Das Wettrennen auf dem Stahlmarkt hält an. US-Präsident Donald Trump droht mit Zöllen auf Stahlimporte in die USA, die europäischen Stahlhersteller sehen sich durch den EU-Emissionshandel unfair behandelt. Die Stahlkocher bangen weiter ums Geschäft, auch die saarländischen Unternehmen Saarstahl und Dillinger Hütte.
Das ist eine frohe Botschaft für die saarländischen Stahlkocher in diesem Jahr: Im vergangenen Jahr schrieben die beiden eng verbandelten Unternehmen Saarstahl und Dillinger Hütte nach längerer Durststrecke wieder schwarze Zahlen. Die Vorstände der Unternehmen können durchatmen – erst mal.
„Dillinger konnte trotz weiterhin schwierigem Marktumfeld mit weltweiten Überkapazitäten auch dank einer verbesserten Nachfrage sowohl die Menge als auch die Erlöse steigern", sagte Dillinger-Vertriebsvorstand Günter Luxenburger. Um aber gleich hinzuzufügen: „Sie sehen hier etwas Prosatext." Und der Chef und Finanzvorstand beider Unternehmen, Fred Metzken, warnt, schließlich komme man von einem sehr niedrigen Niveau: „Am Ende wird nicht ein temporäres Hoch entscheiden, sondern wir müssen die Ergebnisse nachhaltig gestalten."
Dafür sind ständige Investitionen nötig, ein weiterer Abbau der Arbeitsplätze scheint unausweichlich. In diesem Jahr sank die Zahl der Beschäftigten bei Dillinger erstmals auf unter 5.000. Nach dem Konsolidierungsplan „Dillinger 2020" sollen es bis Anfang des kommenden Jahrzehnts nur noch 4.700 sein. Bei Saarstahl waren Ende 2017 gut 6.300 Menschen beschäftigt, rund 200 weniger als im Vorjahr.
In Deutschland arbeiteten 2016 noch fast 85.000 Menschen bei den Stahlherstellern, EU-weit mehr als 318.000. Eine seriöse Prognose für die nächsten zehn Jahre sei „aufgrund der vielen volatilen Faktoren" nicht möglich, heißt es bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Denn offen ist, wie sich etwa Handels-, Klima- oder Energiepolitik entwickeln.
Verbesserte Nachfrage
Metzken und Co. sehen weiter dunkle Wolken über der Stahlbranche. Zum einen wird der europäische Markt weiter mit Billig-Stahl aus Ländern wie China, aber auch der Ukraine, Südkorea und Indien überflutet. Das Problem dürfte sich durch die Abschottungspolitik von US-Präsident Donald Trump noch verschärfen: „Die Strafzölle werden drastische Folgen für Unternehmen in Deutschland und Europa haben", warnt der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff.
Noch hat Trump erst vor allem China ins Visier genommen, einen 25-prozentigen Zoll für chinesische Stahl-Produkte definitiv angekündigt, den Zoll für die EU und andere Staaten erst mal bis zum 1. Mai ausgesetzt. Für die Stahlbranche ist das „nur eine Atempause", so Kerkhoff – mehr nicht.
Deutschland exportierte nach der amtlichen Außenhandelsstatistik im vergangenen Jahr 1,3 Millionen Tonnen in die USA. Das Reich Trumps war damit der wichtigste Markt für die deutsche Stahlbranche außerhalb der EU, auch wenn das nur vier Prozent aller Drittland-Exporte waren.
Und zumindest für die saarländischen Unternehmen wäre das erst einmal kein Problem. Die Dillinger Hütte hat ihr USA-Geschäft im vergangenen Jahr ohnehin eingestellt, nachdem die USA in einem Anti-Dumping-Verfahren einige ihrer Produkte mit einer zusätzlichen Abgabe belegt haben. Saarstahl hat zwar ein nennenswertes USA-Geschäft. Im vergangenen Jahr exportierte der Konzern laut Metzken 150.000 Tonnen, rund 5-6 Prozent seiner Produkte, über den Atlantik. Die amerikanische Kundschaft wäre aber dazu bereit, weiter die – in den USA selbst nicht produzierten – Saarstahl-Produkte zu kaufen, auch wenn die 25 Prozent teurer würden.
Was die Stahlkocher vor allem umtreibt sind die sogenannten Umleitungseffekte. Wenn Länder wie China, Indien oder die Türkei wegen der Zollhürden ihren Stahl nicht mehr in den USA absetzen können, würden sie noch stärker auf den ohnehin überschwemmten europäischen Markt drängen, so die Befürchtung. Dabei sieht Stahlverbands-Chef Kerkhoff weiter das „Hauptproblem" in China, das noch immer 280 Millionen Tonnen im Jahr mehr produziere als es verbrauche.
