Die Berliner Wasserballer büßen ihre Führungsposition in Deutschland ein. International spielen sie allerdings so erfolgreich wie schon lange nicht mehr.
Das Spandau 04 von 2018 ist ein Spandau mit zwei Gesichtern. Das eine Gesicht ist das internationale, das mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. Es steht für die Erfolge in der Champions League, für die vielen tollen Spiele gegen starke europäische Mannschaften. Und es steht für das Erreichen des Finales der besten acht europäischen Teams – eine Leistung, die den Wasserballern aus West-Berlin schon lange nicht mehr gelungen ist. Genau genommen seit 15 Jahren nicht mehr. Damals war das Final 8 noch ein Final 4 und fand in Genua statt. Auch 2018 ist Genua wieder der Austragungsort, und die Spandauer sind dabei. Ein gutes Omen, um den größten internationalen Erfolg der Berliner seit 2003 mit einer guten Platzierung vor Ort zu krönen. Die Qualifikation für das Elitetreffen des europäischen Wasserball-Adels findet vom 7. bis 9. Juni statt und beschert den Hauptstädtern eine lange Saison in diesem Jahr. Denn bis Anfang Juni gibt es noch eine Menge zu tun für die Männer von Spandau 04.
Und damit kommen wir zum zweiten Gesicht der Berliner Wasserballer, dem nationalen. Denn hier weicht das breite Grinsen einer sorgenvollen Miene. Die Wettbewerbe in der nationalen Konkurrenz sind in dieser Saison alles andere als ein Selbstläufer. Das bekam Spandau schon zu Beginn der Spielzeit zu spüren, als alle internationalen Siege noch in weiter Ferne lagen.
Hannover hat die Anstrengungen deutlich verstärkt
Denn die Saison ging anders los, weniger aussichtsreich, weniger erfolgreich. Eigentlich deutete sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine Wachablösung im deutschen Wasserball an. Die aufstrebende Konkurrenz aus Hannover von der Waspo 98 schickte sich an, ihren lang gehegten Traum zu verwirklichen. Endlich einmal Erster, endlich besser als die ewig Ersten aus dem Berliner Stadtteil Spandau. 1993 war ihnen das zuletzt gelungen, vor einer halben Ewigkeit. Seitdem warten die Hannoveraner auf ein weiteres nationales Erfolgserlebnis und haben ihre Anstrengungen in den letzten Jahren deutlich verstärkt. Der finanzkräftige Sponsor Karsten Seehafer ist gleichzeitig Trainer, früher war er Spieler in der Meistermannschaft von 1993. Er und der Präsident Bernd Seidensticker sind wild entschlossen, Hannover nachhaltig auf der deutschen Wasserball-Landkarte zu verorten. Nicht als zweite Kraft oder unter ferner liefen, sondern ganz weit oben und nicht nur in Deutschland. Es sind ehrgeizige Ziele. Mit Hilfe von politischen Winkelzügen haben die Bosse der Waspo es bereits geschafft, ihrem Verein eine Wildcard für die Champions League zu verschaffen, also eine Qualifikation, die nicht auf sportlichem Wege zustande kam. Zusätzlich findet das Finale der europäischen Spitzenliga 2019 und 2021 in der niedersächsischen Landeshauptstadt statt. Die Hannoveraner hatten allen Grund, die Korken knallen zu lassen. In dieser Saison sollte zusätzlich der nationale Thron auf sportlichem Wege bestiegen werden. Die Investitionen, die Verpflichtungen vieler ausländischer Spieler und die forschen Sticheleien der letzten Jahre gegen den Branchenprimus aus Berlin sollten Früchte tragen. Das erste Spiel der Saison nährte diese Hoffnung, denn Waspo schlug die Berliner im Deutschen Supercup mit 9:8 und sicherte sich den ersten Titel der Saison bereits im Oktober 2017.
Das Momentum lag zu Beginn der Saison also bei den Niedersachsen, und am Ende der nationalen Spielzeit könnten sie tatsächlich einmal wieder die Nase vorn haben und Spandau 04 als deutschen Serienmeister ablösen. Die Hinweise verdichten sich. Letzte Erkenntnisse lieferte das Pokalfinale der deutschen Wasserballer am vergangenen Wochenende in Potsdam, mit einem suboptimalen Ergebnis für die Berliner. Denn Waspo 98 Hannover verteidigte seinen Wasserball-Pokal-Titel aus dem Vorjahr. Im Final-Four-Finale bezwangen die Niedersachsen den Rekordmeister Spandau vor 500 Zuschauern im Potsdamer Sport- und Freizeitbad blu mit 12:8. Nach 1998, 2003 und 2017 war es der vierte Waspo-Erfolg in diesem Wettbewerb – die erste Titelverteidigung überhaupt.
Beim mit Spannung erwarteten Prestigeduell zwischen den beiden Hauptrunden-Ersten der Bundesligasaison gaben die sogenannten Balkan-Stars im Waspo-Team den Ausschlag. Darko Brguljan mit vier Treffern, Ante Corusic mit drei und Pere Estrany mit zwei Toren waren für Hannover die erfolgreichsten Schützen. Bester Werfer der Spandauer, die viel zu selten Normalform erreichten, war Kapitän Marko Stamm mit drei Treffern.
„Wir wissen jetzt, woran wir zu arbeiten haben"
„Hannover hat verdient gewonnen, wir haben kein Mittel gefunden, um sie wirklich zu knacken. Wir wissen jetzt, woran wir zu arbeiten haben, wenn wir im Best-of-Five-Meisterschaftsfinale mit Heimbonus für Waspo ab Mitte Mai unseren Titel verteidigen wollen. Das war heute nicht das, was wir wirklich leisten können", gab sich Spandaus Teammanager Peter Röhle zerknirscht gegenüber der „Berliner Morgenpost".
Waspo 98 hätte sogar einen Doppelerfolg am Pokalwochenende einfahren können, das Frauenteam hatte es ebenfalls bis ins Finale geschafft. Es scheiterte äußerst knapp gegen Titelverteidiger Nikar Heidelberg mit 9:10.
Sind das die Vorzeichen für einen Führungswechsel im deutschen Wasserball? Waspo 98 läuft Spandau 04 den Rang ab und wird auf Jahre unschlagbar? Oder wird Wasserball in Deutschland endlich einfach nur interessanter, weil die Konkurrenz wächst? Weil Wettbewerbe wie der deutsche Pokal, der Supercup oder sogar die Meisterschaft nicht wie selbstverständlich von nur einem Team abgeräumt werden. Weil sich zwei gleichwertige Kontrahenten gegenseitig zu neuer Qualität anstacheln, was dem internationalen Abschneiden deutscher Teams nützlich sein wird.
Noch haben die Spandauer die Chance, den wichtigsten nationalen Titel zu holen und international zu glänzen. Das Beste kommt zum Schluss. Diese Devise soll in Spandau gelten – damit der Janus von der Havel doch noch sein eines, wahres Gesicht zeigen kann.