Berlin gewinnt sein Wasser für seine 3,7 Millionen Einwohner komplett „aus eigenem Anbau", also aus dem Boden unter der Hauptstadt. Für eine Stadt dieser Größenordnung durchaus ungewöhnlich. Kann man das Berliner Wasser bedenkenlos trinken? Und wie steht es um die Badequalität?
In der Spree baden, mitten in der Hauptstadt einfach so ins Wasser springen – noch bis vor Kurzem war das fast undenkbar. Dennoch, der Traum ist offenbar geblieben. Und er könnte bald, nach fast 100 Jahren Zwangspause, an manchen Stellen wieder wahr werden: Unterstützt vom Berliner Senat und vom Umweltministerium soll sich der Spreekanal in Berlin-Mitte in ein Flussbad verwandeln. Nicht ganz einfach, vor dem Sprung ins kühle Nass steht noch eine ökologische Säuberung, und wenn auch nicht klar ist, wie lange es noch dauern wird: Es darf geträumt werden.
Schon immer ab ins Wasser geht’s hingegen am Müggelsee, Berlins größtem See. Der ist jedoch zusammen mit der Müggelspree nicht nur ein beliebtes Freizeitgewässer, sondern auch ein geschütztes Natura-2000-Gebiet. Wer nun darf es nutzen und wo? Darüber gab es ausführliche Diskussionen mit den ansässigen Sportverbänden. „Im Ergebnis wurde ein guter Kompromiss zwischen den Interessen des Naturschutzes und der Sporttreibenden gefunden", heißt es aus der Senatsverwaltung für Umwelt. Die Teile des Müggelsees, die Naturschutzgebiete werden sollten, wurden verkleinert und die Sportverbände haben sich in einer gemeinsamen freiwilligen Vereinbarung verpflichtet, für die Einhaltung der Regeln in Naturschutzgebieten zu sorgen – sprich: dafür, dass die Gebiete nur im Notfall befahren werden. Und gebadet werden kann im Müggelsee genauso wie im Wannsee völlig unbedenklich.
Dass die Wasserqualität gut ist, nutzt auch anderen: Im Frühjahr wurden 933.000 junge Glasaale in der Havel, der Dahme sowie der Spree ausgesetzt. Da sich Aale nicht in Gefangenschaft vermehren, wurden die Jungtiere im Meer gefangen und in den heimischen Gewässern freigelassen. Aale wandern zum Laichen rund 5.000 Kilometer durch die Flüsse Richtung Atlantik und weiter bis zur Saragossasee nahe den Bahamas, wo sie 20 bis 30 Jahre nach dem Laichen sterben. Die aus den Eiern schlüpfenden Larven treiben anschließend etwa drei Jahre passiv im Meer, bevor sie als Glasaale an die Flussmündungen und anschließend flussaufwärts zu den angestammten Plätzen der Elterntiere wandern. Doch die Flüsse werden verbaut, Kraftwerke, dreckige Umwelt, Kormorane und auch die Fischerei setzen dem Aal zu. Dadurch ging deren Zahl in Berlin in den vergangenen 20 Jahren um etwa die Hälfte zurück. Mit dem Ausbringen der Jungaale soll der Bestand wieder langfristig gesichert werden. Schließlich gehört der Europäische Aal zu den heimischen Fischarten und hat eine wichtige ökologische Funktion, er trägt unter anderem zur Wasserreinhaltung bei und ist ein geschickter Jäger. Darüber hinaus gehört er zu den wirtschaftlich bedeutendsten Fischarten der Fluss- und Seenfischerei.
Gutes Wasser gibt es in Berlin aber nicht nur zum Baden – es kommt auch in hoher Qualität aus der Leitung. Und das nicht nur in den eigenen vier Wänden: Zu den schon vorhandenen Trinkbrunnen in der Stadt bauen Umweltsenat und Berliner Wasserbetriebe aktuell noch weitere in öffentlichen Grünanlagen und an zentralen Plätzen auf. Der erste dieser neuen Brunnen soll in diesem Sommer den durstigen Berlinern und den Besuchern der Stadt Trinkwasser spenden. Entweder gleich aus dem Hahn getrunken oder in die eigene Wasserflasche abgefüllt.
