Was haben eigentlich der olle Karl Marx und das Hambacher Fest gemeinsam? Die Antwort muss irgendwo in China liegen. Schließlich kamen von dort die wichtigsten Utensilien zu großen Veranstaltungen am letzten Wochenende in Trier (Marx) und der Vorderpfalz („Neues Hambacher Fest"). Die überlebensgroße Marx-Statue von einem chinesischen Künstler und die Deutschlandfähnchen aus Kartons mit der Aufschrift „Made in China", wie berichtet wird. Satiriker und Verschwörungstheoretiker freut‘s, können die uns gleich mal die Angst vor der Islamisierung des Abendlandes nehmen, wo sich doch bereits die Chinesen eingenistet haben. Und das offensichtlich völlig ideologiebefreit, wie die gleichzeitige Lieferung des etwas verspäteten Geburtstagsgeschenks für den revolutionären linken Vordenker und die Fähnchen für neues rechtes Nationalerwachen zeigen. Was mich zur ernsten Frage führt, wer eigentlich unsere Geschichte besetzen darf.
Dass sich die Dom-Stadt (endlich) zum bekanntesten Sohn der Stadt bekennt und zugleich kritisch mit ihm auseinandersetzt, ist überfällig gewesen. Wenn dann zeitgleich auf dem Hambacher Schloss Nationaltöner versuchen, das „Hambacher Fest" für sich zu okkupieren, zeugt das von einer anderen, offensichtlich immer noch bestehenden Lücke. Nicht, dass das Symbol deutscher Demokratie vergessen wäre, wie beispielsweise der Siebenpfeiffer-Preis für freien und mutigen Journalismus zeigt. Aber dass wir, wenn schon nicht Stolz, dann zumindest ein ausgeprägtes Bewusstsein für diesen (bürgerlich-) revolutionären Kampf um zentrale demokratische Grundrechte hätten, die uns heute so selbstverständlich erscheinen, lässt sich kaum behaupten. Kein Wunder, wenn dann „besorgte Bürger" mit einer „Patriotenwanderung" ihrer Geschichtsdeutung Gehör verschaffen wollen. Das historische Hambacher Fest ist keineswegs unumstritten, Karl Marx erst recht nicht. Das eine gehört nicht den Nationalen, der andere nicht irgendeiner Partei. Einseitige Besitzansprüche auf die Historie führen immer zu Geschichtsklitterung. Und genau das ist, was wir derzeit am allerwenigsten brauchen.