Fast Food macht nicht nur dick, sondern löst heftige Entzündungsreaktionen im Körper aus. Diese ähneln denen von bakteriellen Infektionen und führen zu einer dauerhaften Umprogrammierung des Immunsystems.
Die Menschheit wird immer dicker. In den vergangenen gut 40 Jahren hat der moderne Homo sapiens im Schnitt pro Jahrzehnt 1,5 Kilogramm zugelegt. Die Zahl der Übergewichtigen hat inzwischen weltweit die der Untergewichtigen übertroffen. Auch die Zahl der unter Adipositas (Fettsucht, Fettleibigkeit) leidenden Menschen hat sprunghaft zugenommen, wofür hauptsächlich falsche Ernährung und zu wenig Bewegung verantwortlich gemacht werden. Vor allem der kontinuierliche Konsum von Fast Food, sprich Pommes, Burger, Döner oder Pizza, lässt die Zeiger auf den Waagen in immer höhere Gewichtsregionen ausschlagen. Dass diese Art von Kost mit viel Fett, jeder Menge Zucker und wenig Ballaststoffen nicht gesund sein kann, sondern dick und anfälliger für diverse Krankheiten macht, dürfte inzwischen allgemein bekannt sein.
Nun hat eine internationale Forschergemeinschaft unter Federführung des Instituts für angeborene Immunität der Universität Bonn in einer Anfang des Jahres veröffentlichten Studie nachweisen können, dass das Immunsystem von untersuchten Mäusen auf einseitige Fast-Food-Ernährung ähnlich heftig mit massiver körperlicher Entzündung wie auf eine bakterielle Infektion reagierte. Außerdem wurde die Körperabwehr der Nager offenbar durch ungesundes Essen wegen einer Art von Umprogrammierung langfristig aggressiver gemacht, was das Entstehen künftiger Entzündungen mit den gravierenden Folgeerscheinungen Arteriosklerose und Diabetes fördern kann.
Schon 2016 konnte aus einer Studie des Kölner Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung abgeleitet werden, dass schon kurzzeitig fettreiche Ernährung zu einer raschen und nachhaltigen Veränderung des Stoffwechsels infolge von Umprogrammierungen führen kann. In der aktuellen Forschungsarbeit der Bonner Uni unter wesentlicher Mitwirkung von Prof. Dr. Eicke Latz, dem Direktor des Instituts für angeborene Immunität, wurden Mäuse vier Wochen lang mit Fast-Food-Kost ernährt. Die Tiere entwickelten daraufhin eine massive körperliche Entzündung – fast wie nach einer Infektion durch gefährliche Bakterien. Sprich die ungesunde Diät hatte zu einem unerwarteten Anstieg bestimmter Immunzellen im Blut geführt. Leider ausgerechnet jener Immunzellen, die speziell für das Entstehen von Gefäßerkrankungen und Diabetes verantwortlich sein können. Sensoren namens „Inflammasome" im angeborenen Immunsystem beziehungsweise in den Immunzellen können Fast Food als schädliche Substanz ausmachen und als Gegenmaßnahme hoch entzündliche Botenstoffe freisetzen.
Fehlernährung hat dramatische Konsequenzen
Nachdem die Wissenschaftler die Nager nach vier Wochen wieder einen Monat lang auf artgerechte Getreide-Kost gesetzt hatten, klangen die akuten Entzündungserscheinungen zwar wieder vollständig ab, aber: „Was nicht verschwand, war die genetische Reprogrammierung der Immunzellen", berichtet Latz. „Auch nach diesen vier Wochen waren in ihnen noch viele der Erbanlagen aktiv, die in der Fast-Food-Phase angeschaltet worden waren. Wir wissen erst seit Kurzem, dass das angeborene Immunsystem über ein Gedächtnis verfügt. Nach einer Infektion bleibt die Körperabwehr in einer Art Alarmzustand, um dann schneller auf einen neuen Angriff reagieren zu können." Den gleichen Effekt kann offenkundig ungesunde Nahrung auslösen, wobei das alarmierte Immunsystem dann schon auf kleine Reize mit vergleichsweise starken Entzündungsantworten reagieren kann. Letztere können die Entstehung von Gefäßkrankheiten oder auch Typ-2-Diabetes drastisch beschleunigen.
Das liegt daran, dass das Wachstum der Immunzellen, die gemeinsam mit den Lipiden bei einer Arteriosklerose die typischen Gefäßablagerungen namens „Plaques" bilden, durch die Entzündungsreaktion erheblich stimuliert wird. Sobald diese Plaques zu groß werden, platzen sie auf, werden vom Blutstrom fortgetragen und können andere Gefäße verstopfen – mit Folgen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt. „Fehlernährung kann also dramatische Konsequenzen haben", sagt Latz. „In den letzten Jahrhunderten ist die durchschnittliche Lebenserwartung in den westlichen Ländern stetig gestiegen. Dieser Trend wird gerade erstmalig durchbrochen. Wer heute geboren wird, wird im Schnitt vermutlich kürzer leben als seine Eltern. Falsches Essen und zu wenig Bewegung dürften daran einen entscheidenden Anteil haben."
Um diese fatale Entwicklung eventuell stoppen zu können, raten die Bonner Wissenschaftler dringend zu einem grundlegenden Neuansatz in der Schulpolitik. „Die Grundlagen einer gesunden Ernährung müssen noch viel stärker als heute zum Schulstoff werden", sagt Latz. „Nur so können wir Kinder frühzeitig gegen Verlockungen der Lebensmittelindustrie immunisieren." Die Mäuse der Bonner Studie waren übrigens nach Ablauf der achtwöchigen Versuchsphase allesamt verstorben. Ihr Tod war laut den Wissenschaftlern letztendlich nur die Spätfolge der schlechten Ernährung. Das Schicksal, das bei den Nagern gewissermaßen im Zeitraffer beobachtet werden konnte, soll laut den Forschern menschliche Fast-Food-Junkies nach etwa 50 bis 60 Jahren treffen. Kleiner Hoffnungsschimmer: Die Bonner Wissenschaftler schließen nicht völlig aus, dass sich der Teufelskreis des auf Entzündung programmierten Immunsystems bei einem Umstieg auf gesunde Ernährung durchbrechen lassen kann. Allerdings wagen sie keine Aussage darüber zu machen, wie viel Zeit der Körper dafür benötigen mag.