Doch woher kommt es eigentlich, das Berliner Trinkwasser? Es besteht zu zwei Dritteln aus Uferfiltrat, kommt also aus Brunnen in der Nähe von Flüssen oder Seen. Das restliche Drittel ist landseitiges Grundwasser. Es enthält viele wertvolle Mineralien und wird deshalb als „hart" oder „kalkhaltig" bezeichnet. Das ärgert zwar Kaffeemaschinen, Geschirrspüler und Co., aber einem puren und gesunden Trinkgenuss steht deshalb nichts im Wege – was Berlin übrigens auch die Stiftung Warentest bescheinigt hat.
Allerdings tauchen zunehmend auch unwillkommene Stoffe im Wasser auf. Einer von ihnen ist das Sulfat: Dieses Schwefelsalz kommt aus dem Braunkohletagebau in der Lausitz. Es wird freigesetzt, wenn einstige Bergbaugebiete geflutet werden, und gelangt durch aufsteigendes Grundwasser in die Spree. Die trägt es in den Müggelsee, um den sich die Brunnen gruppieren, die versickertes Wasser in die Leitungen pumpen. Derzeit stagniert die Sulfatbelastung der Spree knapp unter dem gesetzlichen Grenzwert fürs Trinkwasser von 250 Milligramm Sulfat pro Liter. Das könnte sich jedoch ändern – Berlin erwartet daher von den Bergbau betreibenden Bundesländern alles zu unternehmen, um die Berliner Trinkwasserversorgung zu schützen.
Mikroplastik im Wasserkreislauf
Was aktuell – und das ja überall, nicht nur in Berlin – zunimmt, ist die Belastung der Gewässer mit Spurenstoffen. Arzneimittel und Rückstände von Pflanzenschutzmitteln sowie Industrie- und Haushaltschemikalien tragen zu dieser Verunreinigung bei. Hersteller und Produzenten chemischer Produkte, die Spurenstoffe mit sich bringen, müssen weitere Vorsorgemaßnahmen entwickeln, so fordert es die Senatsverwaltung für Umwelt. Aktuell laufen in den Klärwerken Versuche mit einer vierten Reinigungsstufe, die auch Spurenstoffe erfasst. Das Problem ist jedoch, dass jeder Stoff eine andere Vorgehensweise erforderlich macht.
Auch in Sachen Mikroplastik laufen Versuche. Solche winzig kleinen Plastikteilchen sind beispielsweise in Cremes und Duschgels enthalten und gelangen so ins Abwasser. Ebenfalls aus dem Haushalt stammt Abrieb beim Waschen von Kunststoffkleidung. Und von den Straßen kommt der Reifenabrieb der Autos dazu – er wird über das Regenwasser ins Grundwasser geschwemmt. Zusammen mit der TU und vielen weiteren Forschungseinrichtungen hat der Umweltsenat daher das Projekt „MiWa – Mikroplastik im Wasserkreislauf" gestartet. In diesem Rahmen testen die Berliner Wasserbetriebe aktuell einen Polstofffilter: Sie wollen herausfinden, inwieweit sich so ein Tuchfilter im Vergleich zu anderen Abwasserreinigungsverfahren zur Entfernung von Mikroplastik eignet.
Damit die Berliner und ihre Gäste weiter auf sauberes Wasser vertrauen können, sei es beim sommerlichen Bad im See oder zum Befüllen der Wasserflasche, investieren die Wasserwerke bis 2023 rund 2,3 Milliarden Euro. Dennoch soll das Berliner Wasser bis 2021 nicht teurer werden. Das ist vielleicht nicht ganz so erstaunlich, wie es erst mal klingt: Denn die Stadt wächst weiter. Das rechnet sich, schließlich braucht jeder das kostbare Nass – und so können die Wasserwerke auch mehr Trinkwasser verkaufen.