Eine österreichische Auswandererfamilie hat es in eine der entlegensten Gegenden Neuseelands verschlagen. Aus dem Nichts baute sie eine Luxuslodge auf. Und züchtet Lamas.
Wer zu den Stompes kommt, hat einen weiten Weg und viele Kilometer über Schotterstraßen hinter sich. Dafür erwartet den Gast in der Luxuslodge der Österreicher nicht nur ein Verwöhnprogramm, sondern auch der Ausblick auf Lamas vor dem Schlafzimmer.
Die Lamas grasen am Berg. Gemächlich wandern die Tiere den Hang entlang. Ihr Blick schweift über menschenleere Weite, saftige Wiesen, Wälder und am Horizont ein einziges Haus.
Die kuscheligen Tiere sind typisch für Südamerika – und deswegen hier völlig fehl am Platz. An der Nordspitze der neuseeländischen Südinsel sind sie ein ungewöhnlicher Anblick.
Man muss schon – im positiven Sinne – verrückt sein, um in Neuseeland mit der Lamazucht zu beginnen. Und „a bisserl verrückt", das sind die Stompes, eine österreichische Auswandererfamilie, nach eigenem Bekunden auch. Bruno Stompe und seine Frau Monika betreiben in einer der unzugänglichsten Gegenden Neuseelands eine Luxuslodge.
„Die große Liebe begann mit einer Fotografie", sagt der gebürtige Österreicher. Auf einer Luftaufnahme, die ihm ein Freund zeigte, hatte Stompe ein Stück Land entdeckt, von dem er sofort wusste, dass er es haben wollte. Kein Grundstück, sondern eine ganze Halbinsel sollte es sein, die so groß war, dass so manche mitteleuropäische Kleinstadt darauf Platz finden würde. Praktisch war es auch – das Stück Land lag sozusagen gleich um die Ecke. Nur ein paar Flugstunden von Australien entfernt, wo die Stompes Ende der 80er-Jahre lebten.
Bruno Stompe war in seinem Heimatland Österreich erst Kampflieger bei der Luftwaffe und dann erfolgreicher Unternehmer. 1988 wanderte er nach Australien aus. Um „ruhiger zu treten und das Leben zu genießen", wie er sagt. Das aber war ihm nicht gelungen, denn anstatt sich zu entspannen, hatte er innerhalb von zwei Jahren in Australien eine neue Firma aufgebaut und mit der auch schon wieder ordentlich Geld verdient.
„Man muss sich irgendwann der Realität stellen", sagt er lachend, „ich bin eben ein Workaholic". Es muss wohl stimmen, dass er arbeitssüchtig ist. Aber glauben mag man es ihm nicht, wenn er da so entspannt auf der Eckbank sitzt, ab und zu gedankenverloren über seine Fast-Glatze streicht, immer wieder hinter seinem grauen Vollbart hervorlächelt und von seinem Leben erzählt.
Sogar die Straße mussten sie bauen
Als die Stompes ihr neuseeländisches Paradies kauften, gab es dort nichts außer einer Schutzhütte. Alles andere mussten die Österreicher selbst bauen, sogar die Straße, die Kurve um Kurve den Berg zu ihrem Anwesen hinaufführt. Anfangs betrieben die Stompes oben auf ihrem Berg ein kleines Bed and Breakfast. Überraschenderweise funktionierte die eigentlich abwegige Idee, abseits aller Straßen eine Pension zu betreiben. Immer mehr Leute kamen, bald schon waren die Stompes ständig ausgebucht. Und deswegen begannen die Gästehausbetreiber größer zu denken. Eine Luxuslodge sollte es sein. Selbstverständlich mit Schwimmbad. Und so machten sich Bruno und sein tschechischer Schwiegersohn Tomas ans Werk – sie arbeiteten allein, ohne fremde Hilfe. Tag für Tag und Jahr für Jahr standen die beiden auf ihrer Baustelle.
Viele Jahre hat es gedauert, bis die Stompes in ihrem Westhaven Retreat 2012 Einweihung feiern konnten. Doch jetzt sitzt der Bauherr stolz auf dem Sofa: „Wir leben hier auf dem schönsten Stückchen Land der Welt", sagt er. Um festzustellen, dass er Recht hat, muss man nur aus dem Fenster schauen. Steile Klippen hier, lange Sandstrände da, weite Almwiesen wechseln sich mit Wäldern ab.
