Der britische Fotograf Barry Cawston hat viele Werke des Street-Art-Künstlers Banksy abgelichtet. Einige davon sind derzeit in der Ausstellung „Banksy’s Dismaland & Others – Fotografien von Barry Cawston" im Weltkulturerbe Völklinger Hütte zu sehen.
Ihre großen Kulleraugen sind leer und weit aufgerissen, die zarten Arme baumeln an Aschenputtels leblosem Körper herab. Die Prinzessin der Herzen ist tot. Gejagt von den Fotografen, überschlägt sich die zarte Blondine in ihrer märchenhaften Kürbiskutsche und stirbt im Blitzlichtgewitter herbeigeeilter Paparazzi. Die Installation „Car Crash Princess" ähnelt der Todesszene einer anderen Kultfigur, der einstigen Kronprinzessin des Vereinigten Königreiches, Lady Diana. Ein makabrer Gedanke, den man am liebsten gleich von sich weisen möchte. Doch Banksys Installation lässt es nicht zu. Vielmehr baut der Urban-Art-Künstler sein Werk in einem stockdunklen Raum auf, die einzige Lichtquelle, die das Kunstobjekt erhellt, ist das aufleuchtende, grelle Blitzlicht der Fotokameras. Damit bindet Banksy den Betrachter quasi gleich mit in seine Installation ein. Plötzlich fühlt man sich auch als Teil dieser Meute, die sich um die Tote schart, in der Hoffnung einen Blick auf die Tragödie zu erhaschen. Provokant und ironisch zugleich. Aber so ist Banksy. Er hält der konsumorientierten Gesellschaft gerne den Spiegel vor.
„Das ist auch das Faszinierende an ihm", schwärmt Fotograf Barry Cawston bei der Eröffnung seiner Fotoausstellung zu „Banksy’s Dismaland & Others" in der Völklinger Hütte. Nach Cawston seien die Werke von Banksy fernab simpler Wertungen, wie schön oder hässlich. Die Besonderheit des britischen Street-Art-Künstlers ist für den offiziellen Fotografen von Banksy – wie Cawston gern von der Presse betitelt wird – die Kreativität, mit der er an seine Arbeit herangeht. „Er nutzt die vielfältigsten Elemente und bemüht die unterschiedlichsten Ebenen, aus denen dann anschließend ein vielschichtiges Kunstwerk entsteht", begründete Cawston seine Passion für den Ausnahmekünstler, der mit seinem schwarzen Humor gern gegen Themen wie Armut und Krieg wettert.
Cawston hat – wie der Rest seiner gigantischen Fangemeinde – Banksy nie kennengelernt. Auch nach über 25 Jahren in der Street-Art-Szene bleibt der Künstler ein Phantom. „Ich muss anonym bleiben", sagte Banksy seinerzeit zu Simon Hattenstone vom „Guardian", dem einzigen Journalisten der mit ihm jemals ein Live-Interview führen durfte, „um bei meiner Arbeit nicht eingesperrt zu werden." Sogar Banksys Eltern sind immer noch überzeugt, dass ihr Sohn als Innendekorateur arbeitet.
Fotos entstehen durch Zufall
Es scheint, als sei über den Street-Art-Künstler nur eine Information bekannt: Er wurde 1974 in Bristol geboren. Gerade deshalb kursieren die unterschiedlichen Theorien zu seiner möglichen Identität. Ein Teil der Fans ist überzeugt, dass Banksy ein 40-jähriger Mann aus Bristol ist. Für andere wiederum ist der Künstler eindeutig Robert Del Naja, Sänger der Band Massive Attack. Der Rest sieht in Banksy ein siebenköpfiges Künstler-Kollektiv unter weiblicher Anleitung. Diese Theorie wird vor allem mit dem sozialkritischen Aspekt belegt, der die Arbeit von Banksy zum größten Teil mit auszeichnet.
In den wenigen schriftlichen Interviews, für die Banksy bisher ab und zu zur Verfügung stand, rückte er vor allem das Verständnis der Kunst in den Vordergrund. „Ein paar Hundert Leute entscheiden über die Kunst", erklärte Banksy. „Wenn du in ein Museum gehst, bist du nichts anderes als ein Tourist, der die Trophäen einiger Millionäre anstaunt." Mit seinen Installationen und Bildern steuert der Brite gegen die Kommerzialisierung. Seine Graffitis – die Bilder entstehen mithilfe von Schablonen, sogenannten Stencils – sprayt der Künstler zum Beispiel auf sanierungsbedürftige Häuserwände oder marode Mauern. Wenn sie dann von anderen Street-Art-Künstlern übermalt werden, dann sei es halt so, beantwortete Banksy die ihm gestellte Frage. Solche Eitelkeiten seien ihm fremd, Kunst müsse lebendig bleiben.
Nur die wenigsten seiner Projekte entstehen abseits des Publikums. So wie zum Beispiel seine „Dismaland"-Installation in Weston-super-Mare im Jahr 2015. Über 300.000 Neugierige reisten damals in den verschlafenen Ferienort am Bristolkanal in North Somerset um Banksys abgesperrtes trostlose Land – eine scharfsinnige Parodie auf den schillernden Vergnügungspark Disneyland – zu sehen. Auch Cawstons schnappt sich damals seinen Fotoapparat und besichtigte das spektakuläre Kunstprojekt, das nur wenige Kilometer von seinem Haus in Somerset errichtet wurde. Neben „Car Crash Princess" und „Performing Art" – einer Installation, die die Ausbeutung von Tieren fokussiert – gelingen Cawston viele weitere einmalige, authentisch-atmosphärische Momentaufnahmen, die die Auseinandersetzung der Besucher mit Banksy‘s Kunst widerspiegeln.
Insgesamt scheint Cawston ein gutes Gespür für Banksy zu haben. Auch seine Stippvisite im „Walled Off Hotel" – Banksy’s politischer Installation in Bethlehem mit der Aussicht auf die Sperrmauer zwischen Israel und Westjordanland – war reiner Zufall. Eine Auswahl der Besten 41 Bilder von Cawston gibt es nun bis 4. November in der Völklinger Hütte zu sehen.