikaner den künftigen Gewinnern sicherlich zeigen, wie man sie richtig trägt.