Dean Martin, Frank Sinatra und Sammy Davis Jr. prägten die Vorstellung, die wir bis heute von einem Entertainer haben. Gemeinsam mit Peter Lawford und Joey Bishop schufen sie ein Genre, das bis heute fasziniert. Dabei war das Rat Pack anfangs nicht mehr als eine Clique lebenslustiger Saufkumpane.
Wenn die Rede vom Kinofilm „Ocean’s Eleven" ist, denken jüngere Cineasten vor allem an George Clooney, Brad Pitt und Matt Damon. Ältere Semester verbinden damit eher „Frankie und seine Spießgesellen", wie der etwas sperrige deutsche Titel des Originals aus dem Jahr 1960 hierzulande lautet, und damit Frank Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis Jr.
Show-Attraktion aus Zufall geboren
Sie bildeten den Kern des sogenannten Rat Pack, der Rattenbande, zu der auch Joey Bishop und Peter Lawford gehörten. Wenn man so möchte, waren sie die erste Boyband der Musikgeschichte, erweitert durch Shirley McLaine, die ebenfalls zum engsten Kreis zählte. Entstanden ist der Begriff Rat Pack bereits einige Jahre früher, Mitte der 50er-Jahre. Und glaubt man den Überlieferungen, hat ihn Lauren Bacall geprägt. Beim Anblick ihres Ehemanns Humphrey Bogart, Frank Sinatras und einiger anderer ihrer Freunde nach einer durchzechten Nacht soll sie ausgerufen haben: „You look like a goddamned rat pack!" – „Ihr seht aus wie eine verdammte Rattenmeute!". Der Begriff ist aber vermutlich eher nicht wörtlich zu nehmen. Ratte bezeichnet in diesem Zusammenhang viel mehr eine zwielichtige Person, einen Gauner. Jemanden, der einen zweifelhaften Lebenswandel pflegt.
Und das traf auf das Rat Pack zweifelsfrei zu, denn dass die illustre Runde die Nacht zum Tag machte, war völlig normal. Es war sogar Voraussetzung, um „dem Club" überhaupt angehören zu können. Zudem musste man eine gewisse Trinkfestigkeit mitbringen und sich grundsätzlich nicht um das scheren, was andere Leute über einen dachten. In den Anfangsjahren bestand die Clique hauptsächlich aus Sinatra, Bacall, Bogart als Anführer der Gruppe, David Niven und dessen schwedischer Frau Hjördis sowie dem Gastronomen Mike Romanoff und dessen Gattin Gloria und dem Literaturagenten Swifty Lazar. Auch Judy Garland und deren Ehemann Sid Luft gehörten zum harten Kern. Aber auch andere Größen jener Zeit wie Katharine Hepburn, Spencer Tracy oder Cary Grant waren häufiger mit auf Tour.
Nach Bogarts Tod Mitte Januar 1957 wurde Sinatra „Leader of the pack", und Anfang der 60er-Jahre wurde der Name zum Marketing-Begriff für die Künstler Frank Sinatra, Dean Martin, Sammy Davis Jr., Peter Lawford und Joey Bishop. Ein halbes Jahrzehnt lang dominierte das Quintett mit gemeinsamen Auftritten die Bühnen von Las Vegas. „The Summits", also Gipfeltreffen, wie sie ihre Sessions selbst nannten, wurden zum Begehrtesten, was das Las Vegas der damaligen Zeit zu bieten hatte.
Dabei entstand das Ganze wohl eher aus einem Zufall. Der Legende nach traf sich das Rat Pack während der Dreharbeiten zu „Ocean’s Eleven" abends häufiger im „Hotel Sands" und versackte dabei – wie so oft – im Casino. Irgendwann soll Dean Martin im Laufe eines solchen Abends auf die Bühne gegangen sein, um ein paar Lieder zu singen. Frank Sinatra und Sammy Davis Jr. sollen den Auftritt ihres Kumpels nach reichlich Alkohol mit Zwischenrufen und Witzen über Martin aus dem Publikum heraus kommentiert und sich dabei halb kaputtgelacht haben. Als Martin darauf reagierte und sich ein lustiger Dialog mit allerlei Albernheiten zwischen den drei entwickelte, hatte auch das Publikum seinen Spaß. Die Show-Idee war geboren.
Diese wirkten jeden Abend aufs Neue improvisiert, tatsächlich täuschte der Eindruck. Weit weniger als die Hälfte der Show entstand wirklich aus der Situation heraus, der überwiegende Rest war sehr genau geplant. Die Jungs pflegten fortan ihr Image als Nice Guys und Womanizer. In der einen Hand eine Zigarette, in der anderen ein Glas Whisky. Und getrunken wurde sogar auf der Bühne – heute undenkbar – reichlich.
Die Shows waren eine Mischung aus derbem Klamauk und Gesang, bei der jeder Einzelne einen Solo-Teil des Programms bestritt, bevor man gemeinsam zur Tat schritt. Die Witze und gegenseitigen Spötteleien gingen nicht selten unter die Gürtellinie und waren aus heutiger Sicht alles andere als politisch korrekt – wie insbesondere Sammy Davis Jr. häufig am eigenen Leib erfahren musste. Doch der dunkelhäutige Entertainer konnte einerseits gut austeilen – und sich andererseits auch selbst ziemlich auf die Schippe nehmen. Als er einmal nach seinem Handicap beim Golf gefragt wurde, antwortete er: „Ich bin 1,63 Meter groß, habe nur ein Auge, bin Schwarzer und Jude. Und dann fragst Du mich, was mein Handicap ist!"
Der Krebs trennte die drei Freunde
Parallel zu den Konzerten entstanden gemeinsame Filme wie „Ocean‘s Eleven" (1960), „Die siegreichen Drei" (1962), „Vier Für Texas" (1963) und „Sieben gegen Chicago" (1964). Sinatra, Martin und Davis Jr. traten auch später, in den 70er- und 80er-Jahren, immer wieder gemeinsam auf. Am 13. März 1988 kündigten die drei eine Reunion-Tour im Oakland Coliseum an, und die Show war innerhalb von zwei Stunden ausverkauft. Die Namen Sinatra, Martin und Davis Jr. hatten nichts von ihrer Zugkraft verloren. Doch schon nach wenigen Auftritten zeigte sich, dass Dean Martin den Anforderungen einer Konzertreise nicht mehr gewachsen war. Für ihn sprang Liza Minelli ein, die die beiden alten Herren allerdings ziemlich schnell an die Wand sang.
1989 musste auch Sammy Davis Jr. aus gesundheitlichen Gründen aussteigen. Ende August wurde bei ihm Kehlkopfkrebs diagnostiziert, bis November des gleichen Jahres hatte er seine Stimme endgültig verloren. Am 16. Mai 1990 starb Davis Jr. mit nur 64 Jahren. Fünf Jahre später erlag auch Dean Martin einem Krebsleiden. Er starb Weihnachten 1995 im Alter von 78 Jahren an Lungenkrebs. Zu diesem Zeitpunkt stand Sinatra noch immer auf der Bühne, doch nach dem Tod seines engen Freundes zog auch er sich komplett aus dem Show-Business zurück.