Tourenwagen-Meisterschaft und Champions-League-Finale, „Die Tribute von Panem" oder „Terra X": Wenn im Fernsehen oder auf der Kinoleinwand brillante Sequenzen aus der Vogelperspektive zu sehen sind, waren Profis am Werk. So wie das Team von HD Skycam rund um Klaus Stuhl. Vom Hubschrauber aus.
Irgendwo auf der Lichtung eines kleinen Wäldchens zwischen Bingen und Koblenz in Rheinland-Pfalz: Blumen blühen, Vögel zwitschern, Insekten brummen. Aus der Ferne hört man das Bellen eines Hundes. Erst weit weg, dann immer näher stört plötzlich das Knattern eines Hubschraubers die Frühlings-Idylle. Das Hämmern der Rotorblätter wird lauter und lauter, bis dann ein knallgelber Airbus-Helikopter über den Baumwipfeln auftaucht und der Eurocopter AS-350 schließlich auf der Wiese aufsetzt. Und nicht nur der Landeplatz ist außergewöhnlich: Schon von Weitem erkennt man eine große, grau-schwarze Kugel, die vorne rechts am Helikopter hängt und sich dreht.
Aus dem Helikopter steigen drei Männer in Overalls – Pilot Stefan Hauberichs (34), Film-Regisseur Ronny Franke (40) und Operator Klaus Stuhl, zuständig für Kameraführung und -technik. Und von wegen Technik: Ein Blick ins Innere enthüllt ein Szenario wie in einem Raumschiff. Neben zahlreichen Monitoren gibt es da eine große Fernbedienung mit Joysticks und mehrere digitale Aufnahmegeräte.
Stuhl, ein Mann Mitte 50, sonnengebräunt und mit schütterem Haar, grinst draußen vor dem Heli übers ganze Gesicht. „Die Bilder vom Rhein sind super geworden! Es war unglaublich turbulent, aber der Mix aus krassen Wolken und Sonne war exzellent für die Aufnahmen." Er muss es wissen: Klaus Stuhl ist mit seinem Unternehmen HD Skycam einer der erfolgreichsten Luftbildanbieter Europas, produziert Jahr für Jahr hunderte Stunden Film aus der Luft. Olympische Spiele, Autorennen oder die Naturdokumentation aus den Bergen –wenn im Kino oder Fernsehen spektakuläre wackelfreie Luftaufnahmen zu sehen sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Stuhl und sein Team die Finger im Spiel, oder besser: am Joystick, hatten.
„Beim Start spürst du das Adrenalin!"
Ortstermin in Wörrstadt, einem Städtchen in Rheinhessen. Die Gegend wirkt verschlafen, nur wenige Menschen sind auf den kleinen Straßen unterwegs. Dennoch: Hier findet man die HD Skycam GmbH, eine Firma, die sich seit mehr als zehn Jahren weltweit erfolgreich im Filmbusiness durchsetzt. Unspektakulär zwischen einem Getränkemarkt und dem Lager eines Discounters prangt das schwarz-orange-weiße Logo an der Wand eines Neubaus. Mitinhaber und Geschäftsführer Klaus Stuhl erklärt den ungewöhnlichen Firmensitz: „So verschlafen ist das hier gar nicht! Wir sitzen in der Mitte Europas mit direkten Autobahnanschlüssen in alle Richtungen. Das ist für uns extrem wichtig." So sei es zum ZDF nach Mainz „nur ein Katzensprung". Viel wichtiger ist für das Unternehmen aber die Nähe zum Flughafen in Frankfurt am Main. „Das schafft man in ’ner Dreiviertelstunde. Und genau dahin müssen wir immer wieder, um unsere Kamerasysteme auf die weite Reise um die ganze Welt zu schicken."
„Kamerasystem" scheint fast ein wenig untertrieben – gut eine halbe Tonne wiegt das Reisegepäck der „Filmflieger." Kein Wunder: Bei „HD Cineflex" oder „Shotover" handelt es sich um so etwas wie ein fliegendes Fernsehstudio. Klaus Stuhl erklärt: „Eigentlich ist ein Helikopter ja nicht darauf ausgelegt, Filme zu drehen. Damit das überhaupt möglich wird, müssen wir jede Menge Material mitbringen, um den Helikopter von innen und außen um- beziehungsweise aufzurüsten."
