Lieber günstig, sparsam und rundum alltagstauglich als viele PS oder schicke Alufelgen: Frauen achten beim Autokauf auf andere Dinge als Männer. Die Berlinerin Sanja Jovanovic hat sich mit ihrem Gebrauchtwagenhandel speziell auf eine weibliche Kundschaft eingestellt.
Ob BMW, Mercedes-Benz oder Audi: Für die meisten Männer sind deutsche Automarken immer noch ein Statussymbol. Für ein Modell dieser Marken sind sie gerne bereit, auch ein wenig tiefer in die Tasche zu greifen. Im Autohandel „Von Frau zu Frau Automobile" von Sanja Jovanovic in Berlin gehen diese Fahrzeuge dagegen weniger gut. Jovanovic richtet sich mit ihrem Geschäft speziell an die weibliche Kundschaft, und bei der stehen ganz andere Marken hoch im Kurs. „Frauen lieben Franzosen", sagt sie – Peugeot, Citroën oder Renault. „Der Twingo geht eigentlich immer gut weg", so die Händlerin.
Frauen werden als Zielgruppe auch in der Automobilbranche immer wichtiger. Doch erst in den vergangenen Jahren hat die Branche damit begonnen, sich intensiver mit ihren Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Denn die unterscheiden sich zum Teil enorm von denen der männlichen Autokäufer: „Frauen wollen ein Auto, das vor allem günstig im Unterhalt ist, was Wartung und Versicherung angeht und das wenig verbraucht. Außerdem legen sie großen Wert darauf, dass das Auto auch wirklich zu ihren Bedürfnissen passt", sagt sie. So würden sie oft als Erstes überprüfen, ob ein Kinderwagen oder der Rollator eines zu pflegenden Angehörigen in den Wagen passt, erst an zweiter Stelle kommt dann die PS-Zahl. Mit Extras wie einem Satz besonders schicker Alufelgen braucht Jovanovic ihren Kundinnen gar nicht erst zu kommen. „Sie nehmen lieber die Allwetterreifen, weil sie dann weniger wechseln müssen. Da denken Frauen ganz praktisch." Wichtiger als glänzende Felgen seien ausreichend Ablagen und solche Dinge wie ein Getränkehalter oder eine Sitzheizung. Nach Nebelscheinwerfern habe dagegen noch keine gefragt.
In ihrer Branche ist Sanja Jovanovic eine echte Besonderheit. Immer noch sind nur wenige Frauen im Autogeschäft tätig, erst recht im Gebrauchtwagenhandel. „Es ist eine Männerdomäne", sagt die Berlinerin. Wenn sie sich geschäftlich irgendwo umsieht, dann wird sie oft für eine Kundin gehalten – dass eine Frau mit ihnen Geschäfte machen will, sei für die meisten ihrer Berufskollegen schwer vorstellbar. „Man wird nicht ernst genommen", sagt sie. Dabei hatte Jovanovic schon früh eine Leidenschaft für alles, was auf vier Rädern fährt. Schon im Kindergarten konnte sie als einzige auf Ausflügen alle Automarken benennen. „Fahrzeuge mochte ich einfach immer. Bereits als kleines Mädchen war es mein größter Traum, eines Tages einen Porsche 911 zu besitzen."
Zunächst arbeitete sie jedoch in der Medienbranche. Zum Autohandel kam sie eher zufällig, es begann als Freundschaftsdienst. Zusammen mit ihrem Mann war sie in Serbien im Urlaub, der Heimat ihres Gatten. Da wurden sie von Bekannten darauf angesprochen, dass es in Deutschland ja viel schönere Autos gäbe. Man bat sie, die Fahrzeuge zu besorgen und nach Serbien zu schicken.
Kundinnen fragen mehr als Kunden
Eigentlich sollte das ihr Mann übernehmen, doch weil Sanja Jovanovic besser Deutsch spricht als er, unterstützte sie ihn – und fand bald Gefallen am Geschäft mit den Autos. Ein paar Jahre später gründete sie dann ihre eigene Firma.
Seit 2014 ist sie mit ihrem Gebrauchtwagenhandel im Berliner Bezirk Spandau zu finden. „Ich habe eine Nische gesucht, um mich von den anderen Händlern abzuheben", erzählt sie. So entstand die Idee, einen Autohandel speziell für das weibliche Publikum anzubieten – „von Frau zu Frau". Etwas Vergleichbares gab es bis dahin noch nicht. Zwar hatten Frauen wie Ralley-Ikone Heidi Hetzer Autohäuser geleitet, zum Teil mit mehreren Filialen. Doch ein Laden, der explizit frauenorientiert arbeitet, war etwas völlig Neues. Wenngleich Jovanovic stets betont, dass auch Männer in ihrem Geschäft selbstverständlich willkommen sind.
„Ich hebe mich bewusst von den anderen Händlern ab, da ich stets bemüht bin, das passende Fahrzeug für jede Lebenssituation einer Frau zur Verfügung zu haben. Der Kauf eines Autos soll ein angenehmes Erlebnis sein", erklärt Sanja Jovanovic. Dabei gehe es nicht nur um das Verkaufsgespräch an sich. „Oft reden wir über Gott und die Welt", sagt sie, weshalb es im Schnitt auch deutlich länger dauere als bei männlichen Kunden. Man könnte das allerdings auch so interpretieren, dass sich Frauen eben erst wirklich sicher sein wollen, dass sie das richtige Auto beim richtigen Händler kaufen, ehe sie sich zum Griff ins Portemonnaie entscheiden.
Mit einigen ihrer Kundinnen ist Jovanovic inzwischen gut befreundet. Sie bietet ihnen an, dass sie jederzeit mit Fragen zu ihr kommen können. Und die stellen Frauen entschieden öfter als Männer. Jovanovic: „Männer tun lieber so, als wüssten sie genauestens Bescheid – auch wenn das womöglich gar nicht so ist. Sie möchten keine Schwäche zeigen", so Jovanovics Eindruck. „Deshalb stellen sie vielleicht gar nicht erst die Frage, die sie eigentlich beschäftigt, weil sie denken, dass man sie sonst dafür belächelt. Frauen sind da anders: Sie wollen von mir immer alles ganz genau wissen und fragen lieber direkt nach, wie etwas funktioniert und wofür dieser oder jener Knopf gut ist."
Die Autohändlerin ist ganz froh, dass direkt an ihr Geschäft ein Privatgelände angrenzt, das ihre Kundinnen für Probefahrten nutzen dürfen. „Viele freuen sich, dass sie mit einem unbekannten Fahrzeug nicht gleich in den Verkehr müssen." Denn häufig kämen auch Frauen zu ihr, die schon länger nicht mehr hinterm Steuer gesessen haben, die nun aber aufgrund einer neuen Lebenssituation wieder anfangen, Auto zu fahren. „In solchen Fällen muss man sehr behutsam vorgehen und Verständnis zeigen, wenn der Wagen am Anfang erst einmal abgewürgt wird", sagt Jovanovic. Sie hat längst festgestellt, dass es in ihrem Beruf gar nicht so sehr um das Technische geht. Viel wichtiger sind Verkaufstalent und Vertrauen. Und da hat sie von Frau zu Frau offenbar einen besonderen Bonus.