Wer über das Anwesen wandert, fühlt sich in eine andere Welt versetzt. Wüsste man nicht, dass Mittelerde eine Erfindung von J.R. Tolkien ist, man wäre sicher, dass einem hinter der nächsten Ecke der Zauberer Gandalf auf seinem Schimmel entgegenreitet. Die Begegnung mit Stompes Lamas, die friedlich über das Grundstück trotten, ist aber ähnlich be- und verzaubernd. Und das, obwohl ihnen kein Zauberer auf dem Rücken sitzt.
Auf der einen Seite von Westhaven rollen die Wellen des Pazifischen Ozeans gegen das Land, auf der anderen ruht still der Fjord. Aber nicht immer – denn das 13 Kilometer lange Whanganui Inlet ist die größte Gezeitenbucht des Landes. Wer zum richtigen Zeitpunkt hier ist, kann beobachten wie das Meerwasser gurgelnd in den Fjord hinein- beziehungsweise aus ihm hinausläuft.
Wem es auf Stolpes Halbinsel trotz der riesigen Ausmaße zu eng wird, der kann auch den Nachbarn besuchen.
Das Grundstück der Österreicher grenzt nämlich an den Kahurangi-Nationalpark, dem zweitgrößten Naturschutzgebiet des Landes. Mit Ausnahme von Stompes Grund bedeckt der riesige Park, der fast doppelt so groß ist wie das Staatsgebiet Luxemburgs, die komplette Nordwestecke der neuseeländischen Südinsel. Für Wanderer ist die vielfältige Region ein Eldorado. Auf dem fast 80 Kilometer langen Heaphy Track, einem der bekanntesten Wanderpfade des Landes, geht es an Flüssen entlang und über weite Sandstrände, dann hinauf zu Bergwiesen und Hochebenen und im Schatten hoher Gipfel zu einsamen Bergseen. Fünf Tage sind konditionsstarke Wanderer auf dem Weg unterwegs – eine Woche braucht man, wenn man es entspannt und ruhig angehen lässt und den grandiosen Ausblicken jeweils mehr als nur eine Fotopause gönnt.
Abholung auf Wunsch per Helikopter
Auf kürzester Strecke wechselt hier das Landschaftsbild. Nirgends im Land findet man eine so artenreiche Flora wie hier. Genau 1.226 einheimische Pflanzenarten haben die Wissenschaftler gezählt. Das sind mehr als die Hälfte aller in Neuseeland vorkommenden Arten. Zur Schönheit des Parks passt auch sein Name. Kahurangi heißt nämlich in der Sprache der Maori „wertvoller Besitz". Imme noch nicht genug Wildnis? Dann haben die Stompes noch einen weiteren „Nachbarn" zu bieten – der Abel Tasman National Park liegt zwar ein bisschen weiter entfernt, bietet sich aber ebenfalls für Wanderungen und Kanutouren an. Und wer will, kann da sogar auf dem Pferderücken unterwegs sein.
Nur ein winziges Problem bleibt – die Lage von Westhaven Retreat. Die Schönheiten der Natur liegen zwar direkt vor der Haustür, die Gäste müssen aber viele Kilometer auf ungeteerten Straßen fahren, bevor sie ihren Luxusurlaub beginnen können. Zum Hotelservice gehört es deswegen, die Gäste am Flughafen von Nelson abzuholen. Dreieinhalb Stunden ist man von dort mit dem Auto unterwegs. Wer es bequemer haben will, lässt sich mit dem Helikopter abholen. Dann landet man nach einem Panoramaflug von gut einer halben Stunde direkt vor der Eingangstür des Luxusresorts. Auch Bruno benutzt den Hubschrauber – beispielsweise dann, wenn er mal in die Oper will. Er fühle sich in seiner Lodge keinesfalls wie am Ende der Welt, sagt er. „Schließlich bin ich in weniger als zwei Stunden in der Hauptstadt Wellington." Mit dem Hubschrauber – versteht sich.