Und so beginnt jeder Filmdreh aus der Luft erst einmal auf dem Boden, oft in einem Hangar oder auf einem Feld. „Alles, was wir machen, läuft nach einem festen Programm ab, das durch die jeweilige Luftfahrtbehörde vorgeschrieben ist." Jedes kleinste Bauteil ist zertifiziert –
von den großen Befestigungssystemen für die Kamera bis hin zur winzigen Schraube oder zum Ausgleichsgewicht, damit der Hubschrauber gerade in der Luft liegt. Und es gibt strikte Regeln, so Stuhl: „Wie bei einem Passagierjet müssen wir alles dokumentieren. Würden wir das einmal nicht machen, wären alle Genehmigungen weg" – ein Desaster. Lieber ganz sorgfältig also, insgesamt dauern Auf- und Einbau der Systeme gut sechs Stunden. Erst dann heißt es: „Ready for Take-off" zum eigentlichen Filmflug. „Dann sitzt du im Helikopter", beschreibt es Klaus Stuhl. „Beim Start der Turbine spürst du das Adrenalin in dir – immer dann weiß ich: Ich hab’ meinen Traumjob gefunden. Ich darf die besten Bilder aus den ungewöhnlichsten Perspektiven suchen und filmen." Dass die Bilder auch wirklich völlig wackelfrei und hochwertig sind – „hochglanz" im Filmjargon – dafür sorgt die Kameraaufhängung vorne am Helikopter. „In der Kugel, dem sogenannten Gimbal, befindet sich die Kamera. Der Gimbal ist mehrfach stabilisiert und sorgt in seinem Inneren für absolute Ruhe, egal wie windig es draußen ist." Die Kamera in der Kugel steuert Stuhl souverän mit der Fernbedienung im Helikopter. Und auch die Objektive haben ordentlich Power: „Mit einigen können wir extrem ranzoomen. Aus gut 400 Metern ist noch ein Close-up, eine Nahaufnahme einer Person, möglich."
Live aus dem Heli an den Ü-Wagen
Mit den so geschossenen Bildern hat sich HD Skycam einen Namen in der Branche gemacht. Regelmäßige Kunden des Wörrstädter Unternehmens sind die Veranstalter der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft oder der großen Marathonläufe in Europa. „Wir produzieren jedes Jahr die spannendsten Bilder von den Läufen in Berlin, Hamburg, Frankfurt oder Istanbul." Die Bilder gehen dabei dank HD Cineflex System live und in echtem HD aus dem Helikopter an einen Ü-Wagen am Boden – nicht leistbar für Otto Normalverbraucher: Rund 500.000 Euro kostet so ein System aus den USA. Und HD Skycam hat nicht nur eines. „Es kommt eben oft vor, dass wir mehrere Jobs gleichzeitig auf der ganzen Welt fliegen." Besonders stressig sei es meist im Mai, so Stuhls Erfahrung: „Da ist das Wetter gut und es gibt zahlreiche Großveranstaltungen. In diesem Jahr machen wir unter anderem die Luftaufnahmen zum DFB-Pokalfinale in Berlin und beim Finale der Fußball Champions League in Kiew. Parallel wird ein weiteres Team die Alleen in Mecklenburg- Vorpommern für den NDR filmen." Vor allem das Champions-League-Finale wird eine besondere Herausforderung für Stuhl und seine Kollegen: Das Match zwischen Liverpool und Madrid soll erstmals in 4k übertragen werden – ein Mehrfaches der Daten vom „normalen" HD. Eine technische Herausforderung: Damit die Übertragung vom Heli zum Boden klappt, macht das Signal eine Extra-Schleife, wird vom eigentlichen Film-Helikopter zunächst zu einem zweiten Hubschrauber übertragen. Der dient als Relaisstation und funkt die Aufnahmen zum Boden. Mit Folgen – dabei kann es zu einer Zeitverzögerung von bis zu vier Sekunden kommen. „Da muss die Regie dann schön aufpassen, dass sie nicht im falschen Moment zu uns hochschaltet: Wenn ein Tor fällt, sind unsere Bilder ja erst vier Sekunden später verfügbar …"
HD Skycam dreht aber nicht nur fürs Fernsehen. „Die Königsdisziplin für mich ist natürlich der Film für die große Leinwand – ganz gleich ob Spielfilm und Naturdokumentation", schwärmt Klaus Stuhl. Und noch mal sind die Anforderungen an die Ausstattung höher. Um mithalten zu können, hat Stuhls Firma noch mal investiert. Zum Einsatz kommt nun seit einigen Jahren eine Shotover F1 aus Neuseeland, sie kann man mit verschiedenen Filmkameras bestücken. Machbar sind so Produktionen bis 8k – fürs ungetrübt knackscharfe Vergnügen im Kinosaal.
