Rund 80 Prozent aller Ressourcen werden von nur 17 Prozent der Weltbevölkerung verbraucht. Ganze 15.000 Liter Wasser benötigt man, um ein Kilogramm Fleisch herzustellen. Dringend Zeit also, um alternative Systeme zur konventionellen Tierzucht und Landarbeit zu entwickeln.
Dank Aquaponik kann eine nachhaltige Lebensmittelproduktion gelingen. Aquaponik ist ein Mischwort aus „Aquakultur" (die Aufzucht von Fischen) und „Hydroponik" (die erdfreie Kultivierung von Nutzpflanzen) und steht für die Symbiose aus Pflanzenanbau und Fischzucht in einem geschlossenen Stoffkreislauf. Nach dem Prinzip „Fisch düngt Pflanze" werden giftiges Ammonium und Ammoniak aus den tierischen Ausscheidungen mithilfe von Bakterien in Nitrat umgewandelt – einen optimalen Pflanzendünger. Das nun nährstoffreiche Wasser gelangt schließlich in die Pflanzenbehälter. Die freiliegenden Wurzeln werden benässt und die Pflanzen reinigen das Abwasser aus der Fischzucht, indem sie den Dünger aufnehmen. Die Nutzpflanzen wachsen meist in Fließrinnen, die mit Kokosfasern oder Kies gefüllt sind.
Die Nutzung der Kombination zweier Ökosysteme ist nicht neu – bereits die Azteken in Mittelamerika nutzten vor rund 600 Jahren Aquaponik als Anbaumethode, wenn auch nicht so durchdacht wie heute.
Durch Aquaponik kann man frischen Fisch und knackiges Gemüse sowie Kräuter in nur einer Anlage züchten – bei stets optimierten Bedingungen. Schwankungen wie Regenmenge, Trockenphasen, Sonnendauer oder schlechtes Nahrungsmittelangebot existieren bei aquaponischen Anlagen nicht.
Hauptsächlich werden tropische Fische in Aquaponik-Kulturen gezüchtet, darunter vor allem Tilapia (eine Buntbarsch-Gattung) oder Afrikanischer Wels, da im Sommer – insbesondere dann, wenn Gewächshäuser genutzt werden – die Wassertemperaturen sehr hoch werden können. Aber auch Arten wie Forelle und Regenbogenforelle findet man in Aquaponik-Anlagen. Simultan werden Nutzpflanzen wie Tomate, Paprika, Gurke, Zucchini, Kürbis, Chili, Erdbeere, Honigmelone, Salat oder verschiedene Kräuter angebaut, oftmals mitten in Städten wie Berlin oder Stuttgart. Die Nahrungsmittelproduktion in Gewächshäusern ermöglicht eine ganzjährige und nachhaltige Herstellung hochwertiger Lebensmittel.
Keine Pestizide notwendig und kein Antibiotika-Einsatz
Produzieren lässt sich sowohl im großen Stil in kommerziellen Anlagen als auch privat im Hinterhof. In Foren und auf diversen Websites finden sich sogar Anleitungen zum Bau einer eigenen Aquaponik-Anlage. Bei kleinen Privat-Anlagen für Selbstversorger ist man schon mit rund 1.000 Euro dabei. Zur Anlage gehören unter anderem ein grober Filter, ein zweiter Filter mit Mikrobakterien, eine Pumpe, mehrere Rohre, eine Platte, in denen Töpfe mit Sämlingen stecken und ein Becken, in dem Gemüse wächst. Abgesehen davon, dass man zusätzlich den eigenen gezüchteten Fisch essen kann, hat die private Aquaponik-Anlage den Heimgärtnern gegenüber noch andere Vorteile: die Pflanzen sind schneckenfrei, es gibt kein Unkraut zu entfernen, das Gießen entfällt und ebenso das lästige Bücken, da man die Pflanzen meist auf Tische oder die Fischbehältnisse stellt.
Aquaponik-Anlagen haben sehr viele Vorteile. So sind etwa auch keine Pestizide notwendig und kein Antibiotika-Einsatz. Bei den meisten Farmen wird nur natürliches Futter verwendet. Außerdem werden nicht nur CO2 und Transportwege gespart –, sondern auch sehr viel Wasser. Denn das Wasser aus den Fischbecken wird aufbereitet und kann erneut zur Fischzucht genutzt werden. Neues Wasser ist nur notwendig, um Verluste durch Verdunstung und bei der Entnahme von Biomasse auszugleichen. Der Wasserverbrauch wird so enorm gesenkt. Häufig handelt es sich um Regenwasser. Dadurch, dass das Wasser doppelt genutzt wird, seien Einsparungen bis zu 50 Prozent möglich, so Christian Echternacht, Gründer und CMO von ECF Farmsystems. Mit 50 Litern Wasser lassen sich zwei Kilogramm Tomaten und ein Kilogramm Fisch produzieren.
Bei Aquaponik handelt es sich um eine wassersparende und umweltfreundliche Anbau- sowie Zuchtmethode. Auch das Problem der Überfischung der Meere und Flüsse stellt sich nicht. Ein weiterer positiver Effekt: Fisch, Gemüse, Kräuter und Obst sind besonders frisch und von hoher Qualität.
Aquaponik-Anlagen sind in Deutschland und Europa noch kaum kommerziell verbreitet. In der Schweiz – und auch in den USA – wird Aquaponik zwar bereits seit den 80er-Jahren betrieben, aber die Anzahl der Anlagen ist überschaubar. Besonders im wasserknappen Spanien könnte man Aquaponik effektiv nutzen. Hier gibt es aber bisher nur eine einzige größere Anlage.
Hierzulande sind viele Aquaponik-Anlagen Forschungsprojekte. So wird etwa an der Universität Rostock, wo es einen Lehrstuhl für Aquakultur gibt, an einem speziellen Fischglashaus geforscht. Es existieren auch Netzwerke, die Aquaponik durch Veranstaltungen lancieren, etwa der Bundesverband Aquaponik. Besonders bekannt ist das Berliner Start-up ECF Farmsystems (Efficient City Farming), das etwa auch Info-Touren durch die ECF Farm anbietet. In Rewe-Märkten der Region Berlin-Brandenburg kann man seit Sommer 2017 den Hauptstadtbarsch und den Hauptstadtbasilikum aus der Aquaponik-Anlage des Unternehmens kaufen – die Verkaufszahlen übertreffen alle Erwartungen. Nach dem Vorbild in Berlin soll nun eine 2.400 Quadratmeter große urbane Aquaponik-Dachfarm durch ECF Farm Systems in Brüssel entstehen. Auch weitere Aquaponik-Farmen in Belgien, Luxemburg, Frankreich und Italien sind geplant.
Bei Aquaponik handelt es sich um ein nachhaltiges System mit sehr vielen Vorteilen. Lediglich in puncto Wirtschaftlichkeit sind Grenzen gesetzt. Technisch aufwendige Anlagen sind teuer, der Stromverbrauch durch Wasserpumpen hoch. Aquaponik eignet sich daher zunächst eher für die regionale Vermarktung. „Eine Rentabilität erreichen Farmen erst ab einer Größe von mindestens 600 Quadratmetern", sagte Echternacht zum Sender NTV, der Supermärkte und Gastronomie als Hauptabnehmer betrachtet.
Aquaponik kann traditionellen Gemüseanbau und Fischerei vorerst nicht ersetzen, aber bildet eine sehr gute Alternative. Der Weg ist geebnet.