Nach dem Schock über die Krankenhausschließung in Wadern kämpft eine Bürgerinitiative weiter mit viel Unterstützung für eine „Nordsaarlandklinik" und kann Teilerfolge vermelden. Das intensive Ringen wirft grundsätzliche Fragen nach der Versorgung ländlicher Regionen auf.
Der Aufschrei war heftig. Die Politik auf Landes- und Kommunal-Ebene reagierte unisono empört und entsetzt, als Fakt wurde, was schon lange drohte. Seit Ende vergangenen Jahres ist das Krankenhaus in Wadern geschlossen, das nördliche Saarland um einen Standort ärmer. „Wirtschaftliche Gründe und verschärfte Rahmenbedingungen" seien ausschlaggebend gewesen für die Entscheidung, teilte die Marienhaus-Trägergesellschaft mit. Das Land reagierte mit der Beauftragung einer Machbarkeitsstudie für eine „Nordsaarlandklinik". Die kam, so das Kurzfazit, zu folgendem Ergebnis:
Eine Nordsaarklinik wäre denkbar unter zwei Grundvoraussetzungen: Zum einen müssten alle Träger, die bisher in der Region als Wettbewerber auftreten (Marienhaus, ctt, SHG) kooperieren, und es müsste eine Investitionssumme von etwa 82 Millionen Euro gestemmt werden. Für ersteres fand sich offenbar keine Bereitschaft, für zweites bislang kein Interessent.
„Dort ensteht ein Loch", warnt die BI
Damit wäre die Geschichte eigentlich zu Ende erzählt. Gäbe es nicht eine überaus rege und aktive Bürgerinitiative, die sich im vorigen Jahr in Wadern gegründet hat. Der Vereinszweck lautet schlicht und ergreifend: „Verbesserung des Gesundheitswesens in der Region Nordsaarland durch die Errichtung und den Betrieb einer Nordsaarlandklinik". Über 400 Mitglieder – bei immer noch steigendem Zuspruch – wollen nicht lockerlassen. „Dort entsteht ein Loch", zeigt der Sprecher Bernd Schröder auf die Landkarte und macht damit deutlich, was das Aus für den Standort Wadern für die Menschen vor Ort bedeutet. Wenig verwunderlich, dass sich die Bürgerinitiative zunächst wie ein „Ü60"-Verein zusammengefunden hat. Es sind naturgemäß die älteren Menschen, die am ehesten und nachhaltigsten leiden, wenn solche Strukturen in ländlichen Regionen wegfallen.
Das ursprüngliche Ziel, nämlich eine Schließung zu verhindern, hat die BI bekanntlich nicht erreicht. An Aufgeben war aber nicht zu denken, im Gegenteil. Dass ihr Anliegen auch auf höchster Ebene durchaus ernst genommen wird, zeigte eine Einladung der damaligen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zu einer Art Gipfeltreffen in der Saarbrücker Staatskanzlei.
Ein Ergebnis war die nun oft zitierte Machbarkeitsstudie durch die „aktiva – Beratung im Gesundheitswesen" (Köln). Die sieht nicht nur die BI, sondern auch Waderns Bürgermeister Jochen Kuttler als eine „gute Arbeitsgrundlage", um die Idee einer Nordsaarlandklinik weiterzuverfolgen und mögliche Investoren zu gewinnen. Dass die wohl kaum aus dem Bereich der bereits jetzt im Saarland engagierten Trägergesellschaften kommen würden, ist naheliegend nach der Vorgeschichte und den ersten Gesprächen und Anfragen. Trotzdem will auch die Landespolitik das Projekt inzwischen nicht mehr gänzlich ausschließen, obwohl in Entwürfen zum neuen Krankenhausplan ursprünglich der Standort Wadern mit „0" Betten und dem Vermerk „Ende 2017 geschlossen", aufgeführt war. Das Gesundheitsministerium von Monika Bachmann hat signalisiert, sollte sich ein Investor finden, könne man sich auch eine entsprechende Anpassung der Krankenhausplanung vorstellen.
Die Besorgnisse der BI reichen über den konkreten Standort Wadern hinaus und richten sich auf die grundsätzlichen Entwicklungen der Gesundheits- und Krankenhausversorgung. Die Bundes-Gesundheitspolitik sei ohnehin auf eine Konzentration größerer Standorte ausgerichtet, betont Henry Selzer von der BI. Im Saarland könne das zu einer Konzentration an der „Saar-Schiene" sowie in Homburg führen, ländliche Regionen würden ausgedünnt. Nach Wadern stehe auch Losheim in seiner jetzigen Struktur wohl in ein paar Jahren zur Disposition, so die Befürchtung. „Regionale Grundversorgung wird immer kleiner geschrieben", konstatiert Selzer.
Völlige Irritation hatten deshalb zunächst Meldungen ausgelöst, wonach das Saarland nach Jahren eines kontinuierlichen Bettenabbaus mit zunächst 300, dann bis zu 500 Betten mehr plant. Das schien angesichts der Diskussion der Vergangenheit und vor dem Hintergrund der bereits erfolgten Schließung in Wadern und bevorstehenden Schließung in Dillingen schwer nachvollziehbar. Die BI-Sprecher äußerten die Vermutung, dass sich die Saar-Politik mit diesen Planungszahlungen sozusagen vorbeugend gegen Bundespläne aufstellen wollte, um zumindest „abzupuffern, was ist".
Grundversorgung kleingeschrieben
Was drohen könnte, hat unlängst der Kampf um die Notfallversorgung vor Augen geführt. Nach ersten bekannt gewordenen Plänen war zu befürchten, dass nur noch vier Krankenhäuser im Saarland in der Notfallversorgung übrig bleiben könnten. Am Ende der Verhandlungen beschloss der mächtige, aber öffentlich wenig bekannte „Gemeinsame Bundesausschuss", dass 17 Krankenhäuser weiter an der Notfallversorgung teilnehmen können. Neben den Fachkliniken mit ihrem bisher ohnehin eingeschränkten Angebot werden dann wohl das Fliedner Krankenhaus Neunkirchen, Dillingen und Losheim rausfallen. Damit dürfte sich die BI in ihren schon früh geäußerten Befürchtungen, insbesondere auch hinsichtlich der Zukunft des Standortes Losheim, bekräftigt sehen.
Der „Gemeinsame Bundesausschuss" (G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen. Dort wird über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung entschieden, also darüber, was die gesetzlichen Krankenversicherungen bezahlen – und was eben nicht. Betroffen von den Entscheidungen des Gremiums sind mehr als 70 Millionen Versicherte.
Die Bürgerinitiative Nordsaarlandklinik ist sich zwar bewusst, dass sie „von Wadern aus Bundestendenzen nicht aufhalten" können wird, wie die Sprecher mit leicht ironischem Unterton bemerken. Dennoch ist klar, dass ihr Kampf um einen solchen Standort in einer ländlichen Region über den konkreten Fall hinaus grundsätzliche Fragen nach den Strukturen aufwirft, die sie auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten in die Diskussion einspielen. Dass im kommenden Jahr Kommunalwahlen im Saarland stattfinden, ist für sie eine gute Vorlage, das Thema ganz oben auf der Agenda zu halten. Symbolisch werden weiterhin die Mahnwachen freitags auf dem Markt in Wadern abgehalten. Gleichzeitig laufen im Hintergrund intensive Gespräche, wie Bernd Schröder versichert, bei denen die BI auf der Grundlage der Machbarkeitsstudie für ihr detailliertes Konzept wirbt. Details will er derzeit aus nachvollziehbaren Gründen nicht nennen, aber man sei „auf einem guten Weg".