Aber nicht nur China drängt mit seinen Produkten nach Europa. Im vergangenen Jahr hat die EU nach langen Verhandlungen Zölle gegen Stahl-Produkte aus dem Reich der Mitte verhängt. Dadurch sind nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl zwar die Importe von Walzstahl und Stahlrohren aus China drastisch zurückgegangen. Das gilt auch für Grobbleche, auf die Dillinger spezialisiert ist.
Eine echte Entwarnung könnte aber nicht gegeben werden, sagt Dillinger-Vertriebschef Luxenburger. Die anderen, das ist Südkorea, Indien, die Russische Föderation und neuerdings auch Indonesien, hätten auf dem Grobblechmarkt „praktisch die Mengen, die aus China nicht mehr gekommen sind, fast komplett kompensiert. Summa summarum – die Botschaft lautet: Keine Entwarnung an der Front, auch wenn die Chinesen herausgegangen sind."
Zudem sehen sich die europäischen Stahlkocher weiter durch die Kosten für die CO2-Abgabe „unfair" belastet. Umweltpolitisches Ziel des Zertifikatshandels ist es, den Preis für Energie zu verteuern, die Unternehmen zu Umwelt-Investitionen anzuregen und damit den Ausstoß an klimaschädlichem Gas zu verringern.
Das belastet aber energieintensive Unternehmen wie die Stahlkocher besonders stark. Noch im vergangenen Jahr demonstrierten Stahlarbeiter zu Tausenden in Berlin und Brüssel für eine gerechte Lösung. Die EU beschloss nach langwierigen sogenannten Trilog-Verhandlungen – zwischen Rat, Kommission und Parlament –, die Zahl der Zertifikate weniger stark zu verknappen als zunächst geplant und hat mehr Gratis-Zertifikate für die Industrie zugesagt.
Keine Entwarnung für die Betriebe
Das ist aus Sicht der Stahlkocher aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Daher bleibe auch die „Forderung nach fairem Klimaschutz dringlich", betont Dillinger Technik-Vorstand, Bernd Münnich. Er hat errechnet, dass allein Saarstahl und Dillinger Hütte, in der laufenden Handelsperiode (2013 bis 2020) zwölf Millionen Zertifikate, im kommenden Jahrzehnt pro Jahr 1,6 bis 1,8 Millionen Stück dazu kaufen müssen. Das wären nach aktuellem Preis in der vierten Handelsperiode (2021 bis 2030) rund 200 Millionen Euro, könnte aber auch mehr sein – je nachdem wie sich der Zertifikatspreis entwickelt. Dieser habe sich im Laufe der vergangenen zwölf Monate bereits auf elf Euro mehr als verdoppelt, rechnet Münnich vor.
In den vergangenen Jahren ging es der Stahlbranche vor allem um eine Reduzierung ihrer Belastung durch eine entsprechende Ausgestaltung für den CO2-Handel. Jetzt rückt die Forderung an die Politik nach einer CO2-Sonderabgabe für „dreckiger produzierten" Import-Stahl in den Vordergrund. Denn Hersteller in Ländern außerhalb der EU hätten diese höheren Kosten nicht, die nicht an die Kunden weitergegeben werden könnten, so die Argumentation. Die europäischen Stahlkocher verlangen daher, nicht mehr und nicht weniger als „Fairness".
In ihrem langfristigen Überlebenskampf setzen die deutschen Stahlkocher vor allem auf technisch einmalige Produkte und ständige Innovationen. Neue Entwicklungen bei Dillinger und Saarstahl würden daher als topsecret eingestuft, berichtet Metzken – damit die Chinesen sie nicht klauen. Denn die Asiaten sind den europäischen Stahlherstellern dicht auf den Fersen.
Die moderne Technik auf dem Stahlsektor hätten diese längst und auch die Manpower mit dem Fachwissen zur Bedienung der Maschinen, würden diese wohl bald haben, resümiert Dillinger-Technik-Vorstand Münnich. Seine Hoffnung ist vor allem, dass die Arbeitnehmer auch im Land der Mitte künftig mehr Geld verlangen und auch bekommen.
Zudem hat China schon jetzt mit immenser Luftverschmutzung zu kämpfen. Investitionen in den Umweltschutz scheinen unausweichlich. Das alles würde die Preise für den Import-Stahl steigen lassen und die europäische Stahlbranche im globalen Wettbewerb konkurrenzfähiger machen, so die Hoffnung.