Die so ausgerüsteten Profis von HD Skycam sind gefragt. Sie haben Blockbuster wie „The Fast and The Furious" oder „Die Tribute von Panem" ebenso gedreht wie die Hochglanzdokumentationen „Rheingold", „Amerikas Ostküste" oder „Terra X". Stuhl: „Aus der Luft kann man einfach die Schönheit und Fragilität der Natur zeigen. Das verstehe ich immer mehr als meine Aufgabe: Den Menschen zu zeigen, wie schön diese Welt ist, und gleichzeitig darauf aufmerksam zu machen, was wir der Natur oft antun." Stuhls Engagement und seine Arbeit wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. So erhielt er 2013 für seine Kameraführung den Preis für den besten Naturfilm mit „Wildes Deutschland – Die Lausitz". 2016 wurde er als bester Kameramann für „Wildnis, Natur, Australien – im Reich der Riesenkängurus" geehrt.
Vom hohen Norden ab in die Wüste
Stuhls Arbeit lohnt sich nicht nur fürs Parkett von Filmfestivals. Längst ist das Unternehmen HD-Skycam auch wirtschaftlich erfolgreich. Der Geschäftsführer ist zu Recht stolz: „Beim Jahresumsatz haben wird die Eine-Millionen-Euro-Marke schon vor einigen Jahren geknackt. Die Entwicklung ist weiter positiv." Alleine in Wörrstadt beschäftigt HD Skycam sieben feste Mitarbeiter, vom Softwareentwickler bis zum Operator, dazu kommen einige Freie. Zwar ist die Konkurrenzsituation überschaubar, in Deutschland gibt es mittlerweile nur noch eine Firma in München, die ebenfalls Luftbilder anbietet, europaweit kaum mehr als eine Handvoll. Aber dennoch: „Ein Zuckerschlecken ist unser Job nicht", versichert Klaus Stuhl. „Jeder von uns ist gut 180 Tage im Jahr unterwegs. Und es kommt oft vor, dass wir von einem Drehort im hohen Norden gleich zum nächsten Shooting in die Wüste fliegen." Immer dabei: das Kamerasystem mit seinen mehreren hundert Kilo Gewicht. „Wir sind bei den Drehs oft alleine. Da muss man dann gleich mit vier Wagen das Equipment am Flughafen handeln, um zum Flieger zu kommen."
Gelassen reagiert man in Rheinhessen übrigens auf die zunehmende Konkurrenz von Drohnen. „Natürlich hat mittlerweile fast jeder Kameramann eine billige Drohne im Kofferraum. Aber damit Luftbilder zu machen hat mit richtigem Filmen nichts zu tun." Dafür gebe es gleich mehrere Gründe: So seinen Drohnenflüge über Menschen, Straßen oder Schienenwegen prinzipiell verboten. Außerdem seien professionelle Kameras einfach zu schwer, um überhaupt von einer Drohne getragen zu werden. „Deshalb ist die Qualität meist mehr als fragwürdig." Dennoch hat HD Skycam mittlerweile gut 20.000 Euro in eine professionelle Drohne investiert. Denn manchmal wird es einfach eng: „Wir wollen die Drohne da einsetzen, wo wir mit dem Helikopter nicht hinkommen – zum Beispiel in Lagerhallen oder Treppenhäusern."
Ob sie das neue „Spielzeug" auch wirklich benutzen? „Eher selten", sagt Klaus Stuhl und lacht. „Zwei Jahre haben wir sie jetzt, ganze zwei Mal ist sie zum Einsatz gekommen." Kein Wunder – wenn Profis wie Stuhl mit dem richtigen Blick für Einstellungen, Perspektiven, Kamerafahrten aus der Luft mit ihrem Kino-Equipment loslegen, sieht alles andere blass aus.